Predigt zum Buß- und Bettag - 21.11.2012 Textlesung: Offb. 3, 14 - 22 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahr- haftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brau- che nichts! und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Liebe Gemeinde am Buß- und Bettag! Heute ist es besonders interessant, dem Predigttext genauer auf den Grund zu gehen und das, was er mit seiner blumigen Sprache und seinen versteckten Anspielungen sagen will, zu entdecken! Wer ist dieser „Amen“, dessen Botschaft Johannes, der Schreiber der Offenbarung, hier ausrichtet? Wir haben es uns gedacht: Es ist Jesus Christus. Aber warum heißt er „Amen“? Das begreifen wir, wenn wir Amen einmal aus dem Hebräischen übersetzen: „So soll es sein!“, sagen wir eigentlich nach jedem Gebet und am Ende des Gottesdienstes und bestätigen damit, was zuvor gebetet, gesun- gen, in der Liturgie gesprochen und auf der Kanzel gepredigt wurde. Wenn Jesus Christus hier als der „Amen“ bezeichnet wird, meint das also, der Herr, „der so ist, wie er sein soll“, eben der „treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes“, wie Johannes hinzufügt. Und das steht im Widerspruch zu dem, wie die Menschen in Laodicea waren: Nämlich „lau, weder warm noch kalt“ und damit so, dass sie der Herr ausspeien wird aus seinem Mund! Trotzdem sie lau waren und nicht treu bei der Sache Christi und im Glauben an ihn, waren die Lao- diceer wohl doch von sich und ihrer Treue zum Herrn überzeugt, denn sie sagen von sich: „Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!“ Aber sie verkennen damit, wie der Herr sie sieht: Du „weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“ Und jetzt - bevor wir in der Botschaft des Johannes weiterlesen - müssen wir etwas wissen über die Stadt Laodicea: Sie war durch ihr Bankwesen, den Wollhandel und eine Ärzteschule bekannt, darum schreibt Johannes: „Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Au- gensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.“ Jetzt verstehen wir, was die drei Anspie- lungen bedeuten. Mit dem harten, aber doch wunderbaren Wort Christi: „Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige ich“, wollen wir den gewaltigen Sprung von bald zweitausend Jahren bis in unsere Tage tun und uns fragen, ob wir uns das gefallen lassen: Zurechtweisung und Züchtigung durch Je- sus Christus, unseren Herrn - und das aus Liebe? Manchen älteren Menschen unter uns wird jetzt gewiss der Spruch eingefallen sein, den vielleicht unsere Eltern und Groß-Eltern noch oft gesagt und manchmal befolgt haben: „Wer sein Kind liebt, der züchtigt es!“ Dabei waren durchaus auch Stockschläge und andere Gewaltanwendungen ge- meint, die nicht nur Väter und manchmal Mütter, sondern auch Lehrer benutzt haben, störrische o- der renitente Kinder bzw. Schüler und Schülerinnen zur Räson zu bringen. (Vielleicht könnte uns da jetzt auch der eine oder andere ältere Gottesdienstbesucher eine Geschichte dazu erzählen?) Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Kinder zu „Erziehungszwecken“ zu schlagen, ist gesetzlich verboten. Nun kann man aber „Züchtigung“ auch von seinem Wortursprung her verstehen und da ist durchaus nicht nur körperliche Gewalt gemeint: Das Wort, das im Text der Offenbarung zugrunde liegt, bedeutet vielmehr im Hebräischen Unterweisung, aber auch Mahnung und Warnung. Dass von daher auch die körperliche Züchtigung nicht fern liegt, ist sicher richtig. Aber sie muss nicht gemeint sein. Sagen wir also einfach den Satz, den Johannes im Auftrag des Herrn geschrieben hat, so: „Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und ermahne sie.