Predigt zum 2. Adventssonntag - 8.12.2013 Textlesung: Offb. 3, 7 - 13 Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf: Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe. Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme! Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Liebe Gemeinde! Ja, es ist ein sehr rätselhafter Text, den ich eben gelesen habe. Aber er hat damals gewiss zu den Christen in Philadelphia gesprochen. Wohl auch deswegen, weil sie unter den Gemeinden, an die der Verfasser der Offenbarung schreibt, sehr gut wegkommen: Die Christen aus Philadelphia haben ihren Herrn Jesus Christus nicht verleugnet, obwohl sie nur eine kleine Kraft haben. Sie sind beim Wort ihres Herrn geblieben und hatten Geduld in schweren Zeiten. Und sie sollen dafür belohnt werden: Wenn die „Juden aus der Synagoge des Satans“ kommen, das sind die jüdischen Gegner der Christen, dann wird Christus sie dazu bringen, dass sie vor den Christen aus Philadelphia nie- derfallen und begreifen, dass Christus selbst bei seiner Gemeinde ist. Auch wird der Herr die Chris- ten aus der Gemeinde in den Versuchungen bewahren, die über die ganze Welt kommen werden. Ob diese Worte auch mit uns sprechen? Wie steht es mit unserer Kraft? Hat sie immer genügt, dass wir unseren Herrn nicht verleugnet ha- ben? Genügt sie in diesen Tagen, dass wir dazu stehen, den Namen „Christin“, „Christ“ zu tragen? Woran merken unsere Mitmenschen noch, dass wir zu Jesus Christus gehören? Zuerst werden wir sagen: Wir sind doch getauft und konfirmiert! Wir haben unsere Kinder christ- lich erzogen und uns ein Leben lang bemüht, Nächstenliebe zu üben und die Gebote zu halten. Wir gehen auch in die Kirche - was man ja auch heute sieht. Und die Festzeiten im Kirchenjahr feiern wir auch mit... Liebe Gemeinde, ich will das jetzt nicht in Zweifel ziehen. Aber ich sehe in unserer Zeit - und ich leide daran...und sicher nicht ich allein! - dass Gott und unser Herr Jesus Christus kaum noch eine Rolle in unserem Leben spielen. Es scheint mir oft fast so, als gäbe es den Christenglauben gar nicht mehr. Wo ist Gott, wo ist Christus in unseren Alltagsgesprächen? Vielleicht nehmen wir den Namen „Gott“ noch einmal am Totensonntag auf dem Friedhof in den Mund, wenn wir sagen: „Unser Mann, unsere Mutter ist jetzt bei Gott!“ Und „Christus“ kommt oft nur noch beim Glau- bensbekenntnis über unsere Lippen, wenn wir sprechen: „Und an Jesus Christus, seinen einge- borenen Sohn, unsern Herrn...“ Aber sonst? Ich will noch ein wenig persönlicher werden und nach dem fragen, was nur wir selbst wissen kön- nen: Ist uns das Gebet noch eine tägliche Übung oder geht es uns wie der Frau, von der ich einmal gelesen habe, die nach einigen Monaten erst bemerkt, dass sie seit sehr langer Zeit nicht mehr die Hände gefaltet hat? Wie sieht es mit den Glaubensfragen aus? Interessieren die uns überhaupt noch? Zum Beispiel solche Fragen: Warum gehe ich zum Abendmahl oder warum nicht (mehr)? Was erwarte ich davon, dass ich Brot und Wein am Altar genieße? Was erhoffe ich, wenn ich von dieser Welt Abschied nehmen muss? Erwarte ich nach dem Sterben die Auferstehung oder habe ich mich damit abgefunden, dass dann für mich das Leben und alles zu Ende ist? Ist Krankheit und Be- hinderung eine Strafe Gottes oder gibt es für mich andere Erklärungen dafür, warum es mir gut geht, andere aber leiden müssen. Nehme ich mein Leben aus Gottes Hand? Habe ich Vertrauen zu ihm, dass er es gut mit mir meint? Oder ist für mich alles doch eher Zufall? Und - das ist auch eine wichtige Frage! - schaue ich dann und wann auch in die Bibel, um mir bei diesen Fragen helfen zu lassen? - Würde der Schreiber der Offenbarung manches bei mir nicht Verleugnung nennen? Liebe Gemeinde, es geht mir nicht darum, hier jetzt einen Mangel bei ihnen aufzudecken - da müsste ich auch zuerst bei mir selbst anfangen! Auch will ich jetzt nicht nach Antworten auf die eben gestellten Fragen suchen, die wird wohl jeder selbst