Predigt zum Erntedankfest - 6.10.2013 Liebe Gemeinde! Heute ist Erntedankfest. Eigentlich ja ein Anlass, froh und fröhlich zu sein, sich daran zu freuen, dass wir - nachdem es zuerst nicht so aussah - wieder eine gute Ernte hatten und ein Anlass, Gott für die Ernte und alle seine Gaben zu danken. Dem stehen heute allerdings die Bibelverse, die wir heute bedenken wollen, entgegen. Sie sind weder froh noch fröhlich, sprechen nicht von Freude und schon gar nicht von Dank und Dankbarkeit. Aber hören Sie selbst, was uns für heute als Predigttext verordnet ist: Textlesung: Mt. 6, 19 - 23 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein. Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein! Sie wissen ja, alle 6 Jahre sind die für den Sonntagsgottesdienst vorgesehenen Bibeltexte wieder „dran“. Was ich eben vorgelesen habe, konnten die Menschen damals, wenn sie vor sechs, 12, 18 Jahren und so weiter beim Erntedankfest dabei waren, auch als Lesung und dann in einer Predigt ausgelegt und besprochen hören. Dabei ist mir deutlich geworden: Ob nun als Prediger(in) oder Hörer(in) des Textes und der Predigt, die Botschaft dieser Bibelworte ist - salopp gesprochen - immer schwieriger an die Frau und den Mann zu bringen. Anders gesagt: Ich glaube, dass die Menschen von Jahr zu Jahr weniger bereit sind, der Forderung dieser Verse zu folgen: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.“ Und wenn nicht alles täuscht, gilt das auch für die Christinnen und Chris- ten. Weil das eine recht starke Behauptung ist, will ich auch Beweise dafür liefern: Wie selbstverständlich es inzwischen ist, sich Schätze auf Erden zu sammeln, können wir etwa den gigantischen Gehältern mancher Banker oder der Vorstände von börsennotierten Unternehmen ablesen. Aber wir dürfen auch an Fußballspieler oder Rennfahrer denken. Auch in einigen anderen Berufen wird sehr viel Geld verdient - und sehr oft für verhältnismäßig geringe Leistungen. Schlie- ßlich wollen wir nicht die Menschen vergessen, die als Aktionäre oder Investoren allein dadurch, dass sie schon viel Geld haben, durch Spekulationen und oft sehr fragwürdige Transaktionen ihre Konten immer weiter füllen. Dabei ist für mich das Entscheidende nicht einmal, dass einige Leute finanziell derart unangemes- sen hoch dotiert sind. Was mir zu denken gibt, ist die Tatsache, dass dieser Befund den Normalver- dienern in unserer Gesellschaft gar nicht so ungerecht erscheint. Vielmehr spornt er sie zu Neid, Habgier und verstärkten Anstrengungen an, es den Reichen und Superreichen gleich zu tun, was freilich nur ganz wenigen gelingt. Wir nehmen es unverständlich gelassen hin, wenn der Spitzenmanager eines großen Konzerns ein Jahresgehalt von über 15 Millionen hat, während der Straßenarbeiter bei täglich acht Stunden Knochenarbeit seine Familie nicht ohne staatliche Zuschüsse ernähren kann. Wir finden nichts dabei, wenn ein beliebter Fußballer für Unsummen (die er nicht einmal in Deutschland versteuert) den Club, der ihn groß gemacht hat, verlässt und ins Ausland wechselt, während man der al- leinerziehenden Mutter zweier kleiner Kinder den Strom abstellt, weil sie ihn nicht mehr bezahlen kann. Auf der anderen Seite zerfließen wir vor Rührung, wenn ein Milliardär ein paar tausend Euro für krebskranke Kinder übrig hat, was für ihn nun wirklich eine Kleinigkeit ist, während wir die geld- werte Leistung vieler Menschen in der Pflege ihrer Angehörigen und die Zurückhaltung vieler Empfänger kleiner und kleinster Renten nicht sehen, die aus Scham auf die ihnen zustehende Un- terstützung durch den Staat verzichten. Wir müssen es wirklich bekennen: Es ist nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel, dass Menschen in unserer Gesellschaft - und wir gehören oft auch dazu - mit dem Sammeln von irdischen Schätzen beschäftigt sind - oft gedankenlos, manchmal skrupellos und das, obgleich wir sehr wohl wissen, dass diese Schätze nicht ewig sind, vielmehr „von Motten und Rost“ gefressen und von „Dieben und Einbrechern gestohlen“ werden. Damals wie heute hält Jesus dem entgegen: „Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.