Predigt zum Pfingstmontag - 9.6.2014 Textlesung: Apg. 2, 22 - 39 Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst - diesen Mann, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Diesen Jesus hat Gott aufer- weckt; dessen sind wir alle Zeugen. Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und emp- fangen hat den verheißenen heiligen Geist vom Vater, hat er diesen ausgegossen, wie ihr hier seht und hört. So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat. Als sie aber das hörten, ging’s ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun? Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und je- der von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. Liebe Gemeinde! Können Sie sich das vorstellen, dass Sie zu einem Menschen jüdischen Glaubens sagen: Ihr Juden habt Jesus Christus gekreuzigt und umgebracht? --- Sicher nicht! Aber das hat wahrscheinlich meist damit zu tun, dass wir Deutsche sind und im Blick auf unsere Vergangenheit zwischen 1933 und 45 gelernt haben, solche Anklagen zu vermeiden. Und das gilt auch für uns, die wir zu dieser Zeit noch gar nicht gelebt haben. Außerdem vertreten wir ja als Christen, dass letztlich alle Menschen durch ihr Sünde, ihre Ferne von Gott ihrem Schöpfer, mitschuldig sind am Leiden und Sterben Jesu! Wie steht’s aber damit? Könnten wir das einem Mitmenschen, einem Mitchristen ins Gesicht sa- gen, vielleicht so: „Auch du hast mit deiner Sünde, dass du dein Leben ohne Gott machen willst und ihm keinen Raum in deinem Leben gibst, unseren Herrn Jesus Christus ans Kreuz geschlagen und umgebracht!“ - Ganz klar: Nein, könnten wir nicht! Und wir wollten auch nicht, dass uns einer solche Worte sagt! - Und dennoch ist das die Wahrheit! Aber wir vermeiden es, sie auszusprechen! Überhaupt halten wir die Wahrheit oft zurück! Und wir haben viele einleuchtenden Gründe dafür und viele Erklärungen: „Wir wollen doch niemanden kränken, indem wir ihn auf seine Schuld hin- weisen“, sagen wir vielleicht. Oder: „Wenn ich dem die Wahrheit vorhalte, dann schade ich mir nur selbst, denn der wird sich das nicht gefallen lassen!“ Oder auch: „Wer bin ich, dass ich jemandem eine harte Wahrheit sage - ich bin ja auch nicht ohne Fehler.“ Wie gesagt: Einleuchtende Gründe, lieber zu schweigen, als den Mund aufzumachen und mit der Wahrheit herauszurücken. Aber die Gründe sind nur einleuchtend, aber nicht gut. Und das auf un- terschiedliche Weise: Einmal wird sich, wenn wir die Wahrheit immer verschweigen, auch nichts ändern: Weder bei dem, der die Wahrheit hören müsste, noch bei uns selbst. Außerdem ist es ein Bruch des achten Gebots, nicht die Wahrheit zu sagen, denn „kein falsches Zeugnis reden“ heißt, wenn wir es positiv wenden: immer bei der Wahrheit bleiben! Und wenn alle Menschen fürchten, dass die Wahrheit zu sagen, auf sie selbst zurückfallen könnte, dann würde am Ende keiner mehr wahrhaftig sein. Schließlich führt auch das Argument: „Ich bin ja auch nicht ohne Fehler!“, in die Sackgasse: Wer ist denn ohne Fehler? Niemand! Wer wird also überhaupt noch die Wahrheit sa- gen? Da sind wir jetzt mit unseren Überlegungen an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr weiter geht. Jedenfalls nicht, wenn wir bei den „einleuchtenden Gründen“ bleiben. Darum schauen wir noch einmal in die Verse aus der Apostelgeschichte, die wir vorhin gehört haben. Der ganze Abschnitt ist überschrieben: „Die Pfingstpredigt des Petrus“ und das ist schon ein Stück der Ant- wort, wie wir über unsere „einleuchtenden Gründe“ hinauskommen: „Pfingstpredigt“ - da ist der Heilige Geist im Spiel! Und wenn wir jetzt schauen, wie die Wahrheit ankommt, die Petrus den Ju- den sagt, dann erkennen wir, wie der Heilige Geist damals gewirkt hat: „Als sie aber das hörten, ging’s ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun?“ Die „Männer von Israel“ haben sich eben nicht gekränkt gegeben, es hat Petrus auch nicht geschadet, die harte Wahrheit gesagt zu haben und es hat auch keiner zurück- gefragt, ob Petrus und seine Leute denn besser wären! Nein: Es ging ihnen durchs Herz! Sie konn- ten die Wahrheit ertragen. Und sie wollten wissen, wie sie das gut machen können, was Jesus Christus um ihretwillen gelitten hat. Ich glaube, das soll auch uns ein Vorbild sein. Wer auf der Seite der Wahrheit ist, der hat den Hei- ligen Geist Gottes auf seiner Seite. Die Wahrheit muss gesagt werden, denn Gott ist die Wahrheit. Gewiss sollen wir sie niemandem um die Ohren schlagen, sondern die rechten, guten Worte wäh- len. Aber ich bin sicher, die werden uns auch einfallen, wenn es soweit ist. Wir müssen auch keine Angst vor dem Vorwurf haben, der vielleicht kommt: Bist du etwa besser? Das können wir immer verneinen: Wir sind nicht besser, aber wir sind bereit, denselben Maßstab an uns anlegen zu lassen wie den, mit dem wir andere messen. Ganz deutlich: Sicher ist nicht ausgeschlossen, dass es uns auch einmal schadet, einem anderen die Wahrheit gesagt zu haben. Aber das ist immer ein geringerer Preis gegenüber dem Schaden, der entsteht, wenn die Wahrheit nicht mehr gilt zwischen den Menschen. Und es wird auch vorkom- men, dass uns, die Wahrheit zu sagen, die Freundschaft von Menschen kostet. Aber das ist viel- leicht nicht für lange und wenn doch, dann war die Wahrheit allemal mehr wert, als diese Freund- schaft. Noch einmal: Ganz gewiss ist der Heilige Geist Gottes mit uns, wenn wir die Wahrheit reden und nicht verschweigen. Und es ist allemal auch ein Zeichen der Nächstenliebe, wenn wir unserem Mitmenschen die Wahrheit sagen und ihn nicht mit Lüge oder Schmeichelei abspeisen. Aber lesen wir noch einmal, was Petrus antwortet, als die Juden fragen: „Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun?“ Er sagt: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes.“ Das ist nun eine Auskunft, die wir so bestimmt nicht unseren Mitmenschen weitergeben können, zumal die ja wahrscheinlich schon getauft sind, was die Juden damals nicht waren. Und sonst? Da können wir die Antwort des Petrus vielleicht ein wenig anders formulieren - sodass sie passt: „Wenn dir leid tut, was ich eben angesprochen habe, dann kann das ja auch wieder in Ordnung kommen. Es gibt schließlich die Vergebung für uns und wir können umkehren, wenn wir in der fal- schen Richtung unterwegs sind. Gottes Heiliger Geist hilft uns dabei!“ Ja, ich merke das schon, das ist vielen von uns immer noch irgendwie...zu fromm! So spricht man doch nicht im Alltag und am Sonntag spricht so allenfalls der Pfarrer oder die Pfarrerin. Und zuge- geben: Ich möchte - außerhalb der Predigt - auch nicht so reden. Aber gehen wir diesen Worten doch einmal auf den Grund, was sagen sie dann? Sie wollen uns sagen: Gottes Heiliger Geist ist seit Pfingsten in der Welt! Wir sollen und wir können immer und überall die Wahrheit sagen. Und wir können sie auch selbst aushalten, wenn uns ein anderer mit der Wahrheit konfrontiert. Warum können wir das? Weil Jesus Christus für alle unsere Sünde und Schuld ans Kreuz gegangen ist und dort unsere Sünde und Schuld abgetragen hat. Keine Wahrheit, so hart sie für uns auch sein mag, muss uns darum so belasten, dass wir dazu kommen, uns herausreden zu wollen, Ausflüchte zu su- chen, anderen ihre Offenheit heimzuzahlen oder den, der uns die Wahrheit sagt, auf seine eigene Schuld festzunageln. Durch Jesu Tod am Kreuz ist für uns alle genug getan. Uns allen ist vergeben, darum können wir die Wahrheit aushalten und wir können umkehren zu einem Leben, das den Hei- ligen Geist Gottes wiederspiegelt und Jesus Christus zum Herrn hat. So sagt Petrus damals zu den jüdischen Männern, die ja noch keine Christen waren: „Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.“ Uns, die wir Christen sind, würde Petrus ein wenig andere Worte sagen, viel- leicht solche: Euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, denn ihr tragt den Namen des Herrn Jesus Christus und ihr glaubt an ihn! Sie gilt euch allen, gleich, wie nah oder fern ihr Gott bis heute gestanden habt, gleich, wo ihr herkommt und was ihr in eurem Leben an Schuld auf euch geladen habt. Gott hat seinen Heiligen Geist ausgegossen über euch und aller Welt. Er ruft euch in die Nähe Gottes. Er begleitet euch, wenn ihr zu ihm umkehrt. Er hilft euch, zu einem Leben in der Spur Jesu Christi, zu einem Leben in der Wahrheit und in der Liebe zu finden. In diesem Sinn, liebe Gemeinde, frohe, begeisternde Pfingsten! AMEN