“ Da ist nichts mehr anstößig. Auch dass die Zurechtweisung aus Liebe geschieht, können wir bei unserem Herrn gewiss glauben. Und trotzdem ist das dann ja hart genug, was wir nun auf uns beziehen sollen. Und wäre heute nicht Buß- und Bettag, man würde es sich als Prediger(in) kaum trauen, vor Ihre Ohren zu bringen. Aber gehen wir heute den „Zurechtweisungen“ einmal mutig entlang: „Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Mir fielen dazu die zahlreichen Gelegenheiten ein, bei denen wir uns nicht davon leiten lassen, was wir als Christin oder Christ sagen und tun sollten: Wenn wir den Mund halten, wo wir dem Urteil über einen Menschen entgegentreten müssten, weil einfach nicht wahr ist, was über ihn erzählt wird. Aber wir schweigen, weil wir ja sonst schnell in die selbe Ecke gestellt werden wie der zu Unrecht Verleumdete. Oder wenn wir so handeln, wie es nicht am besten und am christlichsten, sondern am einfachsten ist und wenn wir den Weg gehen, der zwar falsch ist, auf dem wir aber den geringsten Widerstand erwarten dürfen. - Ich glaube, ich muss keine konkreten Beispiele bringen. Wir kennen das alle und wir müssen daher erwarten, was Christus ankündigt: Ich „werde ich dich ausspeien aus meinem Munde!“ Hören wir weiter: „Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!“ Erkennen wir uns hier auch selbst? Waren das nicht auch schon unsere Gedanken: Eigentlich bin ich doch ein ganz guter Christ! Besonders wenn ich mich mit diesem und jenem vergleiche, meinem Kollegen, meinem Nachbarn... Ich glaube an Gott. Ich befolge die Gebote, jedenfalls nach Kräften und meis- tens. Und gemessen an so vielen Zeitgenossen bin ich auch ein guter Kirchgänger, halte mich zu meiner Gemeinde und wenn es etwas zu spenden gibt, bittet man bei mir nicht vergeblich! Ertragen wir da Jesu Urteil: Du „weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“ Ist das jetzt nicht doch ein wenig zu stark?! Andererseits..., was sind wir denn aus uns selbst, wenn wir nur nach dem fragen, wonach uns im Augenblick der Sinn steht, was uns gerade passt, woran wir Interesse haben und wozu uns die Lust treibt? Ist es nicht wirklich so, dass wir ohne Jesu Weisung, ohne in seiner Spur zu bleiben und wenn wir nicht das tun, was er getan hätte, oft so han- deln, dass uns all diese Eigenschaften mehr oder weniger treffend beschreiben: „elend, jämmerlich, arm und blind“? Was jetzt kommt, werden wir ein wenig anders übertragen müssen: „Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie an- ziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.“ Vielleicht spricht es deutlicher und verständlicher mit uns, wenn ich Christi Worte für uns so sage: Ich rate dir, dass du dich an das hältst, was du im Evangelium liest und was dem entspricht, was ich dir vorgelebt und geboten habe und wofür du dich auch in deinem Glauben entschieden hast. Dadurch wirst du innerlich reich werden. So tauschst du dein beflecktes Kleid mit einem weißen und deine Augen sehen klar den Weg, der hinter mir herführt. Vergessen wir nicht, wer hinter all dem steht, was wir hier hören, Jesus Christus. Und vergessen wir nicht, warum er so mit uns spricht: „Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und ermahne sie.“ Was unser Herr bei uns erreichen will, erfahren wir jetzt auch - und da verstehen wir, warum wir dieses Stück aus der Offenbarung am Buß- und Bettag bedenken sollen: „So sei nun eifrig und tue Buße! Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ Vielleicht nehmen wir dieses Bild einmal ganz wörtlich: Unser Herr steht vor unserer Tür. Er möchte (neu) eingelassen werden in unser Leben. Er möchte, wo wir in der falschen Richtung unterwegs sind, dass wir umkehren in seine Nähe und wieder in seiner Spur gehen, auf ihn hören, so tun, wie er getan hätte, die Liebe anderen weiter- schenken, mit der er uns zuerst geliebt hat, Vergebung gewähren, weil er uns vergibt... Bei alledem vergessen wir auch nicht die Verheißung unseres Herrn, die dann für uns gilt: „Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen. Wer überwin- det, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen.“ Sind das nicht, bei allem Ernst und aller Härte der Botschaft, die uns heute Johannes ausgerichtet hat, herrliche Aussichten? AMEN