Predigt zum 3. Sonnt. nach Trinitatis - 24.6.2012 Textlesung: 1. Jh. 1, 5 - 2, 6 Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns. Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürspre- cher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat. Liebe Gemeinde! Es ist nicht zu überhören: Es geht um die Sünde. Siebenmal ist davon die Rede. Die Worte des Jo- hannes spiegeln eine Auseinandersetzung über die Sünde wider, die zu seiner Zeit offen und heute mehr im Verborgenen geführt wird. Damals gab es Leute (Anhänger der gnostischen Lehre), die meinten, da sie mit Gott verbunden sind und aus dem Licht stammen, könnten sie gar nicht sündi- gen! Heute gibt es Christen, die von sich behaupten, sie wären nicht sündig, da sie doch ihren Glau- ben haben und ansonsten auch ganz ordentlich leben. Damals wie heute verweisen diese Menschen darauf, dass sie nichts Böses tun, keine schlechten Taten begehen, nicht lügen, betrügen oder steh- len und überhaupt die Gebote achten und darum mit Gott im Reinen sind. Johannes aber hat ein ganz anderes Verständnis von Sünde. Wir kommen ihm auf die Spur, wenn wir diese Verse lesen: „Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander...“ Für Johannes ist das eine klare Sache: Wer Gemeinschaft mit Gott haben will, der wird die Gemein- schaft mit den Menschen suchen - und er findet dabei das Leben im Licht. Wer dagegen für sich al- lein glauben und leben will, der schließt sich selbst von der Gemeinschaft mit den Menschen aus und darum auch von der Gemeinschaft mit Gott und wandelt in der Finsternis - und das Leben in der Finsternis ist Sünde. Das hört sich jetzt vielleicht gar nicht so fremd und überraschend an, aber ich glaube schon, dass es das Denken vieler Christinnen und Christen auf den Kopf stellt. Denn nicht mehr die böse Tat, das verletzende Wort, das schlechte Denken sind die eigentliche Sünde, sondern das Leben in der Fins- ternis, außerhalb der Gemeinschaft der Mitchristen, ohne Kontakt mit den anderen, ohne echte Be- ziehung zu ihnen, ohne Mitleid, Mitfreude...allein für sich. In der Finsternis eines solchen Lebens, das nicht die Gemeinschaft mit den anderen Menschen sucht, entstehen dann die Sünden der bösen Taten, der verletzenden Worte und der schlechten Gedanken... Was viele Christen zur Zeit des Jo- hannes glaubten, dass schon die Gemeinschaft mit Gott das Leben im Licht und ohne Sünde bedeu- tet, stimmt nicht! Wenn nicht aus der Gemeinschaft mit Gott die Gemeinschaft mit den anderen Christen entsteht, dann bleiben wir in der Finsternis und damit in der Sünde. Wie gesagt, eine klare Absage an das Denken der Leute damals, die von sich sagten: „wir haben keine Sünde“, nur weil sie sich mit Gott verbunden fühlten. Eine klare Absage aber auch an die Christen heute, die meinen, da sie doch „ihren Glauben haben“ und „ordentlich leben“, könnte ihnen keiner Sünde vorwerfen. Aber es wird Zeit, dass wir noch ein wenig tiefer schauen und so ein Leben näher betrachten, das heute Menschen führen, die allenfalls die Gottesgemeinschaft und nicht die mit den Menschen su- chen. Anders ausgedrückt - und das klingt hart jetzt: Wie leben heute Christen in der Finsternis, oh- ne die Gemeinschaft der Mitchristen - wir könnten auch sagen: Wie leben „Christen“ oder Men- schen, die sich so nennen, außerhalb der christlichen Gemeinde? Um es gleich zu sagen: Es ist kein schreckliches, unerträgliches Leben, in dem man großes Leid empfindet, oder sich auch nur dessen bewusst ist, auf einem falschen Weg zu sein. Vielmehr ist es geradezu das Kennzeichen eines solchen Lebens, dass man es nach und nach gar nicht mehr spürt, wie getrennt von den anderen Christen, wie allein, wie sehr für sich und vielleicht noch für die engsten Familienangehörigen man eigentlich ist. Wenn wir fragen würden, ob diese Menschen daran interessiert sind, wie es ihrem kranken Nachbarn geht, wie die Familie, die schräg gegenüber wohnt, mit dem bisschen Geld von der Fürsorge ihre Kinder durchbringt oder die alte Witwe am Ende der Straße mit ihrer Einsamkeit fertig wird, dann müssten sie ehrlicherweise sagen: „Nein, das interessiert mich nicht!