Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis - 29.6.2014 Textlesung: 1. Kor. 9, 16 - 23 Denn dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! Täte ich’s aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich’s aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache. Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie ei- ner unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz ge- worden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, da- mit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Al- les aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben. Liebe Gemeinde! Ihr erster Eindruck von dem, was Paulus hier schreibt, ist sicher ähnlich wie es meiner war. Viel- leicht kann man diesen Eindruck in solche Worte fassen: „Dieser Paulus hat Sorgen!“ Wobei das ironisch gemeint ist. Ohne ironischen Unterton, könnten wir so sprechen: „Das alles, worüber sich der Apostel hier auslässt, ist uns heutigen Christen doch sehr fern und sehr fremd!“ Und wenn wir dazu Fragen formulieren sollten, würden die sich vielleicht so anhören: „Was hat denn dieser Ab- schnitt aus dem 1. Korintherbrief mit uns zu tun, was geht er uns an und was ist die Lehre, die wir aus diesen Versen ziehen können?“ Nach einigem Nachdenken ist mir nun aber doch ein Gedanke gekommen, der mir gezeigt hat, dass uns diese Worte des Paulus durchaus etwas angehen: Wenn uns diese Verse nun gerade sagen wol- len, dass wir uns sehr weit, ja, zu weit vom Anliegen des Paulus entfernt haben, allen auf vielerlei Weise das Evangelium zu predigen? Gut, wir sind nicht unbedingt dazu berufen, unseren Mitmen- schen zu „predigen“, aber wenn wir sagen: „von unseren Erfahrungen mit Jesus Christus zu erzäh- len“, dann kommt das dem Auftrag des Paulus doch recht nah und wir können es nicht abweisen, dass wir das tun sollen. Die überraschende Lehre, die wir aus diesen Paulusworten ziehen sollen, ist also: Dass wir meinen, sie wären uns fremd und fern, dass wir denken, sie hätten nichts mit uns zu tun und gingen uns nichts an...aber genau das ist es, womit sie uns angehen und uns nahe kommen! Und selbstverständlich wollen sie uns sagen, dass wir uns dahingehend ändern müssen, dass wir uns bei Paulus absehen, was auch unser Auftrag von Gott ist: Menschen für das Evangelium von Jesus Christus zu gewinnen. Wie steht es denn mit der Erfüllung dieses Auftrags - wenn wir ehrlich sind? Mir kommt bei dieser und ähnlichen Fragen immer in den Sinn, wie selten wir doch - selbst mit unseren Ehegatten und Familienmitgliedern - über Jesus Christus sprechen, über unseren Glauben an ihn, wie wichtig er uns ist und was wir nach unserem Abschied von dieser Welt erwarten. Ist uns das peinlich, solche Dinge zu anzusprechen? Fühlen wir uns dazu nicht kompetent, mit anderen Worten, können wir das nicht oder nicht mehr? Ich glaube, beides stimmt: Es ist uns peinlich und wir haben es verlernt. Und eins hat mit dem anderen zu tun: Weil wir so wenig Übung haben im Sprechen über unseren Glauben, darum ist es uns inzwischen unangenehm, uns über Glaubensfragen und unsere Bezie- hung zu Jesus Christus mit anderen Menschen auszutauschen. Und umgekehrt gilt: Weil es uns un- angenehm ist, über unseren Glauben zu reden, darum üben wir uns auch nicht mehr im Gespräch über Glaubensdinge. - Da sieht es ziemlich schlecht aus, herauszukommen und wieder zu einem Christenmenschen zu werden, der fröhlich vor anderen von dem spricht, was er glaubt! Das aber sollen wir tun, wenn wir uns den Apostel Paulus zum Vorbild nehmen, der sagt: „Denn dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!