Predigt zum Palmsonntag - 13.4.2014 Textlesung: Hebr. 12, 1 - 3 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glau- bens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering ach- tete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst. Liebe Gemeinde! „Gott sei Dank, dass es die Passionszeit gibt!“ So müssten Christen eigentlich denken und reden! Und wenn wir eben die drei Verse aus dem Hebräerbrief aufmerksam gehört haben, wissen oder ahnen wir auch warum: Ohne die ernsten Gedanken und die oft sperrigen Texte für die Predigten und Gottesdienste dieser Zeit, würden wir wohl immer nur die schöne, leichte und gefällige Seite des Christenlebens sehen. Denn eigentlich erwarten wir, dass unser Leben im Glauben schön, leicht und gefällig sein soll. Gehen wir doch einmal einem „Christenleben“ ganz praktisch entlang, dann werden Sie verstehen, was ich meine: Das fängt an mit der Taufe: Wenn wir unsere Kinder ans Taufbecken bringen, versprechen wir uns von dem, was dort geschieht, Segen und Schutz für unsere Tochter, unseren Sohn. Gott soll seine Hände über unser Kind breiten, dass es eine glückliche Kindheit und ein gutes Leben hat. Wenn wir am Bett unseres Kindes abends beten und das erste eigene kleine Gebet lehren, dann soll das dazu helfen, dass unser Kind behütet bleibt, Vertrauen zu dem Vater aller Menschen entwickelt und sein Lebensweg eben und gerade verläuft. Bei der Konfirmation - nachdem unsere Tochter, unser Sohn in den wichtigsten Dingen unseres Christenglaubens unterrichtet worden ist, soll dieser Glaube gefestigt werden und damit auch die Beziehung zu Gott und zu Jesus Christus. Konfirmiert zu sein bedeutet für uns vor allem, die Wei- chen für ein Leben gestellt zu haben, das von Gottes Segen begleitet ist, die rechte Richtung und ein gutes Ziel hat. Wenn wir später als erwachsene Christen in den Gottesdienst unserer Gemeinde gehen, wenn wir am Tisch des Herrn das Abendmahl empfangen, wenn wir über Tag beten und als Christen unsere Entscheidungen treffen, dann steht eigentlich immer der Wunsch nach einem guten, gesegneten Le- ben im Hintergrund und die Vorstellung, alles, was wir als Christen tun, müsse diesem guten, ge- segneten Leben dienen. Wenn ich das alles in einem Satz zusammenfassen sollte, würde sich der vielleicht so anhören: Der Normalfall für uns Christen ist ein Leben, das Freude schenkt und uns zufrieden macht, wenn wir uns nur an Gott halten und in der Spur unseres Herrn bleiben. Wenn es anders kommt, dann denken wir, dass irgendetwas schief gelaufen ist. Was wir dann nicht denken, ist dies: Dass ein schweres Leben, in dem es auch etwas zu tragen und zu leiden gibt, durchaus auch Gottes Plan entsprechen kann und unter seinem Segen und seiner Verheißung steht. Dass es so ist, dafür spricht dieser Satz aus dem Hebräerbrief: „...lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist...“ Und dass ein Christenleben oft nicht nur ein „Kampf“, sondern auch gar nicht schön ist und gar keine Freude macht, können wir diesem Vers entnehmen: „Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.“ Wirklich: Wir brauchen oft neue Kraft und neuen Mut, um in unserem Leben als Christin- nen und Christen zu bestehen! Wenn wir diese Gedanken jetzt auf die Stationen des Lebens übertragen, die ich gerade angespro- chen habe, dann können wir die auch ganz anders verstehen: Da wird die Taufe unseres Kindes zu einem Zuspruch Gottes, dass er es auch in schwierigen Zeiten, in Unglück und Leid, in Not und Trauer nicht verlassen will. Und das Gebet, das wir unser Kind lehren, wird zu einer Quelle immer neuer Kraft und neuen Muts für den Kampf, den das Leben eben auch oft bedeutet. Die Konfirma- tion ist dann das Ja des Konfirmanden dazu, dass der Christenglaube nicht vor bösen Tagen und schlimmen Erfahrungen schützt, dass auch Durststrecken bestanden werden müssen und dass auch Glaubenszweifel zu einem Leben in der Nachfolge Christi gehören. Der Gottesdienst wird zur Hil- fe, dass wir auch in böser Zeit die Richtung nicht verlieren und zur Vergewisserung, dass unser Herr uns nah bleibt und uns mit seinem Wort ansprechen will, auch und gerade wenn es uns nicht so gut geht. Und am Tisch des Herrn empfangen wir immer wieder die Wegzehrung für die steini- gen Pfade, die wir - auch als Christinnen und Christen, oft mit schweren