Predigt zum Sonnt. „Jubilate“ - 29.4.2012 Textlesung: 2. Kor. 4, 16 - 18 Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Liebe Gemeinde! Es ist schon ein wenig seltsam: Einerseits feiern wir heute den Sonntag mit dem Namen „Jubilate“, was ja zu Deutsch nichts anderes heißt als „Jubelt!“, Jubiliert!“ oder freier übertragen: „Freut euch!“. Andererseits geht es in den Versen, die uns heute zu bedenken aufgegeben sind, eher um weniger fröhliche Dinge wie Müdewerden, Verfall und Trübsal. Wie passt das zusammen? Und vor allem: Was gibt es da zu jubeln? Und stimmt denn das, was Paulus uns hier schreibt: „Darum werden wir nicht müde; [...] wenn auch unser äußerer Mensch verfällt...“ Nun ja, vielleicht ist es nicht immer Müdigkeit, aber schön und zum Freuen ist es doch wirklich nicht, wenn wir an uns die Spuren der Vergänglichkeit entde- cken und wenn die auch noch Tag für Tag deutlicher sichtbar werden. Wir hören davon auch gar nicht so gern, deshalb will ich diese Spuren hier nur andeuten: Auf einmal zeigen sich Falten, wo die Haut früher glatt war. Irgendwie sind die Muskeln nicht mehr so straff wie früher. Um die Mitte wird man runder und fülliger und hat große Schwierigkeiten, die aus der Jugend gewohnte Form zu halten. Und jeder von uns hat da noch seine ganz eigenen Probleme und das entsprechende Missfal- len an den körperlichen Veränderungen, die sich einstellen. Und da sollen wir jubeln und fröhlich sein? Und wenn es in den Versen so weitergeht: „...wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“, dann kann uns das auch nicht gleich trösten, denn auch hier haben wir unsere Zweifel und oft ganz andere Erfahrungen: Der körperliche Verfall, dass unse- re Kräfte nachlassen und wir uns mehr und mehr als unansehnlich empfinden, kann uns schon sehr beschäftigen und unsere Lebensfreude trüben! Je mehr einer oder eine beim Älterwerden den Kör- per durch Pflege und Sport in guter Verfassung zu halten versucht hat, umso mehr wird er oder sie leiden und traurig sein, wenn dann doch die Zeichen des Alterns nicht mehr zu übersehen und zu verbergen sind. Und es ist wohl auch eine Zeiterscheinung, dass die äußerlichen Dinge um unseren Körper und unser Aussehen immer wichtiger werden und für uns immer mehr bedeuten. Da kann es leicht geschehen, dass wir gar nicht mehr sehen wie „der innere Mensch von Tag zu Tag erneuert wird“. Aber das ist wirklich so - und wir erfahren es täglich: Nicht nur die Sonne geht jeden Morgen wieder auf, auch unsere Energie, die am Vortag ganz verbraucht war, kehrt zurück. Häufig ist es sogar so, dass wir uns nach einer Nacht mit einem guten Schlaf noch viel frischer füh- len als am Tag zuvor. Und - auch das können wir erfahren! - so geht es oft bis ins hohe Alter. Si- cher gibt es körperliche Einschränkungen: Die Beine wollen nicht mehr so. Die Haut und die Mus- keln werden schlaffer, Falten und Polster treten an auf Stellen, wo sie nicht hingehören. Wir werden vergesslicher und unser Denken wird langsamer. Aber das, was Paulus vielleicht Lebenskraft genannt hätte, wird wirklich jeden Tag neu. Und dabei - wenn wir nur mehr darauf achten - stellt sich auch immer wieder eine gewisse Lebensfreude ein - trotz mancher Beschwerden und zunehmender körperlicher Schwäche und trotz aller Spuren des Verfalls unseres irdischen Leibes. Für Paulus ist das ein Stück Auferstehung, das wir da täglich erleben, Auferstehung schon hier und heute: Der Körper verfällt zunehmend und unaufhaltsam, innerlich aber wächst die Kraft und die Freude, die uns einst in Gottes neuer Welt auf ewig erfüllen wird. Und dem Leid, das verbunden ist mit dem Verfall unseres irdischen Leibes, ergeht es genauso. Je größer es wird, umso mehr bedeutet uns die wunderbare Zukunft, die uns erwartet: „Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlich- keit...“ Dabei kommt es allerdings auf die Sicht an, mit der wir die irdischen Leiden ansehen oder nicht ansehen. Denn die rechte Sicht „...schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herr- lichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.