Predigt zum Sonntag „Reminiscere“ - 16.3.2014 Textlesung: Hebr. 11, 8 - 10 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. Durch den Glauben ist er ein Fremd- ling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Liebe Gemeinde! Es sind nur drei Verse, aber in jedem dieser Verse wird etwas genannt, worin wir uns Abraham heute sicher nicht mehr als Vorbild nehmen wollen. Aber es sind die drei Dinge, die seinen Glau- ben vorbildlich machen. Und Vorbild im Glauben war er schon für die Menschen des Alten Testa- ments und nicht weniger für die des Neuen Testaments. Hier sind diese drei Dinge: - Abraham war gehorsam als er von Gott berufen wurde. Er zog aus seiner Heimat und wusste nicht wo er hinkäme. - Der Glaube an seinen Gott machte ihn zum Fremdling in dem Land, das Gott ihm geben wollte. Er wurde nicht sesshaft dort, sondern wohnte in Zelten. - Abraham wartete auf die Stadt, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Gemeint ist das Himmli- sche Jerusalem. Sicher verstehen Sie jetzt, wenn ich gesagt habe, dass wir uns den Glauben des Abraham nicht mehr zum Vorbild nehmen wollen. Aber gehen wir die drei Dinge einmal der Reihe nach genauer durch: Stellen Sie sich einmal vor, Gott forderte von Ihnen, was er von Abraham verlangt hat: Verlasse deine Heimat, deine Verwandtschaft und zieh in ein Land, das ich dir zeigen werde. - Mal ganz ehrlich: Wer von uns würde aufbrechen? Vielleicht sagen Sie jetzt: Aber Abraham hatte diesen Auftrag doch von Gott. Da wusste er doch, dass er getrost tun konnte, was er sollte. Gott würde ihn schon nicht in die Irre gehen oder unterwegs im Stich lassen. Wenn Sie die Geschichte einmal in der Bibel nachlesen (1.Mos.12,1ff), dann merken Sie schnell: Abraham kannte Gott bis zu diesem Tag überhaupt nicht! Ganz plötzlich und unvorbereitet spricht ihn ein bisher unbekannter Gott an und hat diesen Auftrag für ihn: Verlasse deine Heimat und geh dorthin, wohin ich dich sende. Und Abraham bricht auf. - Schwer vorstellbar, dass wir es ihm gleichtun könnten, nicht wahr? Und beim zweiten ist es nicht anders: Wollten wir Fremdlinge mit anderem Glauben in dem Land sein, in dem wir wohnen? Oder mehr für uns heutige Menschen gesagt: Wollten wir wie Migranten und Asylbewerber in einem Heim, einer alten Kaserne leben oder gar wie die syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern in Zelten, ohne feste Wände und ohne Privatbereich? Abraham hat solch ein Leben auf sich genommen. - Ich denke, uns fehlen dazu sowohl die Phantasie als auch der Wille. Schließlich bestimmt uns auch kaum noch die Vorstellung, dass wir einmal in die feste Stadt eintre- ten werden, die in der Bibel das „Himmlische Jerusalem“ genannt wird - jedenfalls erwarten wir das nicht zu Lebzeiten. Im Glauben des Abraham war das fest verankert. Ihn hat der Gedanke geleitet, dass unser Leben in dieser Welt ein Ziel hat, das nicht von dieser Welt ist. - Ist das bei uns auch so oder haben wir diese Hoffnung nicht längst aufgegeben? Wenn wir uns anschauen, was den Glauben des Abraham ausgemacht hat, gibt es manches, was in unserem Glauben keinen Platz mehr hat. Ja, bei uns ist oft geradezu das Gegenteil von dem festge- schrieben, was bei Abraham gegolten hat: Wir hängen an unserer Heimat, dem Ort, wo wir unsere Leute, unser Haus oder unsere Wohnung haben. Wir wollen dort nicht weg! Und vielleicht haben wir ja sogar schon einmal den Ruf Gottes zum Aufbruch gehört - aber wir sind nicht gegangen, ha- ben nicht gehorcht. Auch graut es uns davor, irgendwo als Fremdlinge zu leben und es würde uns schwer fallen, einen anderen Glauben als den der Einheimischen festzuhalten und zu verteidigen. Dazu sind wir nicht stark genug. Und die meisten von uns haben sich überhaupt recht gut eingerichtet in dieser Welt. So gut, dass mit der Zeit die Sehnsucht nach einem Leben in Gottes neuer Welt gestorben ist. Wir können auch sagen: Uns genügt die Aussicht eines einigermaßen gesunden Lebens bis ins hohe Alter. Eines versorgten Lebens, ohne äußere Not und in der Nähe von Menschen, die uns lieb haben. Mehr erwarten wir gar nicht. Mehr wollen wir gar nicht. Manches von dem, was ich jetzt gesagt und womit ich unseren Glauben beschrieben und gegen den des Abraham abgegrenzt habe, muss nicht bei jedem und jeder von uns genau so zutreffen. Die all- gemeine Tendenz - auch unter uns