“ Liebe Gemeinde, mich macht der Befund, dass wir nicht mehr über unseren Glauben sprechen kön- nen, gar nicht so mutlos! Ich glaube nämlich, dass Sie - die Menschen die in die Kirche gehen und dort Weisung und Trost aus dem Evangelium suchen - ganz tief drinnen in Ihrem Herzen spüren, dass der Glaube nie in uns verschlossen werden darf. Dass er vielmehr - so wie es bei Paulus und den vielen anderen Nachfolgern Jesu am Anfang war - weitergesagt und weitergegeben werden muss. Wir sind uns darum gewiss auch einig darüber, dass der Christenglaube keine Privatsache ist und nur den Menschen selbst betrifft, der glaubt. Wie soll denn etwa eine so zentrale Forderung un- seres Glaubens wie die, unseren Nächsten zu lieben, nur uns selbst angehen? Und da gibt es ja noch den klaren Auftrag unseres Herrn, von dem wir in jedem Himmelfahrtsgottesdienst und bei jeder Taufe hören: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Mt.28,18ff) Stellen Sie sich doch nur vor, die Jünger und die anderen ersten Christen hätten das nicht getan. Welche Götter oder Götzen würden wir vielleicht heute verehren? Ja, gäbe es uns überhaupt? Bei allen Fehlern und Gräueln, die im Laufe der Jahrhunderte auch von Christen begangen worden sind, der christliche Glaube war doch auch ein Band, das Völker geeint, Menschen zur Liebe befreit und zu herzlicher Gemeinschaft in Kirche und Gemeinde zusammengeführt hat. Das wichtigste ist aber doch, dass für uns der Glaube an Jesus Christus ja nicht nur etwas ist, in dem wir belehrt und unterrichtet wurden. Er ist uns doch auch lieb und wertvoll, weil er uns schon so oft gestärkt und getröstet, beflügelt, begeistert und glücklich gemacht hat. - Und trotzdem gilt: Wir haben kaum Übung im Sprechen über unseren Glauben. Und: Es ist uns peinlich und unange- nehm, von ihm zu reden. - Wo und wie fangen wir an, dass wir unseren Auftrag an unseren Mit- menschen erfüllen, ihnen „von unseren Erfahrungen mit Jesus Christus zu erzählen“ und sie so für ihn zu gewinnen? Ich denke, wir müssen bei der Übung einsetzen: Das heißt zuallererst einmal, die Scheu zu über- winden, über die Dinge des Glaubens zu reden. Das wird uns bei unseren Liebsten, unseren Ehegat- ten sicher am leichtesten fallen. Eine Frage, die Sie ja gewiss auch wirklich interessiert, ist dabei: „Was erwartet mein Ehepartner oder Lebensgefährte eigentlich nach dem Tod?“ Meine Empfeh- lung dazu: Fragen Sie ihn das doch einfach einmal! Gut, es kann sein, er weicht aus und will nicht antworten. Aber vielleicht kommt es auch anders und es ist sogar so, dass Sie meinen, Ihr Partner hätte nur darauf gewartet, einmal darüber sprechen zu können - und etwas darüber zu hören! Darum sagen Sie ihm auch, was Ihr Glaube dazu ist. Und - keine Angst! - es geht nicht um theologisch fundierte Rede oder reine evangelische Lehre. Glauben Sie doch nur nicht, dass wir, die hier und in anderen Kirchen predigen, so genau sagen könnten, wie wir uns das Leben nach dem Tod vorstellen. Aber es ist wichtig, dass wir als Menschen, die an Jesus Christus glauben, überhaupt ein solches Leben nach dem Tod erwarten. Und es ist wichtig, dass unser Partner dass einmal von uns erfährt. Aber was die Übung angeht, gibt es noch einen zweiten Ansatz, der uns helfen könnte, die Scheu zu verlieren und über die Peinlichkeit der Gespräche über den Glauben hinwegzukommen: Ich meine unsere Söhne und Töchter, unsere Enkel oder andere Kinder in unserer Nähe. Ob es die Be- trachtung eines Dings der Natur ist, eine Taufe oder ein Trauerfall in der Familie oder auch etwas sehr Schönes, was der junge Mensch erlebt hat. An alles das lassen sich gut ein paar Worte anknüp- fen, die wir von unserem Glauben her sagen und es ergibt sich leicht ein Gespräch. Vielleicht so: „Wie schön hat Gott doch selbst die kleinen Dinge der Natur gemacht!“ Oder so: „Opa ist jetzt nicht mehr bei uns, aber er hat in Gottes neuer Welt eine Heimat!“ Oder so: „Wenn ich so glücklich bin wie du heute, dann sage ich immer dem lieben Gott dafür Dankeschön!“ Ich bin ganz sicher, mit einiger Übung verliert sich unsere Scheu von unserem Glauben zu reden. Ganz sicher bin ich auch, dass solches Reden bei unseren Mitmenschen gut aufgenommen wird und ihnen dabei hilft, auch sich selbst darüber klarer zu werden, was sie glauben. Das ist nicht nur ein ganz wichtiger Dienst an ihnen, sondern auch die Erfüllung unseres Auftrags von Gott, den uns der Apostel Paulus heute ausgerichtet hat: Allen auf vielerlei Weise das Evangelium zu predigen oder wie es für uns Christinnen und Christen heute vielleicht angemessener heißt, ihnen von unseren Er- fahrungen mit Jesus Christus zu erzählen. AMEN