“ Aber kommt das denn an gegen die Sucht, sein Leben in dieser Welt durch Besitz und Reichtum zu sichern und angenehm zu gestalten, gegen den Drang, ja, die Gier derer, die doch schon genug und übergenug haben, im- mer noch mehr Geld und Güter anzuhäufen? Augenscheinlich nicht! Denn die Jagd nach den Schätzen der Welt geht weiter, zieht immer mehr Menschen in ihren Bann und hat immer mehr Teilnehmer, die sich damit zufrieden geben, in diesem Leben Schätze zu sammeln und anscheinend vergessen haben, dass es - besonders für uns Christen - um die viel größeren, ewigen Schätze im „Himmel“ geht, die wir mit unserer irdischen Orientierung geradezu verspielen. Da hilft auch Jesu Wort nicht mehr, das sicher wahr ist, auch wo wir es oft nicht mehr beachten: „Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ Vielleicht fragen wir uns jetzt, wie wir es schaffen, die Jagd nach den Schätzen dieser Welt aufzugeben? Denn auf der anderen Seite wissen wir doch, dass wir unser Herz nicht an die Welt verlieren dürfen, sondern dass es dorthin gehört, wo wir unsere „himmlischen Schätze“ haben: Die Liebe zu Gott und den Mitmenschen. Die Hoffnung auf das Ewige Leben. Den Glauben an Jesus Christus, der uns frei macht von Sünde und Schuld... Noch einmal: Wie beenden wir die Jagd nach den Schätzen der Welt? Was können wir tun? Hören wir, was Jesus weiter sagt: „Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.“ Vielleicht begreifen wir den Gedanken nicht gleich, aber hinter diesen Worten steht die Vorstellung, dass unser Auge das Licht aussendet, mit dem wir die Dinge der Welt sehen und wahrnehmen. Unser Auge beleuchtet also auch die „Schätze der Welt“. Das tut es so, wie es in unserem Inneren, in unserem Herzen bestellt ist. Schauen wir die Dinge mit Habgier und Neid an, dann werden sie uns zu begehrenswerten Schätzen, die uns binden. Sehen wir sie aber als Teil der vergänglichen Welt an, die am Ende von Motten und Rost zerfressen werden und von Dieben gestohlen werden können, dann bleiben wir frei von ihrer Macht, unser Herz für sich einzunehmen. Und es ist ja nun wirklich so: Unser Geld macht letztlich nicht unser Leben. Die Aktienkurse, die manche Menschen gebannt verfolgen, können morgen schon in den Keller gehen. Die Millionen, die einer scheffelt, wird er nicht mitnehmen, ja, nicht einmal seine Gesundheit werden sie ihm erhalten. Kein Schatz dieser Welt kann uns vor Alter und Tod sichern. Wie anders ist das doch mit den Schätzen im Himmel! Wer das Licht seines Auges dorthin richtet, sieht die Liebe, die von Gott, dem Vater ausgeht. Und er kann diese Liebe zurückgeben und weitergeben an alle Menschen, die neben ihm leben und ihm begegnen. Er sieht die Hoffnung und weiß, dass alles in dieser Welt vergänglich ist, die Zukunft und das Leben in Gottes Reich aber einmal ewig sein wird, herrlich und ohne Ende. Schließlich erkennt er auch den Glauben, der ja ein Geschenk von Gott ist und der uns schon hier und heute Halt gibt und Treue. Mit ihm im Blick können wir ein Leben in der Hingabe zu Gott bestehen, ohne Gier nach den Schätzen der Welt und ohne Neid auf die Menschen, die mehr als wir haben und besitzen. Liebe Gemeinde! Heute ist Erntedankfest und zunächst schienen die Verse, die wir heute bedacht haben, nicht zu diesem Tag zu passen. Wenig fröhlich. Kein Anlass zur Freude. Nichts, was zu Dank und Dank- barkeit anspornt. Wenn wir jetzt noch einmal den Ertrag der Verse betrachten, was sie uns vorge- halten und wozu sie uns gebracht haben, dann sieht es doch anders aus: Ich finde, wir dürfen doch sehr froh darüber sein, dass uns die Liebe, die Hoffnung und der Glaube ein Leben eröffnet, das nicht in dieser Welt und der Jagd nach ihren Schätzen aufgeht, sondern hinüberschauen kann in Gottes ewiges Reich. Und ich finde, darüber können wir auch fröhlich sein und das schenkt uns Freude, die mehr ist und besser als alles, was uns irdische, vergängliche Schätze schenken können. Vor allem aber haben wir Grund zur Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns die himmlischen Schätze schenkt und bewahrt, die viel größer sind als alles, was uns die Welt und ihre Schätze bieten kann. So wollen wir heute an diesem Danktag den Dank für die himmlischen Schätze unserem Dank für alle Gaben Gottes auf unseren Feldern und Gärten hinzufügen. AMEN