Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis - 25.8.2013 Textlesung: Mt. 6, 1 - 4 Habt acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. Liebe Gemeinde! Leichter als sonst oft kommen wir durch die Verse, die wir heute bedenken wollen, weg von der Zeit und den Menschen damals, als Jesus über diese Erde ging - hin zu uns selbst. Wir müssen dabei nur drei Wörter in die Sprache unserer Tage übersetzen: Vielleicht sagen wir für „Habt acht auf eure Frömmigkeit...“ - „habt acht auf euer Tun für eure Mitmenschen“, „dass ihr es nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden“. Für „Synagoge“ setzen wir „Kirche“ ein oder vielleicht „Kirchengemeinde. Und statt „Almosen“ sagen wir „Spenden“. - Und schon beginnen die Worte Jesu deutlich auch mit uns zu reden ... oder etwa nicht? Ich hatte schon oft bei dem, was Menschen in der Gemeinde oder auch in der Gesellschaft für an- dere tun, das Gefühl, es ginge dabei doch wohl mehr um den Menschen selbst, der sich da für an- dere einsetzt, als um die, denen er hilft, die er unterstützt oder fördert. Man merkt das z.B. daran, dass der Einsatz für den Mitmenschen schwächer wird und die begonnene Hilfe erlahmt, nachdem eine gewisse Zeit vergangen ist und die Öffentlichkeit der Gemeinde oder Gesellschaft sich sozu- sagen an die guten Taten gewöhnt hat. Es fehlt der lange Atem, der sich nicht aus der Beachtung von außen, sondern nur aus dem eigenen Herzen speisen kann. Oder man sieht es eben daran, dass ein Spender sichtbar oder hörbar darauf aus ist, dass die Leute seine Wohltaten nur ja gebührend wahrnehmen und würdigen. Sollen wir, die das bei anderen sehen und spüren, diese Menschen dann rügen, dass sie so sind und sich so deutlich anders verhalten als Jesus es seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern empfiehlt? Drei Gedanken sprechen dagegen: Einmal müssen wir aufpassen, dass wir nicht andere dessen be- zichtigen, was auch uns selbst gar nicht so fremd ist. Dabei nämlich würden wir selbst zu Heuch- lern und zu Leuten, die wir gern mit „Pharisäer“ bezeichnen. Zum zweiten dient das nicht gerade dem Gemeinschaftsgeist und einem guten Miteinander. Wir hätten bald schon keine Freunde mehr und würden als hochmütig und überheblich gelten - auch und gerade dann, wenn wir mit unserer Kritik Recht hätten. Aber das dritte, da bin ich ganz offen, ist für mich das wichtigste Argument dagegen, dass wir die Mitmenschen auf ihr Verhalten ansprechen, das doch nur ihrem eigenen An- sehen dienen soll: Was wäre denn gewonnen, wenn sie ihre Hilfe, die sie ja immerhin tun, einstel- len und ihren Einsatz, den sie - vielleicht um ihrer selbst willen - bringen, aufgeben? Nichts wäre gewonnen, aber viel wäre verloren! Das Ziel kann also nur sein, dass die Menschen selbst ihre Einstellung ändern und der Antrieb zu ihrem Tun aus ihrem Herzen kommt und sie ihre Hilfe um der anderen Menschen willen leisten. - Aber wie soll das gehen? Wir meinen jetzt vielleicht, diese Änderung im Denken und Verhalten der Menschen könnte eben nur im Herzen dieser Menschen selbst entstehen und mit uns anderen hätte das gar nichts zu tun. Ich glaube aber, dass wir durchaus auch gefordert sind, damit eine oder einer lernt, ihr oder sein Herz für andere und damit die echte Nächstenliebe zu entdecken. Ich denke dabei an eine Sache, die wir heute etwas hochtrabend, aber nicht unpassend, mit „Anerkennungskultur“ bezeichnen. Al- lerdings leidet diese „Kultur“ in der Praxis unseres wirklichen Lebens Mangel und Not. Dabei sehnen wir uns alle danach, in dem, was wir tun und wo wir helfen und die Liebe zum Nächsten leben, auch angemessen „anerkannt“ zu werden, was am leichtesten mit einem „Vielen Dank!“ oder „Dankeschön!“ ausgedrückt werden könnte. Aber diese Worte hört man wenig, zu wenig! Und da will ich heute einmal nicht zuerst davon sprechen, wie das bei Ihnen um die Anerkennung anderer und das Danken bestellt ist, sondern ich fange einmal bei der Kirche an und in unserer Ge- meinde: Ob die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Gemeindekreisen und -gruppen und in unserem Kirchenvorstand wohl immer wieder einmal ein Dankeschön bekommen - außer wenn sie aus dem Dienst scheiden? Und wie mag es bei unserem Organisten sein? Ob der hin und wieder gelobt wird, wenn er uns bei einem neuen Lied so begleitet hat, dass wir schnell die Melodie erfassen, so dass wir mitsingen können? Ach und die Kirchendienerin... Wir könnten sie ja jetzt fragen, wann zuletzt jemand bemerkt und dankbar angesprochen hat, wie schön sie immer wieder den Altar und unseren Christbaum an Weihnachten schmückt. Da wir schon einmal dabei sind, will auch ich selbst jetzt aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Es wäre schon schön, wenn wenigstens hin und wieder jemand beim Abschied nach dem Gottesdienst am Ausgang solche Worte finden würde: „Das war aber heute ein schöner Gottesdienst!