Predigt zum Buß- und Bettag - 20.11.2013 Textlesung: Lk. 13, 22 - 30 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können. Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein. Liebe Gemeinde! Gut, es ist Buß- und Bettag! Da muss man schon damit rechnen, dass ein Bibeltext und eine Predigt darüber uns nicht schmeckt und uns nicht so ohne weiteres eingeht, sodass wir uns daran orien- tieren wollen. Aber das ist nun doch sehr hart: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können.“ Hier ist immerhin vom Reich Gottes die Rede, das uns Jesus Christus mit seinem Blut verdient hat. Hätten wir je gedacht, dass es für uns so schwierig sein könnte, in Gottes Ewigkeit einzugehen? Reicht denn der Glaube an unseren Herrn doch nicht, um „selig zu werden“? Aber es kommt ja noch härter! Gleich zweimal sagt der Hausherr zu denen, die bei ihm Einlass er- bitten: „Ich kenne euch nicht!“ Und immer noch ist es nicht genug. Er fügt auch noch hinzu: „Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!“ - Wie sollen wir das verstehen? Ist das nicht selbst am Buß- und Bettag ein bisschen zu viel Ernst, Ablehnung und Härte? Immer wieder bin ich diese harten Worte durchgegangen, habe nach einem Gedanken gesucht, der vielleicht erklären kann, wie der Umgang mit denen, die hier in Gottes Reich kommen wollen zu der Botschaft des Neuen Testaments passen soll. Diese Botschaft sagt doch, dass allein der Glaube an Jesus Christus uns den Himmel aufschließt. Und ich habe wirklich etwas gefunden. Es ist der Satz, den die Leute draußen vor der verschlossenen Tür dem Hausherrn zurufen: „Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt.“ Nehmen wir an, diese Leute haben durchaus an Jesus Christus geglaubt. Nehmen wir weiter an, sie hätten ihn ihren Herrn genannt. Ein überzeugender Glaube wäre das noch nicht gewesen. Warum? Ich denke, hier müssen wir einmal aufräumen mit der verbreiteten Sicht, dass es schon „Glauben“ ist, wenn eine oder einer z.B. sagt: „Jesus Christus ist Gottes Sohn und mein Herr!“ Würde es uns denn als Bestätigung genügen, dass ein anderer Mensch vertrauenswürdig ist, wenn er uns versi- chert: „Du kannst dich auf mich verlassen!“? Wenn dem so gar keine Taten folgen, ja, wenn sich dieser Mensch auch noch ganz und gar nicht vertrauenswürdig verhält, würden wir sicher lieber nichts mit ihm zu tun haben wollen. - Ein Bekenntnis der Lippen ist noch lange kein Glau- benszeugnis! Glaube ist mehr als das, was ich sage. Genauso ist Glaube auch mehr als Getauft- oder Konfirmiert-Sein. Aber zurück zu Jesu Worten aus dem Lukasevangelium: Wenn wir jetzt noch einmal auf die Leute draußen vor der Tür des Hausherrn hören, dann wird es uns deutlich, wie dürftig das ist, was sie ihm zurufen: „Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt.“ Wir möchten erwidern: Wenn das alles ist! Warum sollte euch Gott dafür sein Reich aufschließen? Aber bevor wir uns allzu sehr über die Leute erregen, die mit Recht keinen Zugang zum Reich Gottes bekommen, wollen wir, was sie sagen, einmal in unsere Zeit hinein übersetzen. Da könnte sich das so anhören: „Wir sind doch zu deinem Abendmahl gegangen und haben hie und da den Gottesdienst besucht.“ Vielleicht fällt uns das schwer, diesen Vergleich auszuhalten. Aber es spricht genauso wenig für einen echten Glauben, zur Kirche zu gehen und am Abendmahl teilzunehmen, wie das, was die Menschen sagen, denen, nach Jesu Worten, der Hausherr die Tür nicht aufmachen will: „Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt.“ Das ist zu wenig! - Was aber ist genug, dass uns die Tür zu Gottes Reich aufgetan wird? Hier ist die Antwort: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht!