Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis - 27.7.2014 Textlesung: 1. Petr. 2, 1-3 (4-10) So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. (Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“ Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist „der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses“ (Psalm 118,22; Jesaja 8,14); sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finster- nis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst „nicht ein Volk“ wart, nun aber „Gottes Volk“ seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25).) Liebe Gemeinde! Man kommt wohl nicht daran vorbei: Sechs Mal steht hier etwas von Steinen geschrieben, von le- bendigen Steinen, vom Eckstein und vom Stein des Anstoßes. Und wenn wir noch den „Fels des Ärgernisses“ hinzunehmen, dann ist es ganz klar: Wir müssen uns mit dem Bild des Steins beschäf- tigen, wenn wir den Sinn der Worte des Petrus erfassen wollen. Meist denken wir ja bei Steinen an etwas Hartes, Unveränderliches, weil ihr Material hart ist und nicht so leicht verändert werden kann. Aber die Härte ist nur eine der Eigenschaften von Steinen. Eine andere ist die, dass sich Steine miteinander verbinden, dass sie allein schon durch ihr Gewicht eine feste Mauer oder sogar ein stabiles Gebäude bilden können. Und nimmt man noch Mörtel dazu - dann kann man aus Steinen ein sicheres Haus bauen, eine Burg sogar oder einen Tempel, den kei- ner so schnell einreißt. Ein Stein allein kann fortgenommen und verworfen werden. Zwei oder drei Steine geben auch noch keine allzu feste Verbindung. Aber aus hunderten oder tausenden von Stei- nen wird ein Bau, lange Zeit überdauert, der Geborgenheit schenkt und unbezwingbar ist. Schon einige Jahrhunderte bevor Petrus den Brief geschrieben hat, aus dem wir heute lesen, ist bei Jesaja vom Eckstein die Rede, den Gott legen will: „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“ Und es ist klar, dass Petrus diesen Eckstein auf Jesus Christus hin deutet. Aber dieser Stein bleibt nicht allein. Er ist „lebendig“. Zu ihm fügen sich anderen lebendige Steine und bilden die Gemeinde Jesu Christi - schon zur Zeit des Petrus, bis heute!: „...auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.“ Sich einzufügen in dieses geistliche Haus oder sich einfügen zu lassen hat eine wunderbare Verheißung - damals wie heute: „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“ Liebe Gemeinde, wie gesagt: wunderbar ist das! Aber wie geht das praktisch? Im Leben? Wie ma- chen wir das - als Christin, als Christ, dass wir uns einfügen ins geistliche Haus, in die Gemeinde Jesu Christi? Können wir überhaupt etwas „machen“, denn wir wissen es doch, in den Dingen des Glaubens können wir uns nur beschenken lassen? Und Geschenke kann keiner erzwingen und wir können auch nicht „machen“, dass sie uns einer schenkt. Jetzt denkt sicher der eine oder die andere: Aber ich habe doch schon den Glauben an Jesus Chris- tus! Wäre ich sonst jetzt hier in der Kirche? Würde ich mich sonst zur Gemeinde halten und versu- chen, ein christliches Leben zu führen? Das ist schön, wenn es so ist und ich möchte das auch nicht anzweifeln. Was ich aber dazu sagen will, ja, muss, ist dies: Einmal ist der Glaube kein Zustand, also etwas, was ein für alle Mal so bleibt und so ist. Wie viele Menschen haben im Laufe ihres Lebens doch ihren Glauben verloren - weil sie das, was ihnen widerfahren ist, einfach nicht mit einem barmherzigen Gott reimen konnten. Ob nicht solche Menschen auch jetzt unter uns sind? Vielleicht gibt es aber auch einige unter uns, die später ihren Glauben wiedergefunden haben? Das ist gar nicht ausgeschlossen, weil wir uns ja auch verändern und weil auch unser Glaube und unsere Beziehung zu Gott sich immer wieder ver- ändert. Und warum sollte uns Gott den Glauben nicht ein zweites und drittes Mal im Leben schen- ken können? Aber ich muss noch etwas anderes sagen: Es könnte auch