Predigt zum 4. Sonnt. nach Trinitatis - 1.7.2012 Textlesung: 1. Petr. 3, 8 - 17 Endlich aber seid allesamt gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt. Denn „wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die Augen des Herrn sehen auf die Ge- rechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber steht wider die, die Böses tun“ (Psalm 34,13-17). Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nachei- fert? Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; heiligt aber den Herrn Christus in eu- ren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft for- dert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen. Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen lei- det als um böser Taten willen. Liebe Gemeinde! Was Petrus hier von den Christen verlangt, ist ein bisschen viel auf einmal! Sicher haben Sie sich gar nicht alles merken können. Darum will ich es noch einmal in aller Kürze widerholen. So sollen wir Christen sein: gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Das sollen wir tun: Bö- ses nicht mit Bösem und Scheltwort nicht mit Scheltwort vergelten, sondern segnen, die Zunge hü- ten und die Lippen, dass sie nichts Böses reden und nicht betrügen, uns vom Bösen abwenden, dem Frieden nachjagen, uns nicht fürchten, nicht erschrecken, Jesus Christus heiligen, zur Verantwor- tung bereit sein. Und diese Eigenschaften sollen wir haben: Hoffnung, Sanftmut, Gottesfurcht, ein gutes Gewissen, guten Wandel und Leidensbereitschaft. - Wahrhaftig, da haben wir viel zu tun! Aber wie soll ich jetzt darüber predigen? Vor allem, über was davon soll ich sprechen, denn wenn ich jeder dieser Forderungen und Tugenden - es sind immerhin 22! - auch nur einen einzigen Satz widmen würde, käme ich schon auf eine gerade noch erträgliche Predigtlänge. Ob uns das dann al- lerdings weiterbrächte, erscheint fraglich. Was also tun? Nachdem ich eine ganze Weile hin und her überlegt habe, ist mir etwas aufgefallen: Es gibt in die- sem langen Katalog der christlichen Tugenden eine, die steht sozusagen höher als die anderen und sie enthält alle anderen Tugenden, gerade so wie die Farbe Weiß alle anderen Farben des Regenbo- gens enthält! Und die Farbe Weiß passt nun wieder gut zu der Forderung, die mir als die höchste und wichtigste erscheint, nämlich diese: „Heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen!“ Denn Weiß ist ja auch die liturgische Farbe der Sonntage und Feste unserer Kirche, an denen wir beson- ders unseren Herrn Jesus Christus ehren, z.B. an Weihnachten, Ostern und Himmelfahrt. Wenn wir jetzt also darüber nachdenken, wie wir in unserem Leben Christus heiligen, dann sind alle anderen „Farben“ des christlichen Wandels in unserem Nachdenken mit enthalten und alle Forderungen aus dem Katalog des Petrus mit besprochen und wenn wir schließlich unseren Herrn wirklich heiligen, dann sind alle seine Forderungen erfüllt. - Nur, wie geht das? Das wirkt jetzt vielleicht ein wenig vorgestrig und so, als wollte ich einem Verhältnis zwischen Herren auf der einen Seite und Knechten und Mägden auf der anderen das Wort reden, das am Anfang und der Mitte des letzten Jahrhunderts vielleicht noch hie und da gegolten hat, das wir aber, Gott sei Dank, überwunden haben. Ich will nämlich sagen, dass wir „den Herrn heiligen“ vielleicht besser verstehen, wenn wir sagen: „dem Herrn gehören“. Die höchste Forderung aus dem Katalog des Petrus hieße dann: Gehört aber dem Herrn Christus in euren Herzen! Wir wollen jetzt einmal keine Mördergrube aus unserem Herzen machen, vielmehr offen und ehr- lich darüber reden, wie wir das finden, dem Herrn Christus gehören: So spricht man vielleicht in Kindergebeten: „Ich bin klein mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Dazu würde noch gut passen, wenn wir hinzufügten: „Satan soll mich nicht betören, ich will Jesus ganz gehören!“ Zugegeben, das mag ein wenig unbeholfen gereimt sein, aber vom Inhalt her stimmt es zusammen. Auch bei der Konfirmation könnte es in der Ansprache heißen - und das ohne dass Konfirmanden, ihre Eltern und Paten gleich von „altertümlichen religiösen Gedanken“ sprechen: „Heute werdet ihr eingesegnet. Ihr, liebe Jungen und Mädchen sollt jetzt dem Herrn Jesus Christus gehören!“ Bei sol- chen Anlässen und in Kindergebeten darf man so etwas sagen, aber sonst? Ach ja, in der ersten Verliebtheit zu einem Menschen, mit dem wir uns vorstellen können, ein gan- zes Leben zusammenzubleiben, da könnten wir auch noch so reden: „Ich möchte dir für immer ge- hören!“ Oder so: „Mein ganzes Herz gehört dir!