“ Bevor wir nun sagen: Aber gerade wir evangelischen Christinnen und Christen glauben doch, dass es nicht um große Mühen geht, nicht um viele Werke, nicht um Verdienste - weil unser Herr doch genug für uns getan hat. Liebe Gemeinde, dabei bleibt es auch. Das ist - und unser Reformator Martin Luther hat sie wiederentdeckt - die frohe Botschaft des Neuen Testaments, also der Kern des Evangeliums von Jesus Christus. Paulus hat diese gute Nachricht in diese Worte gefasst: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ (Röm.3,28) Als Luther die Bedeutung dieses Verses verstanden hat, schreibt er: „Die Pforte des Paradieses war mir aufgetan!“ Mit den Worten aus dem Lukas-Evangelium, die wir heute bedenken, hätte er wohl auch sagen können: „Der Hausherr hat mir die Tür zu seinem Haus geöffnet und ich durfte bei ihm eintreten.“ Aber noch einmal dieses ganz andere Wort: „Ringt da- rum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht!“ Wie reimt sich das denn zu dieser frohen Botschaft: Gerecht allein aus Glauben, ohne Werke des Gesetzes? Mir fällt bei solchen Fragen vor allem eines ein: Wie unbedeutend ist sie doch geworden, die frohe Botschaft! Wir wollen das einmal nicht beschönigen: Die Frage, ob wir selig werden, spielt keine Rolle mehr in unserer Gesellschaft. Gott selbst spielt keine Rolle mehr in unseren Tagen. Sein Wort - will kaum einer hören. Seinen Willen - wenige legen es darauf an, ihn zu befolgen. Seine Sache ist in die kirchliche Nische gedrängt worden. Von wem? Nicht vom Zeitgeist - dem nämlich geben wir Macht über uns. Nicht von den Verlockungen zum Konsum, zu Vergnügen und Kurzweil - wir müssen nicht nachgeben. Und nicht von der Notwendigkeit, bei allem mitzumachen, was modern sein soll und Fortschritt genannt wird - wir wissen genau um die zahlreichen Irrwege, die uns dabei gewiesen werden. Wenn ich heute sehe, wie oft im Fernsehen ein Bundesliga- oder Länderspiel im Fußball in voller Länge gezeigt wird, wie oft dabei andere Sendungen, die ich gern gesehen hätte, abgesetzt werden und wie schon die Vorankündigungen dieser Spiele fast schon religiöse Züge tragen, so als stünde die Ankunft eines Messias bevor...dann kann ich nur sagen: Das ist nicht die enge Pforte, durch die wir hineingehen sollen! Und wenn ich heute höre, über was wir alles den Tag über reden, was uns erregt, ärgert und Sorgen macht und wenn ich auf der anderen Seite nichts davon höre, dass wir einander auch einmal auf Gott und Jesus Christus ansprechen und was uns der Glaube wert ist, so als wäre unser Leben in dieser Welt nicht durch den Tod begrenzt und als müssten wir nicht auch einmal an das Danach denken...dann kann ich nur sagen: Die enge Pforte, durch die wir in Gottes Reich treten sollen, in- teressiert uns anscheinend gar nicht mehr. Ich denke, jetzt erkennen wir den Zusammenhang und dass die Gedanken sich sehr wohl reimen und auf eine bestimmte Weise zusammenpassen: Ohne Verdienst und Werke, allein aus Glauben... Und: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht... Vielleicht kann man es so sagen: Es geht zunächst einmal wieder um mehr Aufmerksamkeit für das, was sich in unserer Welt heute ab- spielt und wie es uns von den eigentlich wichtigen Fragen abhält. Das Fußballspiel, das wir sehen oder nicht sehen, wird nicht entscheiden, ob wir selig werden. Die unverbindlichen Worte, die wir über Tag reden, die Sorgen um weltliche Dinge, die uns beschäftigen und der Ärger, den wir uns bei ein wenig Gelassenheit gar nicht machen müssten, werden uns nicht an die enge Pforte bringen und schon gar nicht dabei helfen, dass wir hindurch gehen können. Darum geht es: Erst einmal wieder aufmerksam werden, Interesse dafür aufbringen, was wirklich wichtig ist und sich dann dorthin aufmachen, wo die Lebensfragen entschieden werden. Dieser Ort mag eine „enge Pforte“ sein. Aber wenn wir vor ihr stehen, dann wird uns der Glaube an unseren Herrn Jesus Christus hindurch geleiten und wir werden wissen, dass es stimmt: Allein aus Glauben, ohne unser Verdienst und nicht durch eigene Werke werden wir selig. - Liebe Gemeinde, hat jetzt die harte Predigt zum Buß- und Bettag nicht doch einen zarten Kern? AMEN