Lasten beladen, zu gehen haben. Liebe Gemeinde, ich glaube, diese nüchterne Sicht auf die Stationen eines Christenlebens kommt der Wirklichkeit viel näher als die Hoffnung, wir müssten als Christen immer nur auf der Sonnen- seite sitzen. Denn unser Leben ist Kampf! - manchmal nur für eine Zeit, manchmal aber auch le- benslang und manchmal sogar so, dass wir uns fragen, wenn wir solch ein Leben selbst leben müs- sen oder auch bei anderen Menschen betrachten, wo darin überhaupt noch Gott mit seinem Segen und seiner Hilfe zu spüren sein soll. Aber warum ist das so? Eine Antwort können wir geben, wenn wir noch einmal auf einen Vers aus dem Hebräerbrief hören: „...lasst uns [...] aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens...“ Darum geht es: Wir sollen uns ausrichten auf ihn, unseren Herrn. Und wir können uns aufrichten an ihm. Denn an ihm sehen wir, wie der Glaube aussieht, was zu glauben auch heißen kann und durch welche Erfahrungen der Glaube auch gehen muss. Er, Jesus Christus ist uns vorausgegangen, er ist der Anfang unseres Glaubens, in seiner Spur sollen wir bleiben, in ihm, bei ihm, durch ihn vollendet sich unser Glaube einmal in Gottes Ewigkeit. Aber wie wir nicht an leidvollen Tagen vorbeikommen werden, wie unser Glaube auch Prüfungen zu bestehen hat und wie unser Christenleben nicht nur schön und voll Freude sein kann, so war es auch bei unserem Herrn. Allerdings hat er, der Sohn Gottes, sein hartes Geschick selbst gewählt und freiwillig auf sich genommen: „...obwohl er hätte Freude haben können, hat er das Kreuz er- duldet und die Schande gering geachtet...“, so sagt es der Hebräerbrief. Wir wissen, dass ihm das nicht leicht gefallen ist. Denken wir nur an die Ereignisse von Gründon- nerstag und Karfreitag. Wie betet unser Herr im Garten Gethsemane?: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber...“ Aber es war nicht möglich und Jesus beugt sich unter sein Schicksal und fügt seinem Gebet hinzu: „...doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Mt.26,39) Und Jesus hat auch Zweifel kennengelernt. Am Kreuz ist das gewesen. Als der Schmerz und die Einsamkeit übergroß geworden ist, schreit er es hinaus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt. 27,46b) Nein, wir, die Nachfolger dieses Herrn, die wir uns nach ihm Christen nennen, können nicht ein nur schönes, gefälliges Leben erwarten. Auch wir müssen den Kelch des Leids trinken. Auch wir müs- sen die Verlassenheit in den Stunden ertragen, wenn wir Gott nicht mehr verstehen, wenn er uns ganz fern zu sein scheint, wenn die Zweifel kommen und unser Glaube schwindet. Hoffentlich wird es nicht zu schwer für uns und das Leid nicht zu groß! Hoffentlich finden wir wie unser Herr zu- rück zum Vertrauen in unseren himmlischen Vater! Hoffentlich erleben wir auch wieder bessere Tage, an denen uns zu glauben leichter fällt. Immerhin: Wir haben - anders als unser Herr das hatte - ein Vorbild, sein Vorbild dafür, dass man auch in ganz dunklen Zeiten den Glauben festhalten kann. Darum ist es gut, das zu tun, was uns der Schreiber des Hebräerbriefs empfiehlt: „Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Bei allem Ernst des Themas dieser Predigt heute, es gibt auch noch einen Gedanken, der bespro- chen werden muss, der uns gefallen kann. Unser Herr ist uns nämlich auch in einem ewigen Sinn zum Vorbild geworden. Hören wir doch: „Er hat sich gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes.“ Das ist auch unsere Zukunft! Unser Platz wird wohl nicht gleich „zur Rechten“ des Throns sein, aber wir werden in Gottes Nähe kommen und dort ewig leben. Diese Aussicht ist bei uns Christen allerdings auch weithin in Vergessenheit geraten, ganz ähnlich wie die Tatsache, dass zum Chris- tenleben auch Leid und schwere Zeit gehören. Nehmen wir von heute mit, dass unser Herr uns Vorbild geworden ist darin, dass ein Christ auch in den dunklen Tagen seines Lebens, wenn er aufsieht zu Christus, Kraft und Mut gewinnen kann. Und nehmen wir mit, dass für alle, die an ihn glauben, nicht der Tod wartet, sondern das Ewige Le- ben beginnt. Ich glaube, Sie verstehen jetzt, wenn ich am Anfang dieser Predigt gesagt habe: „Gott sei Dank, dass es die Passionszeit gibt!“ Es wäre doch schlimm, wenn wir Christen diese beiden wichtigen Gedanken mehr und mehr vergessen würden! AMEN