Predigt zum 8. Sonnt. nach Trinitatis - 29.7.2012 Textlesung: 1. Kor. 6, 9 - 14. 6,18-20 Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben. Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht ge- worden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefan- gennehmen. Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das an- dere zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Lei- be. Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe. Liebe Gemeinde! Wenn wir meinen, das wären doch nun wirklich keine Verse, die uns irgendwie betreffen, dann ir- ren wir! Aber ich will uns ganz langsam an die Wahrheit dieser Verse heranführen und etwas vor- sichtiger als Paulus das tut - der fällt nämlich - das muss man einfach so sagen - mit der Tür ins Haus: „Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. Weder Un- züchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunken- bolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben. Und solche sind einige von euch gewesen. [...] Flieht die Hurerei! [...] Wer Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe.“ Das ist schon einigermaßen hart und gern werden wir es nicht hören wollen und schon gar nicht aufnehmen können, weil es nur unsere Ablehnung hervorruft. Darum will ich es anders versuchen und sicher werden Sie zuerst denken, was ich jetzt sage hätte doch überhaupt nichts mit diesen harten Worten aus dem 1. Korintherbrief zu tun - aber warten Sie ein wenig... Liebe Gemeinde, wie halten wir das mit unserer Zeit, ich meine jetzt nicht die Zeit, die für jeden Tag im Terminkalender eingeteilt und die manchmal viel zu kurz ist, die uns oft drängt, die viel zu schnell vergeht oder uns manchmal vergeudet erscheint... Ich meine unsere Lebenszeit, alle Jahre, Monate, Wochen, Tage und Stunden, die uns von Gott geschenkt sind. Dass sie Gottes Gabe sind, dazu werden wir gewiss alle ja sagen können. Genauso wie er die Pflanzen, Tiere, die Menschen und die ganze Welt geschaffen hat, so hat er auch die Zeit gemacht, die einmal in die Ewigkeit münden wird. Aber dennoch, auch wenn alle Zeit Gottes Zeit ist, haben wir sie doch geteilt und klar unterschieden - die Stunde hier im Gottesdienst zum Beispiel, die Minute des Gebets am Morgen oder Abend, die kleine Weile, die wir dem Lesen der Tageslosung widmen, die haben wir für Gott erübrigt und reserviert. Die restlichen Tage und Stunden der Woche aber, die gehören uns selbst, die gestalten wir, da tun wir, was wir wollen und es redet uns keiner hinein. Vielleicht möchten wir jetzt protestieren, aber wenn wir ganz ehrlich sind, dann müssen wir zuge- ben: Ja, so ist es. Es gibt Zeiten in unserem Leben - und es ist der weitaus größte Teil der Wochen, Tage und Stunden, die uns geschenkt sind - die halten wir frei von dem Gedanken, sie hätten mit Gott zu tun - und wir denken darüber eigentlich gar nicht mehr nach. Es ist, als hätten wir unsere Zeit aus zwei Teilen zusammengefügt: Einem kleinen Teil, der Gott gehört und einem großen, in dem wir allein das Sagen haben. Dabei stimmt nicht einmal das, wenn wir von „zusammengefügt“ sprechen. Denn die beiden Teile bleiben meist feinsäuberlich getrennt, sodass es keine Übergriffe der „Eigentümer“ gibt. Und jetzt sind wir zurück bei den Gedanken und Worten des Paulus über den Leib, denn genauso wie wir unsere Zeit eingeteilt haben, so haben wir auch unseren Leib in zwei Teile unterschieden: Der eine Teil unseres Leibes ist Gottes Schöpfung. Dem hat Gott seine Gestalt gegeben, seine Grö- ße und sein Aussehen. Der ist sozusagen aus Gottes Händen hervorgegangen und unser Schöpfer hat ihm - vielleicht in der Stunde der Geburt - den Odem eingehaucht, wie vor Zeiten dem Adam und der Eva. Oft nennen wir diesen Leib - gut biblisch - den geistlichen Leib und wir sagen von ihm, dass er nur lebt und erhalten wird dadurch, dass Gott ihn beschützt und bewahrt und segnet - wie er es bei unserer Taufe zugesagt hat. Dann aber gibt es auch noch den anderen - ich nenne ihn einmal den weltlichen - Leib. Der gehört uns, wie wir meinen, nicht anders als der