Predigt zum 15. Sonntag nach Trinitatis - 28.9.2014 Textlesung: 1. Mos. 2, 4 - 15 Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden ge- gen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila, und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Liebe Gemeinde! Es ist ganz deutlich: Es gibt mindestens zwei unterschiedliche Erzähler, von denen uns eine Schöp- fungsgeschichte überliefert ist: Der eine (der erste) - um die wichtigsten Unterschiede zu nennen - erzählt von sechs Schöpfungstagen, an denen Gott Licht aus der Finsternis, Wasser und Land, die Pflanzen und die Tiere und schließlich am letzten Tag den Menschen erschafft, den Menschen als Mann und Frau. (Gen. 1-2,3) Vom zweiten Erzähler ist die Geschichte auf uns gekommen, die ich eben vorgelesen habe: Hier wird der Mensch noch bevor es Pflanzen auf Erden gibt aus „Erde vom Acker“ gemacht und der eingehauchte Atem Gottes schenkt ihm das Leben. Für den Menschen pflanzt Gott den Garten Eden und setzt ihn hinein und gibt ihm die Aufgabe, das Land zu bebauen und allem, Pflanzen und Tieren ihre Namen zu geben. Ganz anders als in der ersten Geschichte kommt es hier zur Erschaffung der Frau: Sie wird aus einer Rippe des Mannes „gebaut“, wie der Erzähler sagt. Wir wollen jetzt nicht an diesen beiden Geschichten herumklügeln, um dann sagen zu können, wie sie doch zusammenpassen, auch wenn sie sich ja ganz klar widersprechen. Wir wollen sie nehmen als das, was sie sein wollen: Geschichten, die aus dem Glauben unterschiedlicher Menschen ent- standen sind und darum auch ganz unterschiedliche Dinge herausstellen und betonen. Und diese Dinge wollen wir jetzt in der zweiten Schöpfungserzählung, die wir eben gehört haben und die uns für heute zu bedenken vorgelegt ist, suchen und besprechen: Da ist einmal diese viel frühere Erschaffung des Menschen. Kaum ist die Erde aus der Schöpfer- kraft Gottes entstanden, es hat noch nicht geregnet und weder Pflanzen noch Tiere sind auf Erden zu finden, da heißt es schon: „...kein Mensch war da, der das Land bebaute.“ Eigentlich müssten wir dazu sagen: „Das Land hätte ja auch gar nicht bebaut werden können, wenn die Pflanzen und der Regen fehlen!“ Aber das eben wäre Klügelei, denn es soll eines deutlich werden: Alles in Got- tes Schöpfungsplan zielt auf den Menschen! Um ihn geht es. Auf ihn kommt es Gott an. Und wie von selbst kommt uns jetzt in den Sinn, dass der Mensch ja oft auch die „Krone der Schöpfung“ genannt worden ist. Aber als wollte der Erzähler dieser Schöpfungsgeschichte jetzt unseren Übermut als Krone der Schöpfung dämpfen, sagt er uns, dass wir nur aus „Erde vom Acker“ gemacht sind. Und wir erin- nern uns an die Worte, die wir schon oft bei Beerdigungen gehört haben: „Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub.“ Denn wir sind vergängliche Geschöpfe. Dass wir Menschen sind und lebendige Wesen verdanken wir nur Gott, der uns „den Odem des Lebens“ eingeblasen hat. Halten wir also fest, was uns diese Geschichte sagen will: Gott hat uns geschaffen. Die ganze Schöpfung hat Gott für uns gemacht. Wir sind ihr Sinn und ihr Zweck und ihre Krone. Aber wir sind es nicht aus uns selbst: Ohne Gottes Lebensodem wären wir nichts als Erde vom Acker. Was für ein wichtiger Gedanke! Denken wir nicht oft in diesen Zeiten, die Menschen hätten vergessen, dass sie von Gott geschaffen sind und damit verantwortlich vor ihm? Und haben die Menschen nicht auch weithin vergessen, dass sie alle gleich sind vor Gott, keiner mehr und keiner geringer, weil wir alle nur von Gottes Odem leben und weil wir, wenn Gott uns seinen Odem nimmt, zu Staub werden? Aber der Erzähler ist noch nicht am Ende der Geschichte von dem, was Gott für uns Menschen ge- tan hat: „Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen.“ Gott will auch, dass wir unser Auskommen haben. Seine Schöpfung soll uns Freude schenken und was die Schöpfung an Früchten hervorbringt, soll uns ernähren. Mir fallen, wenn ich auf diese Geschichte von der Schöpfung höre, ganz aktuelle Ereignisse in un- serer Welt ein: Zuerst die Kriege, die in einigen Ländern toben. - Wie können Menschen andere Menschen, also ihresgleichen verletzen und gar töten? Wie kann es sein, dass Menschen anderen Menschen, die Gott doch genauso liebt, den Odem Gottes und damit das Leben nehmen? Und mir fällt ein, dass an einigen Orten der Welt Menschen, die Jahre und Jahrhunderte friedlich und freundschaftlich neben- und miteinander in ihrem Land gelebt haben, angestachelt durch das Machtstreben von Häuptlingen, Führern oder Präsidenten aufeinander losgehen, sich gegenseitig das Land, das allen gehört hat, streitig machen und den jeweils anderen das Lebensrecht absprechen und sie vertreiben wollen. Wie kann das sein, wenn Gott doch allen Menschen das Land geschenkt hat und alle sich an dem, was das Land hervorbringt, erfreuen und von ihm ernähren sollen? Und hier kann man auch nicht auf die unterschiedlichen Religionen verweisen mit ihrer unter- schiedlichen Sicht darauf, wie Gottes Schöpfung gemeint war und wem die Gaben seiner Schöp- fung gehören. Mindestens in den großen Weltreligionen gilt dasselbe: Alle Menschen sind aus Got- tes Hand und seinem lebensspendenen Odem hervorgegangen. Die Juden genauso wie die Muslime und die Christen. Es ist Teil des Machtstrebens, Teil der Intoleranz und der Propaganda, wenn An- gehörige der einen Religion die Angehörigen der anderen ungläubig nennen. Sie zu verfolgen, zu vertreiben, zu verletzen oder gar zu töten, zeigt nur eines: Dass man selbst mit seinem Denken und Tun nicht mehr innerhalb der eigenen Religion beheimatet ist, sondern sie mit Füßen tritt. Liebe Gemeinde, noch können wir diese Geschichte von der Schöpfung und ihre Botschaft aus der sicheren Entfernung derer hören und verstehen, die ja an keinem Krieg beteiligt sind und auch kei- ne anderen Menschen verletzen, vertreiben oder gar töten. Keiner wird uns auch intolerant nennen können. Aber es gibt in dieser Geschichte einen Gedanken, vielleicht mehr im Hintergrund, der doch auch uns aus aufschrecken sollte, wenn wir uns jetzt vielleicht allzu selbstzufrieden und be- quem in unserer Kirchenbank zurückgelehnt haben. Ich meine das: Es ist gewiss auch nicht Gottes Wille gewesen, den er mit seiner Schöpfung verfolgt hat, dass die einen in unserer menschlichen Gesellschaft unten, die anderen oben sind, die einen buchstäblich ums Überleben kämpfen müssen, während die anderen so reich sind, dass sie in ihrem ganzen Leben nicht ihr Geld ausgeben können. Und die Kluft, die sich zwischen den Armen und Reichen aufgetan hat, wird ja immer tiefer und der Graben zwischen ihnen immer breiter. Und wenn die Vorhersagen der Sozialforscher stimmen - und ich glaube fest, dass sie stimmen! - dann geht die Entwicklung auch in unserem reichen Land dahin, dass gerade im Alter immer mehr Menschen nicht mehr über die Runden kommen. In unserer Schöpfungsgeschichte ist eines ganz klar: Gott hat den Garten Eden für alle Menschen geschaffen. Keiner soll ein größeres Stück als ein anderer davon für sich alleine haben. Umgekehrt ist auch das Recht aller Menschen gleich, ein zum Leben ausreichendes Stück Land bebauen zu können. Wobei dieses Bild vom Land, das wir bebauen sollen alles bedeutet, was ein Mensch zum Leben braucht, genauso wie der Garten Eden für unsere - oder besser: für Gottes - ganze Welt steht. Schließlich steht auch der Mensch, von dem hier die Rede ist, für alle Menschen, die aus Gottes Hand und Odem hervorgegangen sind: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ Gewiss sind die Kriege in der Welt, die Bedrohungen, die Morde und Vertreibungen, die größten Probleme unserer Zeit und sie machen uns am meisten Sorgen und wir können vielleicht am we- nigstens tun, um die Dinge zu ändern. Woran wir etwas ändern können, ist für mich aber die Auf- merksamkeit für die Menschen, die in unserer Gesellschaft unten sind und unsere Bereitschaft zu teilen, was nach Gottes Willen allen gehört und ihnen zu helfen. AMEN