Predigt zum Sonntag „Exaudi“ - 12.5.2013 Textlesung: Jh. 14, 15 - 19 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. Liebe Gemeinde! Manchmal kommen einem bei einem Text, den man predigen soll, ganz seltsame Gedanken. Sie stellen sich beim Lesen eines besonderen Wortes oder der Erwähnung einer bestimmten Sache ein- fach ein. Meist verwirft man sie dann bald wieder. Manchmal aber geben sie auch wichtige Hin- weise oder Anregungen, wie man den Text erschließen und besser verstehen kann. So war es auch heute. Es war das Wort „Tröster“, das mir sozusagen ins Auge gesprungen ist. Und damit verbun- den hat sich etwas, wovon mir einmal jemand erzählt hat. Übrigens: Zuerst habe ich den Gedanken, von dem Sie jetzt hören sollen, auch verworfen. Aber dann... Das ist es, was mir beim Wort „Tröster“ eingefallen ist: Es gibt in Oberhessen - genauer: im Vogelsberg - eine ganz andere Bedeutung von „Tröster“ als die, von der Johannes hier im Evangelium geschrieben hat. Bei dem Evangelisten ist der „Geist der Wahrheit“ gemeint, aber wir dürfen sicher auch sagen: Gottes heiliger Geist, der an Pfingsten in die Welt gekommen ist. In einigen Vogelsbergdörfern aber heißt „Tröster“ die Feier, an der nach einer Beerdigung meist alle teilnehmen, die zur Bestattung gekommen sind. Die Pfarrerin oder der Pfar- rer lädt nach der Beerdigung noch auf dem Friedhof dazu mit etwa diesen Worten ein: „Die An- gehörigen des Verstorbenen laden alle Trauergäste zum Tröster ins Dorfgemeinschaftshaus oder die Gaststätte Soundso ein.“ Wenn ich nun noch erzähle, dass die besonderen Brötchen (es sind Ei- erwecken - Rosinenbrötchen ohne Rosinen), die der Bäcker nur für diesen Anlass backt, auch „Tröster“ heißen, dann kommen wir dem Grund auf die Spur, warum ich den Gedanken um den „Tröster“ nicht habe fallen lassen: Diese Trösterwecken waren nämlich in früheren Zeiten die Wegzehrung besonders für die auswärtigen Beerdigungsgäste. Sie sollten nach der Beerdigungsfei- er nicht nur getröstet an ihrer Seele, sondern auch leiblich gestärkt den oft langen Weg - meist zu Fuß - nach Haus antreten können. Diese Tröster-Wecken waren also ein ganz handfester Trost, den man essen konnte, der satt machte und von dem man oft noch etwas für den Weg mitbekam. Wenn ich Ihnen jetzt noch sage, dass mit dem Wort (parakletos), das Luther in unserem Neuen Testament mit „Tröster“ übersetzt hat, im Urtext des Johannes „Beistand“ oder „tätiger Helfer“ ge- meint ist, dann verstehen Sie ganz gewiss, warum ich Ihnen von der Feier und den Wecken erzählt habe, die im Vogelsberg Tröster heißen. Der Heilige Geist wird mir verzeihen, aber so ganz deut- lich oder so handfest und sogar nahrhaft erfahren wir ihn heute nur selten. Da war das mit den Wecken doch etwas ganz anderes! Und wenn wir ehrlich sind, dann wünschten wir uns vom „Geist der Wahrheit“, den uns der auferstandene Christus senden lassen will, auch ein wenig mehr Stärkung und wirklich spürbaren Trost, als das, was wir meist über ihn hören und mit ihm erleben. Aber wie soll das gehen? Können wir denn Einfluss darauf nehmen, wie Gottes Geist in der Welt wirkt? Wird er vielleicht spürbarer und handfester, kräftiger und sogar nahrhafter, wenn wir ihn nur recht darum bitten? Wenn wir da an einige Lieder denken, die wir ja auch in der Pfingstzeit in unserer Kirche singen, dann müssen wir sagen: Viele Lieder gehen davon aus, dass auch der Heilige Geist auf unsere Gebete wartet! Nehmen wir zum Beispiel diesen Liedvers: „O Heilger Geist, kehr bei uns ein und lass uns deine Wohnung sein...“ (EG 130,1) Das ist doch wohl ein Gebet! Oder das: „Nun bitten wir den Heiligen Geist um den rechten Glauben allermeist...“ (EG 124,1) Auch das ein Gebet. Und noch diese Zeile zeigt, dass Gottes Geist genauso wie Gottvater und Jesus Christus die Adresse für Gebete war und ist: „O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein...“ (EG 136,1) Wobei sich diese Bitte auch noch genau an den wendet, von dem Johannes spricht: den „Geist der Wahrheit“. - Also: Rechnen wir getrost damit, dass wir auch den Heiligen Geist bitten können, dass er sich deutlicher und machtvoller in der Welt und unserem Leben äußern soll! Wir können aber auch noch etwas anderes tun, als darum zu beten! Denken wir noch einmal an die Trösterwecken. Die haben die Menschen nach der Beerdigung leiblich gestärkt. Und sie wurden ja auch noch auf den Weg nach Hause mitgegeben und es hieß dabei: „Für deine Frau!“ Oder: „Bring den deiner Mutter mit!“ Und ich denke mir, dass von diesen Wecken oft auch wirklich noch etwas bis zu den Angehörigen kam, die nicht mit bei der Beerdigung waren. Dann hat der Mann seiner Frau bei der Heimkehr den Wecken gegeben. Oder der Opa hatte für die Enkel etwas davon aufgehoben. Mag sein, dass dann noch gefragt und erzählt wurde, wie die Bestattung denn gewesen ist, was der Grabtext war und und wie der Pfarrer gepredigt hatte. So ist dann etwas vom „Tröster“ zu Menschen gekommen, die von ihm ursprünglich gar nichts empfangen haben. - Ja, und jetzt wis- sen Sie sicher, wie all die Gedanken, die ich mir über den Tröster gemacht habe, zusammenhängen und worauf ich damit hinauswill: Ich glaube nämlich fest, der Heilige Geist möchte nicht nur uns trösten, sondern uns auch dazu anregen und be-„geistern“, dass wir den Trost oder den Ansporn, den er unserem Glauben, Denken und Handeln gibt, an andere Menschen weitergeben. Dann nämlich kann er auch sie trösten, in ih- rem Glauben stärken und auch sie wieder zu anderen führen, die Trost und Stärkung brauchen. Wenn der Heilige Geist uns also zum Beispiel einen festen, beharrlichen Glauben geschenkt hat, dann soll der in unserem Tun und Lassen, in unserem ganzen Wesen aufstrahlen. So wirkt der Geist Gottes durch uns auch an anderen - deutlich spürbar, handfest. Und wenn Gott uns in einer Welt, in der viele Menschen sich vor Sorgen um ihre Existenz und um die Zukunft verzehren, mit weltlichen Gütern gesegnet hat, dann will sein Heiliger Geist uns zum Teilen bringen, zur Fürsorge für andere, zum Helfen auf irgendeine gute Weise. Auch das ist ganz handfest und so, dass es die Menschen spüren können. Aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten, dass durch uns andere - aber auch wir selbst! - die Kraft des heiligen Geistes Gottes erfahren können: So viele in unseren Städten und Dörfern sind heute ganz unten, abgehängt und außen vor, weil sie keinen Arbeitsplatz bekommen, weil sie fremd in unserem Land, weil sie alt, krank oder behindert sind. Und noch manches andere macht Mensch- en heute zu Außenseitern, die an den Rand der Gesellschaft und oft weit darüber hinaus abgeschoben werden. Uns aber sind viele Gaben geschenkt, diesen Menschen beizustehen: Vielleicht können wir zu Fürsprechern für die werden, die vor lauter Angst um ihre Existenz, vor Kummer wegen ungerechter Behandlung oder Sorge um ihren Arbeitsplatz verstummt sind - wir wissen uns doch gut auszudrücken und fürchten uns auch nicht vor denen, die höher gestellt sind als wir! Vielleicht können wir denen im Umgang mit den deutschen Behörden helfen, die als Migranten und Asylbewerber zu uns gekommen sind. Dass wir ihnen beim Ausfüllen der vielen Formulare helfen oder mit ihnen ein paar Gänge zu den Ämtern machen und dort für sie dolmetschen - wir sind doch sprachlich gewandt und wissen, worauf es in deutschen Amtsstuben ankommt. Es gibt aber auch noch viele nicht so spezielle Dinge, die wir als Menschen an andere weitergeben können, die der Heilige Geist Gottes zuerst getröstet hat: Ein freundliches Gesicht und ein Lächeln zum Beispiel, auch wo uns gar nicht danach zumute ist. Ein gutes Wort hie und da, einfach weil wir wissen, der andere freut sich darüber. Ein Dankeschön für den, der uns etwas Gutes getan hat - das kann auch handfest die Form einer Tafel Schokolade, eines Blumenstraußes oder eines anderen kleinen Geschenks haben. „Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit...“ Liebe Gemeinde, diese Verheißung hat uns Jesus Christus hinterlassen. Zeigen wir es in unserem Leben, unserem Denken, Reden und Handeln ganz handfest, dass dieser Geist in uns ist und dass Jesu Wort an uns wahr geworden ist: „Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.“ AMEN