“ Liebe Gemeinde, hier kommt nun der Glaube ins Spiel: Der Glaube als Blick auf das Unsichtbare, weg von allem, was uns in dieser Welt den Mut nehmen will, weg von den körperlichen Verände- rungen und Einschränkungen, weg von den leiblichen Zeichen des Verfalls und den geistigen Be- einträchtigungen, der Blick über die täglichen Beschwerden, über die Sorgen, Ängste und Nöte un- seres hiesigen Lebens hinaus... Der Glaube als Blick in die Weite der Gotteswelt, die uns verspro- chen ist und die uns erwartet durch Jesus Christus unseren Herrn. Und da sind wir noch einmal zurück bei der Tatsache, dass es in dieser Zeit nicht leicht ist, die Au- gen über alles Irdische hinauszuheben und unseren Blick in die Weite der Ewigkeit zu richten. Bei vielen Menschen unserer Tage, besonders aber nicht nur bei den jüngeren Leuten, ist die Pflege und Erhaltung des Körpers längst zum Körperkult geworden, eine Entwicklung, die man an verschiede- nen Begleiterscheinungen ablesen kann: Eine gewisse Bräune, die man sich im Solarium holt, ge- hört dazu. Trendsportarten wie Nordic Walking werden geübt. Die Fitnesscenter haben Hochbe- trieb und man macht nicht mehr einfach Ferien, sondern einen Kur- oder Wellnessurlaub. Eigentlich spricht ja nichts gegen diese Pflege des Körpers! Unser irdischer Leib ist ja auch ein Ge- schenk Gottes und es ist gewiss nicht verkehrt oder gar sündig, wenn wir uns an unserem Körper freuen und uns bemühen, ihn fit und gesund zu erhalten. Aber die Grenze ist schnell überschritten. Und wir selbst merken das oft gar nicht. Schwierig zu sagen, wann und wodurch diese Grenzüber- schreitung geschieht. Aber ich will dazu trotzdem einen Hinweis versuchen: Wenn ich über der Pflege meines Leibes, über der Mühe um die Erhaltung meiner Fitness und Ge- sundheit, über den Gedanken um das Älterwerden und über der Angst vor dem Verfall meines Lei- bes und dem Abbau meiner körperlichen Kräfte gar nicht mehr frei bin daran zu denken, dass ich doch sterblich bin, dass ich einmal von dieser Welt gehen muss, dann habe ich nicht nur einen, sondern schon ein paar Schritte über die Grenze getan! Dann wird es höchste Zeit umzukehren! - Aber wie kehren wir um? Hier ist ein Hinweis, eine Antwort nicht ganz so schwer: Wir müssen wieder oder zum ersten Mal in die Verbindung zu Jesus Christus treten! Mit seinem Leben und Sterben in dieser Welt hat er uns den Weg gezeigt, der durch dieses irdische Leben in Gottes Herrlichkeit führt. In der Beziehung zu ihm, wenn wir in seiner Spur bleiben, finden wir diesen Weg und haben seine Begleitung. Wie wir diese Beziehung halten? Durch das Gebet zum Beispiel: Dass wir ihn fragen, wenn wir an eine Weggabelung kommen, was die rechte Richtung ist, in der wir gehen sollen. Dass wir am Morgen um sein Geleit durch den Tag bitten und am Abend dafür danken, dass er an unserer Seite war. Auch der Gedanke angesichts einer Entscheidung, die wir treffen müssen, „was hätte Jesus jetzt getan?“, kann sehr hilfreich sein, in der Nähe unseres Herrn zu bleiben. Und die Geschichten, die uns im Neuen Testament von Jesus erzählt werden, wollen uns dazu dienen, diese Frage zu be- antworten. Und damit haben wir auch gleich die nächste Möglichkeit genannt, sich von IHM be- gleiten zu lassen: Dass wir nämlich in der Heiligen Schrift diese Geschichten lesen, kennen lernen und bedenken. Zugegeben, besonders aufschlussreich ist der Satz nicht, mit dem die Verse des Paulus heute schließen: „Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ Und doch wird uns hier eine Hilfe gegeben, worauf wir achten sollten, wenn wir an der Hand unseres Herrn den Weg durch unser Leben gehen und an das ewige Ziel gelangen wollen: Wir müssen uns mehr an dem orientieren, was unsichtbar ist! Jesus Christus ist unsichtbar. Der Glaube an ihn ist es auch. Gottes neue Welt ist heute noch unsichtbar für uns. Alles das aber ist ewig und wird bleiben und ist darum ein fester Halt für uns. Ganz anders das, was sichtbar ist. Unser Leib mit all seinen Fähigkeiten und Beschränkungen ist sichtbar. Unsere körperliche Kraft und ihr Verfall ist sichtbar. Alles, was diese Welt ausmacht, das Schöne und das Dunkle, die Sonnen- und die Schattenseite sind sichtbar. Und diese ganze Welt und wir in ihr sind zeitlich und dem Verfall anheimgegeben... Der Glaube aber führt uns vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Zeitlichen in die Ewigkeit und Jesus Christus ist unser Begleiter. An seiner Seite gelangen wir sicher an das Ziel. Wenn das nun nicht doch ein Grund zur Freude und zum Jubeln ist!? AMEN