finden müssen. Aber wir müssen sicher alle bekennen: Ja, wir haben Gott und unseren Herrn Jesus Christus ziemlich weit an den Rand un- seres Lebens gedrängt. Und in der Gesellschaft insgesamt sieht es nicht anders aus. Wie ging das vorhin in der Textlesung weiter?: Die Christen von Philadelphia sind beim Wort ihres Herrn geblieben und hatten Geduld in schweren Zeiten. - Mit der Geduld ist es bei uns oft auch nicht mehr besonders weit her! Und wieder fasse ich mich dabei an die eigene Nase! Aber ist es nicht wirklich so, dass wir etwa Krankheitszeiten heute viel schwerer aushalten als früher? Wir hal- ten uns ja meist für unabkömmlich. Wenn wir noch arbeiten sowieso. Aber auch wenn wir unseren Ruhestand genießen könnten oder sollten. Und in schweren Zeiten kommen dann auch die Fragen an Gott: Warum musste mir das passieren? Weshalb muss ich jetzt krank sein, ich werde doch ge- braucht! Wie lange soll das noch dauern mit der Genesung? Wenn wir vielleicht auch immer gedacht und so gesprochen haben, dass Leiden und Krankheit auch zum Leben gehören, wenn es dann soweit ist, dass wir betroffen sind, dann verstehen wir doch nicht mehr, warum wir leiden und krank sein müssen und viel Geduld bringen wir dabei nicht auf! Schließlich hören wir von Menschen, die den Christen zusetzen und sie vom Glauben abbringen wollen. - Ich denke, solche Menschen kennen wir auch! Manchmal geschieht das mit Worten, dass sie uns den Glauben madig machen: „Du glaubst doch an Gott, warum hat er dich denn dann nicht vor diesem Unfall bewahrt?“ - „Findest du es nicht auch seltsam, dass du als erklärter Christ derart vom Pech verfolgt bist?“ - „Du rennst doch fast jeden Sonntag in die Kirche, könnte dir dein Gott da nicht endlich mal eine neue Arbeitsstelle besorgen?“ Manchmal aber sind es nur die hochgezogenen Augenbrauen oder das süffisante Lächeln, an denen wir ablesen können, wie verächtlich die anderen über unseren Glauben denken. Das tut uns weh. Noch mehr dann, wenn wir in unserem Glauben eigentlich gar nicht so gefestigt und sicher sind. Jedenfalls ist es doch sehr die Frage, ob unsere Kraft reichen wird, dem allem zu widerstehen und ob es wirklich dazu kommt, dass die Menschen, die uns zusetzen, uns zu Füßen fallen werden wie damals in Philadelphia und erkennen, dass sie gegen unsere Standhaftigkeit nichts ausrichten kön- nen, weil wir mit Christus im Bund sind. Was tun Menschen, die nicht genug Kraft haben, das zu bestehen, was ihnen auferlegt ist und was an Schwerem auf sie zukommt? Besser: Was tun Christinnen und Christen, wenn ihnen die Kraft ausgeht oder ausgegangen ist? Sie holen sich neue Kräfte bei dem, der sie uns schenken kann und will: Jesus Christus. Das kann etwa geschehen, indem wir wahrnehmen und uns sagen lassen, was die Christen von Philadelphia damals an Kraft und Widerstand entwickelt haben. Diese Christen können für uns zum Vorbild werden. Es geht - mit Christi Hilfe! -, dass wir Gott und unserem Herrn wieder einen Raum in unserem Alltag geben und in den Gesprächen, die wir mit unseren Mitmenschen haben. Es geht, dass wir Gott nicht verleugnen und uns auch die Lebens- und Glau- bensfragen nach dem Sinn und dem Tod und dem Danach wieder stellen und wenn wir dabei auch wieder nach der Heiligen Schrift greifen. Schließlich geht es auch, dass wir uns durch abfällige Re- den über den Glauben nicht mehr verunsichern oder gar von unserem Gottvertrauen abbringen las- sen. Zumal wir oft davon ausgehen dürfen, dass die uns angreifen, uns eigentlich beneiden. Bei alledem wird uns das tägliche Gebet helfen, das Gespräch mit Gott, das hinhören und bitten kann, aber auch danken! Eine weitere Hilfe sind die Gottesdienste, vielleicht gerade die im Advent, wenn unser Herz in der besonderen Stimmung der Vorweihnachtszeit deutlicher wahrnimmt, wonach es sich sehnt und offener ist für neue Anfänge - auch im Glauben. - So werden wir unser Leben bestehen, auch wenn es einmal schwer wird und die Krone des Lebens gewinnen. AMEN