Predigt zum 1. Christtag - 25.12.2013 Textlesung: Gal. 4, 4 - 7 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Ge- setz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott. Liebe Gemeinde! Sie merken das heute wieder: Wir sind seit Beginn dieses Kirchenjahres am 1. Advent in der 6. und letzten der Reihen mit Predigttexten zu den Sonn- und Feiertagen. Und diese 6. Reihe enthält überwiegend schwierige Abschnitte des Alten oder Neuen Testaments. Was ist es dagegen doch so einfach über Texte der 1. und 2. Reihe zu sprechen: Über den Verlorenen Sohn zum Beispiel, den Barmherzigen Samariter oder die Bekehrung des Saulus zum Paulus... Aber die vier Verse heute, die sind, salopp gesprochen: ein harter Brocken! Und man kommt nicht daran vorbei, das zu erklä- ren, was man da liest. Hören wir also auf ein paar erklärende Worte zum Text, den wir heute predi- gen sollen: Gleich zu Anfang heißt es: „Als aber die Zeit erfüllt war...“ Was da so bedeutungsschwanger daher kommt, meint eigentlich nur das: „Als Gott meinte, die Zeit sei reif...“ Reif war die Zeit für Jesus, den Sohn Gottes, dass er wie ein Mensch - sozusagen ganz normal - von einer Frau geboren wird. Das ist ganz wichtig, damit wir nicht denken, Jesus wäre kein richtiger Mensch gewesen. Das wol- len auch die nächsten Worte betonen: „...und unter das Gesetz getan...“ Jesus hatte also keinerlei Vorzüge vor uns anderen Menschen: Er musste essen und trinken wie wir, er wurde müde wie wir und musste schlafen. Er spürte Schmerzen wie wir und war traurig über das Leid der Menschen. Er hatte auch keine besseren Lebensumstände als wir, im Gegenteil: Denken wir nur an seine Geburt in einem Viehstall und an sein erstes Bett in dieser Welt: eine Futterkrippe. Auch hatte er nicht mehr Macht als wir oder sagen wir besser: Er nutzte sie nicht aus. Dazu kommt uns vielleicht die Stunde im Garten Gethsemane in den Sinn, in der Petrus dem Knecht des Hohenpriesters ein Ohr abschlägt. Jesus rügt Petrus: „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.“ Dass er bewusst darauf verzichtet, Macht und Gewalt einzusetzen, sehen wir daran, was er weiter sagt: „Meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte?“ (Mt.26,52f) Jesus war also kein Übermensch oder Halbgott. Er stand - als er über diese Erde ging - nicht höher als die anderen Menschen und schon gar nicht höher als die Gesetze Gottes: Dass wir nur ihn unse- ren Gott nennen, ihm gehorsam sein und seinen Willen tun sollen, dass Sünde Strafe verdient hat und Schuld, wenn sie vergeben werden soll, Reue und Besserung verlangt. - Warum Jesus wie wir unter dem Gesetz stehen und bleiben musste, lesen wir auch in den Worten des Paulus im Galater- brief: „...damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste...“ Liebe Gemeinde, hier könnte es in einem Text für die Vorweihnachtszeit nun Karfreitag werden! Denn diese Erlösung vom Gesetz, die ist am Kreuz von Golgatha geschehen: durch Jesu unschuldi- ges Leiden und Sterben für uns und alle Menschen. Das aber wollen wir nicht am Weihnachtstag, sondern in den Karfreitagsgottesdiensten predigen und bedenken. Heute geht es mehr darum, wozu und warum uns Gott durch seinen Sohn vom Gesetz erlösen wollte und das sagt Paulus so: „...damit wir die Kindschaft empfingen“ und jetzt zu Gott sagen dürfen: „Abba, lieber Vater“. Dass wir also nicht mehr Knecht oder Magd Gottes sein sollen, „sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.“ Ich denke, das waren nun genug „Erklärungen“. Den Text aus dem Galaterbrief haben wir jetzt si- cher verstanden. Aber wie steht es mit der Botschaft, die darin liegt? Das ist nämlich noch einmal etwas ganz anderes! Ich glaube, was Paulus uns mit seinen Worten sagen will, ist einfach das: Knechte und Mägde sind dem Gesetz unterworfen. Brechen sie das Gesetz, dann sind sie der Strafe schuldig. Jesus aber hat am Kreuz von Golgatha das Gesetz - ja, nicht aufgehoben! - sondern erfüllt. Er hat alle Schuld, alle Strafe auf sich genommen. Darum sind wir erlöst, befreit von Schuld und Strafe und keine Knechte und Mägde mehr, sondern Kinder des himmlischen Vaters. Ich finde, das ist doch ganz einleuch- tend und schön und wunderbar ist es auch. Nur eins ist es nicht: Besonders plastisch und so, dass wir es nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen verstehen können. Vielleicht denken Sie jetzt, wenn ich hier so viel vom Gesetz