“ Und Nachrichten aus den Hungergebieten der Erde, Meldungen über die Opfer von Naturkatastrophen, Informationen über die Massaker in Syrien oder die Menschenrechtssituation in China interessieren sie schon gar nicht. Vielleicht würden sie ihrer Antwort auf unsere Frage hinzufügen: „Ich habe genug mit mir selbst zu tun.“ Oder: „Ich kann mich doch nicht um alles kümmern! Oder auch - aber bevor sie das sagen, würden sie sicher einen Augenblick zögern: „Jeder ist sich selbst der Nächste!“ Warum sie zögern würden? Weil hier vom „Nächsten“ die Rede ist und das ist ein Begriff, der eindeutig aus dem christlichen Bereich stammt und dabei würde diese Menschen dann vielleicht doch eine Ahnung davon überfallen, dass unsere Nächsten eben auch und gerade die anderen sind - und besonders die, die unsere Hilfe nötig haben und uns brauchen. - Aber wer fragt schon einen Mitmenschen danach, ob er Interesse an diesen oder jenen Nächsten hat? Wer bringt ihn schon dazu, einmal über sich und sein Verhältnis zur Gemeinde und der Gemeinschaft mit den anderen Christen nachzudenken? Darum lebt man eigentlich ganz ruhig und ohne innerlich zerrissen zu sein mit einer solchen Lebenseinstellung. Man hat ganz selbstverständlich das Bewusstsein, den Namen „Christ“ mit Recht zu tragen. Und man denkt von sich, den richtigen Glauben zu haben und eine gute Verbindung zu Gott. Und die Sünde spielt, wie man meint, in einem solchen Leben auch keine Rolle. Da hinein sprechen jetzt die Worte des Johannes: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so be- trügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Und wir könnten diese Worte so fortset- zen: Wenn wir meinen, wir könnten eine Beziehung zu Gott haben, ohne eine Verbindung mit ande- ren Menschen, anderen Christen in der Gemeinde, dann leben wir in Sünde und Finsternis. Aber genug davon. Wie kommen wir heraus aus einem solchen Leben? Wie verlassen wir den Zu- stand der Sünde? Wie treten wir hinüber aus der Finsternis ins Licht? Erst einmal müssen wir es wollen! Das Wollen aber kommt durch das Hören und das Erkennen. Heute hören wir es: „Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemein- schaft untereinander.“ Und so Gott will, erkennen wir: Gott hat uns für die Gemeinschaft miteinan- der geschaffen, nicht für ein Leben allein für uns und jeder für sich. Wir brauchen einander. Die Gaben, die Gott jeder und jedem von uns geschenkt hat, sind auch für die anderen da. Was dem ei- nen fehlt, hat der andere. Was die eine zu viel hat, kann die andere brauchen. Wenn wir nur Augen und Ohren aufmachen, dann werden wir die Not der Mitmenschen sehen und ihre Bitten, auch die unausgesprochenen, hören. Und dann werden wir unser Herz und unsere Hände auftun und werden spüren, was Johannes meint, wenn er von einem Leben im Licht spricht. Und wir werden eine große Freude in diesem neuen Leben empfinden, die nicht zu haben ist, wenn wir nur bei uns bleiben und alles, was uns gehört, ängstlich sparen. Vielleicht zögern wir noch? Vielleicht denken wir, wir hätten uns doch schon viel zu lang in unse- rem gewohnten Leben eingerichtet und es wäre nicht möglich neu anzufangen? Hören wir doch, was Johannes sagt: „Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ Ein Leben in und für die Ge- meinschaft ist möglich! Für jede und jeden von uns. Die Finsternis zu verlassen und ins Licht zu treten, ist mit Gottes Hilfe ganz einfach. Wir müssen uns dazu nicht mühen, denn es ist allemal nicht unser Verdienst. Verlassen wir uns auf die Treue und Güte Gottes. Er sieht auf seinen Sohn Jesus Christus, der uns von unserem Leben in Sünde und Finsternis erlöst hat. Von ihm sagt Johannes: „Das Blut Jesu ... macht uns rein von aller Sünde.“ Wir wollen ihm dankbar sein. AMEN