gut sein, dass heute unter uns Menschen sind, die von sich nicht behaupten würden, dass sie einen festen Glauben haben. Vielmehr würden sie uns über ihren Glauben erzählen, dass er sehr schwach ist und sehr angefochten oder gar über- haupt nicht vorhanden. Und wenn wir sie fragten, warum sie dann jetzt hier in der Kirche sitzen, würden sie antworten: Weil ich den Glauben suche, weil ich ihn gerne hätte und weil ich Gott hier in der Kirche die Möglichkeit geben will, mir den Glauben näher zu bringen und...zu schenken. Gewiss, Gott kann uns überall ansprechen, mit uns reden, Zeichen geben, uns zum Nachdenken bringen und uns das Geschenk des Glaubens geben. Und trotzdem erscheint es sicher den meisten von uns für Gott leichter, uns in der Kirche mit seiner Sache zu erreichen, mit seinem Auftrag und seinen Gaben. Aber wie ist das denn jetzt mit dem Glauben? Können wir wirklich gar nichts tun, dass wir ihn fin- den, ihn geschenkt bekommen? - Mir ist dazu etwas eingefallen, das könnte erklären, dass wir et- was tun und was wir vielleicht tun können: Die Liebe - und da meine ich heute einmal nicht die Liebe Gottes, sondern die zwischen zwei Menschen - die Liebe ist doch im Grunde auch ein Ge- schenk. Ein Mann schenkt sie einer Frau, eine Frau einem Mann, eine Mutter ihrem Kind, ein Freund seinem Freund... Erzwingen lässt sie sich nicht. Mit allem Geld der Welt, noch durch die Aussicht auf schönste und größte Gegengaben, werden wir eine ehrliche Liebe nicht gewinnen können. Aber etwas anderes können wir tun - und wenn Sie einmal an die Liebe eines Menschen denken, die Sie gewinnen konnten, werden Sie sehen, dass sie es dabei auch so gemacht haben: Wir können dem Menschen, nach dessen Liebe wir uns sehnen, zeigen, dass uns an seiner Liebe viel ge- legen ist! Wir werden mindestens Signale aussenden, die er als Zeichen verstehen kann, dass uns seine Liebe wichtig wäre und wertvoll. Unsere Augen werden ihn anders ansehen, als die Men- schen sonst. Unser ganzes Wesen wird ihm sagen, was für eine Freude es für uns wäre, wenn er uns erhört. Ja, vielleicht haben wir sogar den Mut, ihm unsere Liebe zu ihm zu gestehen - das ist ja im- mer die allerbeste Art, ihn dazu zu bringen, auch uns zu lieben - allerdings auch die mit dem höchs- ten Risiko, dass er uns abweist. Überhaupt: Alles, was wir tun, um eines anderen Menschen Liebe geschenkt zu bekommen, ist keine Garantie dafür, dass es gelingt. Allerdings gilt umgekehrt: Wenn wir selbst gar nichts tun, wenn wir keine Zeichen aussenden und uns nicht im Geringsten um die Liebe des anderen bemühen, dann werden wir sie mit Sicherheit nie gewinnen. Liebe Gemeinde, mit dem Glauben ist es ganz ähnlich: Wenigstens zeigen sollen wir, dass er wert- voll für uns ist. Wenigstens mühen sollen wir uns, dass Gott sieht, wie sehr wir uns wünschen, glauben zu können. Und auch das andere gilt: Wenn wir gar keine Zeichen dafür geben, dass wir gerne glauben würden, dann wird es auch kaum geschehen, dass Gott uns den Glauben schenkt. Ich habe eben gesagt, es wird „kaum“ geschehen, weil ich doch auch weiß, dass bei Gott alle Dinge möglich sind, sogar dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht! - Ich wünsche denen, die glauben und sich als ein lebendiger Stein in die Gemeinde eingefügt haben, dass sie sich diesen Glauben bewahren können und dass Gott ihnen den Glauben durch alle Höhen und Tiefen des Lebens erhält und jeden Tag neu schenkt. Denen die auf der Suche sind, wünsche ich, dass sie Gott auf alle Weise zeigen, wie viel ihnen daran liegt, glauben zu können und dass sie auch nicht vergessen, ihren Wunsch Gott immer wieder im Gebet vorzutragen. Beten können ja auch Menschen, die (noch) nicht zum Glauben gefunden haben. Uns alle soll ermutigen, was wir am Ende bei Petrus lesen: „Ihr aber seid das auserwählte Ge- schlecht, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten des- sen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ AMEN