rede, von Schuld und Strafe und vom Kreuz von Golgatha, dass diese Predigt jetzt doch noch zu einer Karfreitagsansprache wird. Aber ich will bei Weihnachten bleiben, genaugenommen beim Geschehen der Heiligen Nacht. Dort näm- lich haben wir auch schon Beispiele dafür, das Jesus in die Welt gekommen ist, um die Schuld der Menschen auf sich zu nehmen und uns von Knechten und Mägden des Gesetzes zu Kindern des Vaters zu machen: Zuallererst wollen wir dabei nach den Hirten von den Feldern rings um Bethle- hem schauen, die von der frohen Botschaft der Geburt des Gotteskindes als Erste erfahren. So spricht der Engel damals zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ (Lk.2,10f) Wenn wir an die Krippenspiele denken, die wir in unserem Leben schon gesehen haben, dann kön- nen wir sicher nicht verstehen, was ich mit dem Beispiel der Hirten jetzt sagen will. Denn wie wer- den die Hirten in den Krippenspielen immer dargestellt? Als freundliche Männer, vielleicht ist auch einmal ein netter Hirtenjunge dabei, auf jeden Fall aber sind Hirten gute Menschen, sonst hätte Gott ja auch kaum seinen Engel ausgerechnet zu ihnen geschickt - und das vor allen anderen. Es ist aber ganz anders! Wir würden heute sagen, die Hirten von Bethlehem waren eine Randgrup- pe. Hirte sein, das hieß nicht, eine eigene Herde zu haben. Sie waren, wie Jesus das später in sei- nem Wort, in dem er sich selbst den Guten Hirten nennt, nur Mietlinge. (Jh.10,11f) Das heißt: Sie hüteten nur die Schafe und Ziegen anderer Leute und waren selbst meist bettelarm. In der Gesell- schaft damals standen sie ganz unten, verachtet von den anderen. Oft genug hatten sie - wie wir heute sagen würden - auch einige Einträge im Strafregister. Darum hatte auch kein rechtschaffener Bürger gern mit ihnen zu tun. Wenn sich ein frommer Jude mit ihnen an einen Tisch gesetzt hätte, dann hätte er sich verunreinigt allein dadurch, dass er mit einem Hirten am selben Tisch saß. Liebe Gemeinde, jetzt erscheint das doch in einem ganz anderen Licht, wenn der Engel Gottes die frohe Botschaft von der Geburt des Jesuskindes ausgerechnet zuerst den Hirten von Bethlehem ver- kündigt? Und jetzt verstehen Sie auch, warum ich keine Karfreitagsgeschichte bemühen muss um zu zeigen, dass Gott durch seinen Sohn Jesus gerade die Schuldbeladenen, die Außenseiter, die Armen und Schwachen zu sich rufen wollte, um sie durch den Mann, der aus dem Krippenkind wurde, von Schuld und Sünde zu erlösen. Von Anfang an war die Geschichte Gottes mit den Men- schen, wie sie mit Jesus begonnen hat, die Geschichte seiner Liebe zu denen, die diese Liebe nicht verdienen und nichts vorweisen können, was diese Liebe rechtfertigen kann. Wenn wir kurz noch nach den Königen sehen, oder den Weisen, wie wir sie auch gern nennen, die nach den Hirten ihre Aufwartung an der Krippe machen, dann müssen wir auch bei ihnen eher von fragwürdigen Besuchern sprechen. Kein rechtschaffener Jude hätte sie über die Schwelle seines Hauses treten lassen. Denn auch sie waren nicht gut angesehen, weil sie sich mit Astrologie und Sterndeutung beschäftigten und das war für die Menschen damals Magie und Teufelswerk. Es tut mir leid, wenn ich jetzt Ihr Bild von den ersten Gästen an der Krippe Jesu so hart und schmerzhaft zurechtrücken musste. Aber eigentlich... Eigentlich muss es mir nicht leid tun, denn gerade darin liegt die besondere, die wunderbare, die frohe Botschaft dieser vier Verse aus dem Ga- laterbrief und dazu aus dem ganzen Neuen Testament: Jesus Christus ist in die Welt gekommen und war selbst unter dem Gesetz, um das Gesetz, dass jede Verfehlung, jede Sünde, jede Schuld Strafe nach sich zieht, ein für allemal aufzuheben. Er ist von Anfang seines Erdenlebens an den un- teren Weg gegangen. Er hat die Sünder und Außenseiter, die Armen, die Schwachen und Zukurz- gekommenen zu Gott geführt. Er hat sie schon an seine Krippe rufen lassen, er hat ihre Schuld und ihre Strafe auf sich genommen und ans Holz des Kreuzes getragen. Er hat sie - und uns alle - damit von Knechten und Mägden des Gesetzes zu Kindern Gottes gemacht, die Gott ihren Vater nennen dürfen. - Liebe Gemeinde, wenn das keine gute Botschaft zum Weihnachtsfest ist! Aber noch nicht genug damit: Wir sollen nicht nur Kinder, sondern auch noch „Erben“ Gottes sein. Wir werden nicht den Tod sehen, sondern das Ewige Leben. Was für eine wunderbare, frohe Botschaft! AMEN