Predigt zum 9. Sonntag nach Trinitatis - 17.8.2014 Textlesung: 1. Petr. 4, 7 - 11 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn „die Liebe deckt auch der Sünden Menge“ (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand predigt, dass er’s rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er’s tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“ Einerseits möchte man dem doch zustimmen. Wenn wir einmal an die Wetterkapriolen denken, die überall in der Welt zu beobachten sind: Die bald jährlich wiederkehrenden „Jahrhundert“-Hochwasser bei uns und in anderen europäischen Ländern, die Überschwemmungen - sogar in Wüstengebieten. Auf der anderen Seite gibt es ganze Landstriche (z.B. in China), die früher fruchtbar gewesen sind, in denen seit Jahren kein Tropfen Regen mehr gefallen ist. Die Tornados in Amerika und die Taifune in Japan mit Windgeschwindig- keiten, die man noch vor Jahren für unmöglich gehalten hat. Aber auch die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Die Mieten in den Bal- lungsräumen sind unbezahlbar geworden. Viele Menschen können mit Vollzeitarbeit nicht mehr ih- re Familie ernähren. Immer mehr Rentnern droht Altersarmut. In der Gesellschaft machen sich Egoismus, der Gebrauch der Ellenbogen und spürbare Kälte breit. „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“ Andererseits aber ist das ein Wort, das Petrus vor bald 2000 Jahren aufgeschrieben hat. Und wir müssen schon fragen, warum das „Ende aller Dinge“ inzwischen nicht wirklich eingetreten ist? Und in der Geschichte seitdem gab es durchaus auch immer wieder schlimme Zeiten, in denen die Menschen gewiss auch gedacht haben, es wäre nun endlich soweit mit dem Ende der Welt und dem Tag Jesu Christi! „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“ Gibt es noch eine dritte Möglichkeit, dieses Wort zu verstehen - und ihm vielleicht Recht zu geben? Ich glaube, ja! Wenn wir uns einmal daran erinnern, in welchen Zeiträumen unser Gott denkt, von dem es heißt: „Eins aber sei euch nicht ver- borgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.“ Ein Wort übrigens, das wir auch bei Petrus lesen, genau wie die Verse, über die wir heute nachdenken! (2.Petr.3,8) Kann also das Ende aller Dinge nicht schon gekommen sein? Oder sagen wir, kann die Zeit des letzten Gerichts nicht lange begonnen haben und inzwischen schon seit zwei- tausend Jahren auf den jüngsten Tag zulaufen, den Tag, an dem dann endgültig eintritt, was wir uns nach der Heiligen Schrift so vorstellen: Himmel und Erde werden vergehen und unser Herr wird wiederkommen? Liebe Gemeinde, ich will nicht verschweigen, dass mir dieses dritte Verständnis am besten gefällt, während ich mir gar nicht vorstellen kann, dass einmal nicht das „Ende aller Dinge“ kommen wird. Zu deutlich sind die Zeichen, die uns sagen, dass alles auf ein Ziel, auf ein Ende zuläuft. Nun sind zwar die guten Ratschläge, die Petrus uns gibt, angeregt durch die Erwartung, dass der jüngste Tag unmittelbar bevorsteht. Sie gelten aber auch und sind genauso hilfreich in Zeiten, in denen wir, was das „Ende aller Dinge“ angeht, nicht gleich morgen oder übermorgen damit rech- nen. Gehen wir doch diese „guten Ratschläge“ einmal einen nach dem anderen durch: So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. - Schon an diesem Rat spüren wir, dass er nicht nur für die Zeit kurz vor dem Ende der Welt gelten soll, sondern für das ganze Leben von uns Christen, zu allen Zeiten. „Besonnen“ sollen wir sein. Ich höre das als Mahnung, nicht zu vergessen, dass un- ser Leben nicht nur eine Anzahl von Jahren ist, die der Zufall oder blindes Geschick aneinander ge- reiht hat, sondern dass in unserer Lebenszeit ein „Sinn“ liegen soll und dass wir einen Auftrag ha- ben, den wir in den Jahren zwischen Wiege und Bahre erfüllen sollen. Der Sinn ist uns allemal von Gott vorgegeben, der uns in unserer Taufe versprochen hat, uns mit seinem Segen zu begleiten und in unserem Herrn Jesus Christus Ziel und Vorbild geschenkt hat, wie unser Leben gelingen kann. Unser Auftrag ist es, in der Spur dieses Herrn zu bleiben, uns von seinem Wort leiten zu lassen, so zu handeln, wie er gehandelt hätte und den Weg zu gehen, den er uns vorausgegangen ist und auch heute mit uns geht. Dass wir uns unterwegs immer wieder im „Gebet“ Weisung und Hilfe holen können, wissen wir ja eigentlich, wir müssen das Beten allerdings auch praktisch üben, um seine segensreiche Kraft zu empfangen. Wenn unser Gebet „nüchtern“ sein soll, will uns das ermutigen, ehrlich und ohne zu beschönigen zu sehen und wahrzunehmen, wo wir in unserem Leben als Christen und in unserem Glauben stehen. Dass wir nicht vor unserem Gott eine innere Haltung vorspielen, die nicht echt und nicht wahr ist. Gott weiß ja doch, wie es in unserem Herzen wirklich aussieht! Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge. - Hier geht es nicht zuerst um die Liebe zu Gott, sondern um die „untereinander“! Und es geht auch nicht um unsere Sünden, die wir vor Gott begangen haben und durch die wir bei ihm in Schuld gefallen sind, sondern um die Verfehlungen, die Mitmenschen und Mitchristen an uns be- gehen! Das ist schon bemerkenswert! Petrus will uns also dazu führen, dass wir in der Gemein- schaft miteinander einer dem anderen verzeihen und eine der anderen Schuld vergeben. Wir können es auch so sagen: Es geht darum, dass wir Christinnen und Christen in der Gemeinde einander nicht auf Sünde und Schuld verhaften, sondern denen einen neuen Anfang schenken, die uns gekränkt, beleidigt oder auf andere Weise verletzt haben. Es soll nichts zwischen uns stehen, was uns daran hindert, offen und freundlich, vertrauensvoll und ohne böse Erwartungen miteinander umzugehen. Und das gilt natürlich auch umgekehrt: Auch wir selbst sollen neu anfangen können, wenn wir an- deren etwas Böses angetan haben. Denn auch wir selbst sind nicht ohne Fehler und nicht frei von Schuld und Sünde anderen gegenüber! Wenn Sie jetzt denken, aber so häufig ist das doch nicht, dass wir Groll gegen unsere Mitchristen hegen oder ein Mitchrist gegen uns und es kommt doch kaum vor, dass wir einander irgendeine Schuld vorhalten..., dann muss ich widersprechen: Ich bin überzeugt, dass unter uns jetzt nicht eine und nicht einer ist, die oder der wirklich mit allen anderen in unserer Gemeinde eine von keinem Schatten getrübte Beziehung hat. Oft liegen die schlechten Erfahrungen, Kränkungen oder Streite- reien, die unser Verhältnis zu den Mitmenschen belastet haben, weit in der Vergangenheit. Manch- mal wissen wir auch gar nicht mehr genau, wie das eigentlich gekommen ist, damals. Aber die Ver- letzungen oder Narben sind geblieben. Und immer wenn wir mit bestimmten Menschen zusam- menkommen, spüren wir, dass nicht alles, was uns einmal getrennt hat, wirklich ausgeräumt ist. Was kann hier helfen? Wenn wir Petrus glauben, nur die Liebe! Denn die Liebe „deckt auch der Sünden Menge“, weniger „biblisch“ ausgedrückt: Die Liebe zum Mitmenschen kann uns alles ver- gessen machen, was je an bösen Erfahrungen oder Verletzungen zwischen uns gestanden hat und lässt uns jetzt mit unserem Nächsten neu anfangen. Nur: Wie entsteht solche Liebe bei uns? Ich denke, hier ist nun doch die Liebe Gottes zu uns und allen Menschen angesprochen. Aus uns selbst nämlich kommt die Liebe nicht, die vergessen und neu anfangen kann, die über gemachte Er- fahrungen und erlittene Verletzungen hinauskommt. Es ist der Gedanke, dass Gott meinen Mitmen- schen genauso liebt wie mich, der einen neuen Umgang mit meinem Nächsten ermöglicht. Einge- schlossen ist dabei das Wissen, dass ich genau wie mein Mitmensch, Fehler habe, Mängel und Schwächen...und eben auch Schuld. Gott aber vergibt mir meine Schuld. Und genauso vergibt er meinem Nächsten die seine. Und wenn das so ist, wie kann ich dann meinem Mitmenschen die Schuld behalten, die Gott ihm doch vergeben hat? So nährt Gottes Liebe unsere Liebe, dass wir wie er vergeben können. Seid gastfrei untereinander ohne Murren. - Das war vielleicht zu Zeiten des Petrus noch wichtiger als heute. Wer heute reist, der kann auch in Hotel gehen oder eine Pension. Vielleicht betonen wir darum mehr die Haltung, die wir den Menschen gegenüber einnehmen, die in unserem Land fremd sind und Schutz und Lebensmöglichkeiten für sich und ihre Familien suchen. Am besten bekom- men wir die rechte Einstellung zu diesen Menschen, wenn wir uns in ihre Lage hineindenken - und das ganz ehrlich, ohne auf unsere Vorurteile zurückzugreifen und ohne Beschönigung. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. - Was sich hier fast wie ein Befehl und so fordernd anhört, ist eigentlich etwas sehr Schönes, ja, Beglückendes! Was wäre denn, wenn wir unsere Gabe nur für uns behalten würden? Wie ginge es uns denn damit, wenn wir alles ängstlich sparen, was wir doch für uns allei- ne gar nicht richtig nutzen können? Wie gut tut das doch unseren Mitmenschen, wenn wir ihnen mit dem, was wir können, helfen und beistehen. Und wie gut tut uns das selbst - und da meine ich nicht: weil wenn wir geben, doch auch immer etwas zurückkommt. Nein, ich meine die Freude, die entsteht, wenn wir den Glanz in den Augen der anderen sehen, die wir an unseren Gaben teilhaben lassen. Dass ist unvergleichlich. Diese Freude lässt sich nur erleben, wenn wir Herz und Hände für andere auftun. Und noch etwas - und davon lesen wir ja hier auch: Wir sind immer nur die Haushalter der Gnade Gottes, die er uns erwiesen hat, indem er uns so viele Gaben schenkt, dass wir damit noch andere froh machen können. Und wir dürfen auch immer sicher sein, dass uns die Gaben nicht ausgehen, sondern aus Gottes guten Händen immer in unsere Hände nachfließen. Vergessen wir nicht, was Petrus am Ende der Verse sagt: Wir tun alles, was wir tun, „aus der Kraft, die Gott gewährt“, denn so ist es. Wir wollen seinen guten Ratschlägen nach Kräften folgen, „damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“