“ Aber das ist halt eine Ausnahmesituation und überdies ist es zu einem Menschen gesprochen und meist flaut die Verliebtheit im Laufe der Zeit deutlich ab und wir gehören dann durchaus auch wieder uns selbst, häufig auch irgendwelchen Din- gen, dem Beruf oder unserem Hobby und viel zu oft auch anderen Menschen als unserem Partner. Was ist also davon zu halten, wenn uns Petrus auffordert, „zu dem Herrn Christus zu gehören“? Kann das gelingen, auch noch lebenslang? Was ist dabei anders als in den Gebeten, die wir mit un- seren Kindern hersagen, als bei unseren Reden bei feierlichen Anlässen wie der Konfirmation oder unseren Liebeserklärungen, wenn uns ein anderer Mensch verzaubert hat? Wahrscheinlich werden Sie jetzt erstaunt sein, wenn ich sage: Die Ernsthaftigkeit dabei ist anders, wir können auch sagen: die Verbindlichkeit! Petrus meint ein überlegtes, ein echtes, ehrliches. bin- dendes Versprechen eines Menschen, der Jesus Christus erfahren und kennengelernt hat und der das jetzt wirklich will: zu ihm gehören! Darum sagt Petrus wohl auch dazu: Gehört dem Herrn...in eu- rem Herzen, eben nicht oberflächlich und nur mal so für eine Zeit, sondern aus tiefstem Grund eures Herzens und eurer Seele! - Und das ist ganz und gar nicht so, wenn Kinder ein Gebetchen plappern. Und das ist nicht so, wenn Konfirmanden an Christus gewiesen werden, ihm zu gehören. Und das ist nicht so, wenn Verliebte einem anderen Menschen das Blaue vom Himmel versprechen. Noch etwas ist anders, wenn wir ehrlich und ernsthaft Christus gehören wollen - und auch darüber werden Sie vielleicht staunen: Da kommt etwas zurück - und nicht nur etwas: nein, viel mehr als wir IHM gegeben haben! Wir schenken Christus zwar uns und unser Leben - die wirklich Be- schenkten aber sind wir! Wir haben uns selbst und alles, was wir haben, IHM gegeben - aber wir sind doch dabei nicht ärmer, sondern reicher geworden. - Und das ist nicht durch ein Kindergebet, ein paar feierliche Worte bei der Konfirmation oder durch die Säuselei von Verliebten zu haben. Liebe Gemeinde, was sind das denn für Gaben, die da zurückkommen, wenn wir uns unserem Herrn in die Hände geben und ihm wirklich gehören wollen? - Sehr viel ist das: Neue Gedanken und ein ganz anderes Denken zum Beispiel. Wir beurteilen die Menschen und die Dinge aus einem neuen Blickwinkel. Vielleicht können wir sagen, wir schauen alles mit den Augen Jesu an und mit dem Blick seiner Liebe? Dabei werden wir verständnisvoller als früher, barmherziger und zur Vergebung bereiter. Und auch unser Verhalten, wie wir handeln und entscheiden wird neu und anders: Wir fragen bei allem, was wir tun: Was hätte der, dem ich gehöre, jetzt getan? Welchen Weg wäre er jetzt gegangen, wenn er in meiner Lage wäre? Auch unsere Weltsicht wird anders: Was uns früher wichtig war, wird vielleicht unbedeutend. Was für uns keinen Wert hatte, wird wertvoll und wesentlich. Und der Lebenswandel ändert sich: Wir beschäftigen uns weniger mit Dingen, die weltlich und vergänglich sind und wenden uns mehr dem zu, was geistlich und ewig ist. Aber hinter alldem steht nicht ein großes, vielleicht anstrengendes Bemühen bei uns, vielmehr fällt uns das alles zu wie Geschenke, wie gute Gaben, die wir nicht verdient oder erworben, sondern die ihren Ursprung in der Güte dessen haben, dem wir jetzt gehören: Jesus Christus. Und wir werden spüren, wie ganz anders unsere Beziehung zu unserem Herrn ist, als eine, wie es sie zwischen Her- ren und Knechten noch im vergangenen Jahrhundert gab! Denn die Beziehung zu Christus ist kein Fron um Lohn - nur Freude und Erfüllung. Und noch etwas werden wir spüren - und damit runden sich unsere Gedanken und diese Predigt: Wie selbstverständlich geht uns das sozusagen von der Hand, wie Christen sein sollen: gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Ganz von selbst werden wir Böses nicht mit Bösem und Scheltwort nicht mit Scheltwort vergelten, sondern segnen, die Zunge hüten und die Lippen, dass sie nichts Böses reden und nicht betrügen, uns vom Bösen abwenden, dem Frieden nachjagen, uns nicht fürchten, nicht erschrecken und zur Verantwortung bereit sein, wenn jemand Rechenschaft fordert über unseren Glauben und unsere Hoffnung. Sanftmut, Gottesfurcht, ein gutes Gewissen, ein guter Wandel und Leidensbereitschaft werden unsere Tage begleiten und uns an jedem Morgen neu gewiss machen, dass „dem Herrn Jesus Christus in unserem Herzen zu gehören“ eine Aufgabe ist, die uns nicht überfordert, die uns reich beschenkt, uns Sinn und Erfüllung gibt und uns zum Ziel des Lebens führt. AMEN