größere Teil unserer Zeit. Und dieser andere Leib ist auch der viel größere Teil unseres Körpers und mit ihm gehen wir auch viel mehr und auch viel lieber um. Leider aber oft auch nicht so, dass es zu dem anderen Teil des Leibes, der Gottes Eigentum ist, passen würde. Ich will nun nicht so weit gehen, dass ich über „Hurerei“ rede, der wir mit diesem Leib nachgehen. Ich werde auch niemanden von uns verdächtigen, dass er mit diesem Leib „Unzucht“ triebe oder dass er gar ein „Knabenschänder“ wäre, wie es Paulus manchen Korinthern vorwirft. Aber die ande- ren Dinge, die Paulus nennt, etwa ,,Diebstahl, Geiz und Trunkenheit“, kann ich schon als eine Folge dieser unseligen Teilung unseres Leibes in zwei Teile sehen und beschreiben. Aber dazu müssen wir erst einmal verstehen, worauf der Apostel hinauswill: Für Paulus stehen wir als Ganzes vor Gott! Alles, was wir sind und haben, stammt von Gott und ist von ihm gegeben: Der Leib, der geistliche und weltliche, der ganze Leib, die Seele, der Geist! Es gibt keinen Teil an uns, der nichts mit unserem Verhältnis mit Gott zu tun hätte, der sozusagen ein uns eigener Bereich wäre. Wie es eben auch keine Zeit gibt, die nur mir gehört und in der Gott, im- merhin der Schöpfer der Zeit, nichts zu sagen hätte. Wenn das so ist - und nach einigem Nachdenken werden wir Paulus zustimmen müssen - dann gibt es nichts an uns Menschen, an dem Gott kein Recht hätte. Und wenn das so ist - und es ist nur selbstverständlich, denn Gott hat uns ganz geschaffen und nicht nur Teile von uns - dann hat unser Mitmensch auch das Recht, uns als ganzen Menschen zu beanspruchen, nach Leib, Geist und Seele, denn Gott hat uns für die Gemeinschaft miteinander bestimmt, denn ohne die Gemeinschaft mit an- deren kann keiner leben und sich ihr zu entziehen und nur das Eigene zu suchen und zu betreiben, ist gegen Gottes Willen. - Die Gemeinschaft von uns Christen ist die Gemeinde! Vor diesem Hintergrund spricht Paulus nun von „Diebstahl“, wenn z.B. ein Mensch, der reich ist und viele Güter besitzt, den Armen, die hungern oder darben, ihren Anteil an seinem Hab und Gut vorenthält und - weil er „geizig“ ist - nicht mit ihnen teilen will. Vielleicht denkt dieser Mensch ja, sein Eigentum beträfe nur seinen weltlichen Leib und hätte daher nichts mit seinem geistlichen Leib zu tun. Diese Unterscheidung aber können und dürfen wir nicht machen! Nichts, was wir besitzen, besonders von dem, woran wir Überfluss haben, gehört nur uns allein! Ich weiß, das hört sich für uns direkt „kommunistisch“ an und das ist es vielleicht auch, allerdings in einem guten Sinn. Auf jeden Fall aber ist es christlich - und wir sind Christen! Darum darf es nicht sein, dass wir uns denen entziehen, die - oft ohne eigene Schuld - in Armut leben müssen, nicht genug zu essen haben und gesellschaftlich abseits stehen. Diese Menschen haben einen An- spruch auf die Gaben und Güter, die Gott uns allen zugedacht hat - auch wo wir sie besitzen. Aber kommen wir noch zu einem der anderen Dinge, von denen Paulus spricht: „Trunkenheit“. Trunkenheit steht für mich stellvertretend für alles, was wir unserem Leib - von dem wir meinen, er gehöre doch nur uns - antun. Hier ist alles gemeint, wodurch wir den Leib schädigen, wohl wissend, dass ihm nicht guttut, was wir ihm zumuten: Der Schlankheitswahn ist gemeint genauso wie die Völlerei. Alkohol, Nikotin und Drogen genauso wie der Körperkult, der in unseren Tagen manch- mal schon religiöse Züge trägt. Es geht darum, den Körper, den uns Gott für diese Welt geschenkt hat, nach Kräften gesund zu erhalten, dass er die Aufgaben, wie sie die Gemeinschaft und die Nächstenliebe an uns stellt, erfüllen kann. Nicht aus der Übertreibung in die eine oder andere Rich- tung schöpfen wir dazu unsere Kraft, sondern aus Gottes Fürsorge und seinem Segen. All unsere Zeit gehört Gott und dem Auftrag, den er uns an den Menschen gegeben hat. Unser gan- zer Leib ist von Gott geschaffen, dass wir unsere Aufgaben an den Menschen erfüllen können. „O- der wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.“ Amen