Predigt zum 15. Sonnt. nach Trinitatis - 16.9.2012 Textlesung: Gal. 5, 25 - 26. 6, 1 - 3. 7 - 10 Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden. Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von ei- ner Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. Liebe Gemeinde! Es ist bei diesem Abschnitt aus dem Galaterbrief gar nicht so leicht, sich von einem bestimmten Vers loszureißen. Sicher ahnen Sie von welchem: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Dieser Vers ist sehr schön und sehr bekannt. Tausende von älteren Ehepaaren hatten ihn als Trauvers. Und auch heute noch wird er oft gewählt, wenn es um einen Spruch geht, der zwei Menschen in und durch ihre Ehe begleiten soll. Aber ich habe mich vom Sog dieses Verses nicht überwinden lassen und will jetzt einmal bewusst über andere Gedanken sprechen, die Paulus uns hier nahebringen will, auch wenn das für manche Ohren recht anstößig klingen wird. Der erste dieser Gedanken hat mit dem Wort zu tun, das der Apostel hier gleich sechsmal benutzt: Geist! Es liegt ihm viel daran, uns zu einem „geistlichen Leben“ zu führen. Wie so ein Leben im Geist und eben nicht im Fleisch, also im Sinne der Welt aussieht, das schreibt er auch: „Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden.“ Wer sich verfehlt hat, den sollen wir wieder „zurechtbringen mit Sanftmut“. Wir sollen nicht „auf das Fleisch säen“, denn sonst wartet am Ende das Verderben auf uns, vielmehr sollen wir „auf den Geist säen“, dann ernten wir das Ewige Leben. Vor allem aber ist unsere Aufgabe in der Welt, Gutes zu tun und dabei nicht müde zu werden, dann steht am Ende unseres Lebens Gottes Ewigkeit. Dieses „auf das Fleisch -“ oder „auf den Geist säen“ ist eine Ausdrucksweise, die wir heute gar nicht mehr gebrauchen. Aber so ganz fremd ist es uns nicht, was hier gemeint ist: Zum „Fleisch“ gehört alles, was der Mensch nur zum eigenen Nutzen und nach dem eigenen Willen tut und wobei er nur auf sein eigenes Können und Vermögen setzt. Mit „Geist“ ist dagegen all das gemeint, was Gottes Wille ist und was im Sinne Jesu Christi getan wird: Eben Gutes tun, andere zurechtbringen und dann auch das, was heute einmal nicht im Mittelpunkt stehen soll: An den Lasten unserer Mit- menschen mittragen! Aber wenn wir jetzt noch einmal nach dem Anfang der Verse sehen, dann erkennen wir, was für Paulus beim „Säen auf das Fleisch“ an erster Stelle steht: „Lasst uns nicht nach eitler Ehre trach- ten, einander nicht herausfordern und beneiden.“ Und hier spüren wir wieder einmal, wie nah uns die Texte des Neuen Testaments kommen und wie deutlich sie auch in unsere Zeit hineinsprechen. Denn Ehrsucht und Neid gehören zu den Dingen, die heute noch genauso wie damals unser Leben bestimmen und mit denen wir in der Politik, der Wirtschaft, im Berufsleben und im Privaten, ja, wirklich überall immer wieder unangenehme Erfahrungen machen müssen. Und das schlimmste da- ran ist wohl das: Auch wir selbst sind nicht frei davon! - Aber ich will das hier nicht nur behaupten, ich will auch konkret werden: Nehmen wir den großen Bereich der Politik in Bund, Ländern und Kommunen einmal als leider sehr gutes Beispiel dafür, wie es auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zugeht. (Dabei sage ich noch dies zuvor: es ist gewiss nicht immer so, aber es geht in unseren Tagen immer häufiger so!) Wie wird einer Minister, Staatssekretär oder Bürgermeister, wie kommt eine in ein politisches Amt? Anders gefragt: Was gibt in einem Menschen überhaupt den Anstoß, sich auf den oft langen Marsch durch die Parteihierarchie zu begeben und sich dann zur Wahl für ein solches Amt zu stellen? Vor Zeiten, vielleicht noch vor 40 oder 50 Jahren hätten wir sicher geantwortet: Diese Leute haben halt das Zeug dazu! Sie wurden lange für das ausgebildet, was sie jetzt erstreben und werden wol- len. Die Menschen in ihrem Amtsbereich in Bund, Land oder Kommune und ihre Wohlfahrt sind ihr Antrieb und ihr wichtigstes Anliegen. Ich sage es noch einmal: Das gibt es sicher immer noch, aber viel häufiger ist es heute doch so: Da ist eine oder einer halt „dran“ gewesen. Vielleicht auch hat jemand ganz oben an der Spitze der Partei geholfen, dass der oder die und nicht irgendein anderer den Posten bekommen hat. Und hinter dem Streben, endlich Karriere zu machen, stand nur zu oft die blanke Ehrsucht - und nicht so hohe Ziele wie dem Wohl der Bürger zu dienen, die einem jetzt in diesem oder jenem Sachgebiet anvertraut sind. Und mit der Einführung in das Amt geht meist eine Zeit neidvollen Wartens zu Ende, in der man immer wieder argwöhnisch und nicht mit guten oder gar anerkennenden Gedanken nach denen geschaut hat, die noch die höhere Leitersprosse blockierten. Und schließlich geht es bei der Besetzung von irgendwelchen Ämtern immer weniger um die Eignung, die einer oder eine aus der Ausbildung oder der früheren Tätigkeit mitbringt. Was dabei herauskommt? Der Mediziner wird Wirtschaftsminister, die Erzieherin leitet das Gesundheitsresort, der Jurist ist für die Umwelt zuständig und eine Physikerin bekommt das Kanzleramt. Und diese Reihe ließe sich beliebig verlängern. Was sagte die Kultusministerin eines Landes einmal auf die Frage, was sie für ihr Ministerium qualifiziert?: „Ich habe schließlich auch Kinder in der Schule gehabt!