“ Oder: „Die Predigt heute hat mich wirklich sehr angesprochen!“ Wobei ich anneh- me, dass dem wenigstens hin und wieder auch so ist ... also ich meine, dass Sie hier einen guten Gottesdienst erleben und eine ansprechende Predigt hören konnten - nicht nur von mir selbstverständlich. Da ich nun schon einmal bei mir angekommen bin, will ich auch das noch sagen: Ich fasse mich hi- er - wie immer! - auch an die eigene Nase, wenn wir das jetzt einmal von der anderen Seite her seh- en: Wir hören eben nicht nur selbst zu wenig Lob und Dank - wir geben davon auch den Mit- menschen zu wenig. Mit dem hochtrabenden Begriff von vorhin ausgedrückt: Die Anerkennung- skultur leidet auch durch uns selbst Mangel und Not! Aber ich glaube wirklich, dass der Mangel an Anerkennung, den wir selbst erfahren und empfinden, damit zu tun hat, wie viel Lob und Anerkennung wir den anderen Menschen gönnen. Wenn wir einem anderen, der das ja meist kaum erwartet hat, ein Lob sagen oder ein Dankeschön, wo wir sonst immer geschwiegen haben, dann wird dieser andere ganz gewiss erst staunen und dann darüber nachdenken, ob er nicht demnächst auch einem Mitmenschen, der damit gar nicht rechnet, für das danken sollte, was er tut und wo er anderen oder uns hilfreich ist oder unserer Freude dient. Es braucht einfach einmal eine oder einen, die oder der damit anfängt. Nach und nach werden sicher weitere Menschen aufmerksamer in Sachen Anerkennungskultur werden! Einen ganz wichtigen Gedanken in den Worten Jesu, die wir heute bedenken, habe ich bisher noch gar nicht angesprochen. Ich meine diesen, von dem hier gleich zweimal die Rede ist, nämlich dass uns auch „Lohn“ von „unserem Vater im Himmel“ verheißen ist, der Lohn, den wir verlieren, wenn wir unsere guten Taten nur tun, um „von den Leuten gepriesen zu werden“. Denn dann haben wir, wie Jesus sagt, „unseren Lohn schon gehabt“. Ich bin ganz ehrlich: Ich habe diesen Gedanken um den Lohn unserer Taten bewusst ans Ende der Predigt „verlegt“. Ich finde ihn - um es so auszudrücken - unevangelisch. Denn wir wissen es ja, dass Jesus Christus der einzige ist, der bei unserem himmlischen Vater etwas verdient hat, was Lohnes wert ist, nämlich durch sein unschuldiges Leiden und Sterben für uns und alle Menschen. Trotzdem soll es nicht ganz vergessen werden, dass uns auch ein Lohn versprochen ist, wenn wir nicht aus unserem Streben nach Beachtung und um von den Leuten gepriesen zu werden, denken, reden und Gutes tun. Wer nämlich nicht um des Lohnes Gottes willen für seine Mitmenschen da ist und sich für sie in Hilfe und Beistand einsetzt, der wird diesen Lohn spüren - und er soll ihn auch sehen und beachten! Dieser Lohn ist vielleicht das wunderbare Gefühl, für einen Menschen wichtig zu sein. Oder es ist der Glanz in den Augen eines Kindes, wenn es fühlt: Hier ist jemand, der kann mich leiden, der kümmert sich um mich, der hat es gern mit mir zu tun. Immerhin erfahren Kinder in unserer Gesellschaft ja oft genug, dass sie nicht willkommen oder gar lästig sind. Schließlich ist „Lohn“ auch der Händedruck und der dankbare Blick eines alten Menschen, der uns sagen will, wie sehr er sich freut, dass wir ihm helfen, auch die letzte Lebensphase würdig zu bestehen. Aber auch bei allen anderen Menschen, ob sie jung sind oder alt, kommt echte Nächstenliebe, die in unserem Herzen gewachsen ist, gut an. Sie merken es sehr genau, ob wir dabei um ihretwillen oder für uns selbst handeln, wenn wir ihnen Hilfe, Begleitung in schwerer Zeit oder auch Spenden geben. Es kommt jedenfalls zu uns selbst immer etwas zurück, auch und gerade dann, wenn wir selbstlos für andere da sind. Wenn wir dann noch ein ehrliches Dankeschön und ein unerwartes Lob hören, ha- ben wir verstanden, warum Jesus uns heute sagt: Habt acht auf euer Tun für eure Mitmenschen, „dass ihr es nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden“. AMEN