Christenmenschen - ist aber so. Was aber können uns die drei Verse aus dem Hebräerbrief geben, die doch so ganz und gar nicht zu unserem Leben heute passen? Die vielmehr in ein Leben hineinsprechen, das noch ganz anders war, eine ganz andere Zeit, eine andere Welt... Liebe Gemeinde, denken wir einmal an andere biblische Geschichten: Den Turmbau zu Babel zum Beispiel oder die Stillung des Seesturms oder auch das Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Spielen diese - und eigentlich alle Geschichten der Bibel - nicht auch in einer anderen Zeit und einer Welt, die doch sehr verschieden von unserer war? Trotzdem reden die meisten dieser Geschichten mit uns. Warum? Weil es uns bei ihnen leichter fällt, sie in unsere Zeit zu übertragen oder ihnen eine Lehre oder Botschaft zu entnehmen, die uns auch heute noch etwas sagen kann: So sagt uns die Turmbaugeschichte, dass es dem Menschen nicht ansteht, mehr oder höher sein zu wollen als Gott. Und bei der Stillung des Seesturms lernen wir, dass Jesus Christus Macht hat über die Elemente, das Meer und den Sturm. Und wenn er bei uns ist, kann uns nichts geschehen. Schließlich zeigt uns das Gleichnis vom Verlorenen Sohn, wie unendlich geduldig und barnherzig der himmlische Vater mit seinen Kindern ist, dass er vergibt und wieder annimmt - auch die Menschen, die sich einmal von ihm abgekehrt haben. Wie gesagt, es mag bei anderen biblischen Geschichten leichter sein, sie für uns und unsere Zeit sprechen zu lassen als bei den drei Versen aus dem Hebräerbrief, die ja noch dazu gar keine Ge- schichte sind. Aber es geht. Es geht...vielleicht so: Ja, wir sind mit unserer Heimat, unserem Ort, wo unsere Verwandten und Freunde sind, unserem Haus oder unserer Wohnung verbunden und möchten das alles nicht aufgeben. Ich glaube auch gar nicht, dass Gott so etwas von uns fordern würde. Wie aber sieht es mit unseren inneren Standpunk- ten aus? Mit dem, was vielleicht schon seit unserer Jugend unsere Meinung ausmacht, wie wir im- mer gedacht haben und wovon wir nicht abrücken werden... Hat uns da nicht schon manches Mal Gottes Ruf erreicht: Du denkst falsch über deinen Mitmenschen. Gib ihm eine Chance. Reich ihm die Hand! Lass endlich vergangen und vergessen sein, was du ihm vor Jahren übel genommen hast. Wenn du deinen Glauben ansiehst, so wie er im Laufe deines Lebens gewachsen ist und dich getra- gen hat, bist du da nicht heute auch ein Fremdling unter so vielen Menschen, die ganz anders oder überhaupt nicht mehr glauben? Da musst du gar nicht aus deiner Heimat fortziehen. Auch dort, wo du heute wohnst ist für dich ein Stück Fremde. Aber du sollst deinen Glauben nicht leichtfertig preisgeben. Du verlierst dich sonst selbst. Halte die Überzeugung fest, dass du in deinem Glauben ein Stück der Wahrheit gefunden hast und gib es nicht auf, auch wo man dich bedrängt, angreift oder verlacht. Gott ist bei dir. Lass dir auch von Gott wieder die Hoffnung auf seine neue Welt schenken. Einmal hat sie doch auch dein Herz erfüllt! Zu viele Sachen zum Kaufen, zu viel Zerstreuung, zu viel Habe und Dinge, die dir das Leben schön machen, haben dir die Sehnsucht nach dem ewigen Leben in Gottes neuer, fester Stadt genommen. Aber du kannst diese Sehnsucht neu gewinnen. Alles, was du dazu tun musst, ist ganz nüchtern und realistisch auf diese Zeit und diese Welt zu blicken. Ist dir das wirk- lich genug: Diese 70 oder 80 Sommer zwischen Wiege und Bahre. Du gleichst dem Menschen, der ein Festmenü haben könnte und sich mit einer Bettelsuppe zufrieden gibt. Jesus Christus hat dir am Kreuz das Leben in Gottes ewiger Welt verdient. Er bietet es dir an, er hält es dir hin. Du musst es nur im Glauben ergreifen. Und verlass dich drauf: Ein Mensch, der von der Zukunft im Himmli- schen Jerusalem weiß, der lebt anders als alle, die eine solche Hoffnung nicht haben. Du kannst viel gelassener leben. Du musst nicht alles haben, was diese Welt dir geben kann. Du wirst in eine neue Welt eintreten, die so herrlich ist, dass alles, was dich hier und heute beschäftigt, was du erstrebst und erreichst ganz und gar unwichtig wird. Ja, Paulus sagt davon, dass es dir wie Dreck erscheint. Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen und mir in diesem Sinn ein Stück des Glaubens, den Abraham hatte und der ihn gehorsam gegenüber der Berufung Gottes gemacht hat. AMEN