“ - So gesehen besteht für über 50 % von uns also noch die Chance, Ministerin oder Minister für Bildung und Erziehung zu werden, allerdings müssten wir wohl noch in die richtige Partei eintreten. Ich habe vorhin die Politik als ein „sehr gutes Beispiel“ dafür bezeichnet, wie es auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft zugeht. Dabei ist „sehr gut“ gewiss keine moralische Wertung. Aber in der Wirtschaft ist Ehrsucht und Neid noch einmal ganz besonders deutlich ausgeprägt! Dabei be- ziehen sich diese beiden Untugenden meist auf Positionen, die irgendwie auch mit mehr Geld und mehr Macht ausgestattet sind. Mit anderen Worten: Hier betreten die Menschen das Reich von Gott Mammon, in dem das Einkommen und der damit verbundene Einfluss gelten und sonst wenig. Wie das im Berufs- und Privatleben mit dem Neid und der Ehrsucht aussieht, wissen wir kleinen Leute sicher am ehesten. Wahrscheinlich hat jede und jeder von uns innerhalb der Lebensarbeitszeit schon Erfahrungen damit gemacht: Wir wären gern die Stufe hinaufgestiegen, die mit dem kleinen Gehaltssprung verbunden war. Wie haben wir uns den Abteilungsleiterposten gewünscht, aber ein anderer hat ihn bekommen. Vielleicht auch hat uns jahrelang eine Zurücksetzung gequält und der Gedanke, wir hätten das genauso gut gekonnt wie die, auf die dann die Wahl des Chefs gefallen ist. Da haben wir Bekanntschaft mit dem Neid und dem Streben nach höherer Ehre gemacht. Zugege- ben: Das hat eine andere Qualität als das, was wir mit diesen Untugenden in der Politik oder Wirt- schaft erleben müssen. Aber im tiefsten Grunde unseres Herzens wird es aus den gleichen Quellen gespeist - oder wie Paulus es ausdrücken würde: Da haben auch wir auf das Fleisch gesät und nicht auf den Geist. Und bei „Ehrsucht und Neid“ im Privaten fallen uns allen auch Beispiele ein: Wie kommt das bei uns an, wenn der Nachbar das dickere Auto fährt oder das größere Haus bewohnt. Was geht in uns vor, wenn wir bei der Wahl zum Vorsitz im Verein unterliegen? Wie schwer ist das zu ertragen, wenn der Kollege, der immer die gleiche Arbeit wie wir gemacht hat, mit einer um ein Drittel höhe- ren Rente in den Ruhestand geht? Das soll genug sein. All das ist Säen auf das Fleisch. Und dahinter steht ein Denken, das Paulus mit diesem Satz umschreibt: „Wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.“ Ein harter Satz, hinter dem eine harte Wahrheit steht: Wir sind nichts - aus uns selbst. Wir können nichts - aus dem eigenen Vermögen. Wir bringen nichts fertig - ohne Gottes Hilfe. Ge- wiss, äußerlich betrachtet lebt der Mensch ganz gut, der aufs Fleisch sät. Er macht Karriere. Er steigt auf. steht an der Spitze. Sein Wort gilt etwas. Aber der Preis ist hoch: Freunde hat man immer weniger da oben, dafür werden die Neider immer zahlreicher. Und wo uns selbst Neid und Ehrsucht angekränkelt haben, da wissen wir es auch: Das ist wie ein Krebsgeschwür, das uns befallen hat. Unser ganzes Leben wird davon bestimmt. Oft kann man an nichts anderes mehr denken als an die unerfüllten Wünsche, die Pläne, die sich zerschlagen haben und die Positionen, die wir gern erreicht hätten, aber nicht erreicht haben. Dem allem stellt Paulus das Säen auf den Geist gegenüber. Einfach ist das sicher nicht, aber es ist möglich: Wer auf den Geist sät, der horcht nicht zuerst in sich hinein und fragt nach seinen eigenen Wünschen, sondern der sieht auf den Nächsten und fragt, was der braucht und was ihm nötig ist. Wer so auf den Geist sät, der ist ganz nah an dem, was Gott will, denn der hat uns einander zu Schwestern und Brüdern bestimmt, zu Menschen, die sanftmütig sind, einander zurechtbringen, hel- fen, Gutes tun...und auch füreinander die Lasten des Lebens tragen. Wir werden Neid und Ehrsucht in der Welt der Reichen und Mächtigen, in Politik und Wirtschaft sicher nicht beseitigen können, aber wir können sie in unserem kleinen Lebensbereich zurückdrän- gen und mit Gottes Hilfe überwinden. Uns ist dabei viel verheißen: „Wer auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. [...] Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ AMEN