Predigt zum Karfreitag - 6.4.2012 Hebr. 9, 15. 26b - 28 Und darum ist er auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen, sonst hätte er oft leiden müssen vom Anfang der Welt an. Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus ein- mal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil. Liebe Gemeinde! Sicher kann man darüber streiten, was denn für die Christen der höchste Feiertag wäre: Sieht man nach dem Kirchenbesuch, dann ist es Heiligabend. Bedenkt man, dass der Mensch sterblich ist, dann bekommt Ostern vielleicht die größte Bedeutung. (Wenn Sie mich fragten - mich, als evange- lischen Christen - ich würde sagen: „Heute ist der höchste Feiertag!“) Jedenfalls stellt sich uns Christinnen und Christen die Frage nach diesem „obersten Festtag“ immer wieder einmal. Wenn wir in dieser Zeit und besonders in diesen Tagen Gespräche über Glaubensfragen führen, wird das oft deutlich: Viele Menschen sind unsicher, wo eigentlich der Kern ihres Glaubens liegt, was für sie das Wichtigste an der biblischen Botschaft ist. Diese Unsicherheit wird noch verstärkt dadurch, dass wir umgeben sind von Menschen anderer Religion, Konfession und Mitgliedern von Gemein- schaften und Sekten. Darum muss jeder - der überhaupt über seinen Glauben nachdenkt - sich selbst ganz gewiss irgendwann einmal fragen: „Was glaube ich eigentlich? Was ist mir das Wichtigste dabei, wenn ich sage, ich bin eine Christin, ein Christ?“ (Meine Ansicht habe ich eben schon angedeutet: Karfreitag ist der wichtigste Tag für meinen Glau- ben. Der Tod Jesu Christi um meiner - ganz persönlichen - Schuld willen, ist das Ereignis, das mich leben und hoffen lässt.) Jede und jeder von uns, ob alt, ob jung, ob überzeugt oder noch zweifelnd wird in seinem Glaubensleben nicht daran vorbei kommen, den Tod Jesu auf ihr, auf sein ganz per- sönliches Leben beziehen, denn die Botschaft dieses Todes ist: Für dich ist er gestorben, damit du leben kannst. Das klingt vielleicht sehr theologisch und gestelzt. Die Verse dagegen, die wir vorhin gehört haben, sagen es handfest und verständlich: Jesus hat sich für uns geopfert. Er hat mit seinem Leben unsere Schuld bei Gott bezahlt. Er hat einmal gelitten, was wir alle hätten leiden müssen. Diese Sprache können wir verstehen. Alle anderen Gedanken, die für unseren Glauben bedeutsam sind, lassen sich von daher entwickeln und begreifen. Nehmen wir drei Fragen, die für uns Christen auch wichtig sind, als Beispiele: Die erste Frage: Müssen wir gute Werke tun? - Vom Karfreitag her betrachtet, wenn wir also glau- ben, dass Jesus Christus für uns gestorben ist, dann ist für uns nichts mehr zu tun: Kein Werk, keine Liebestat, gar nichts! Es gibt nichts mehr zu verdienen! Die Erlösung, das Heil, die Herrlichkeit, die ewige Freude haben wir schon geschenkt bekommen. Dem Opfer Jesu, seinem Verdienst können wir nichts hinzufügen. Er hat genug für uns getan. Er hat uns erlöst. Uns ist vergeben. Das sollen wir glauben. - Nun wird aber der, der das glaubt, gerade gute Werke tun! Warum? Aus Freude und aus Dankbarkeit und um den zu ehren, der ihm alles geschenkt hat! Die zweite Frage: Werden wohl einmal alle Menschen erlöst werden? - Ja, alle - die an Jesus Chris- tus glauben. Und hier ist kein „Für-wahr-halten“ von irgendwelchen Wundern oder Geschichten gemeint. Glaubst du, dass Jesus für dich gestorben ist? So heißt die Frage an jeden einzelnen von uns. Und wenn du dazu ja sagen kannst, dann bist du schon heute auferstanden, mit neuem Leben beschenkt und fähig, so zu werden, wie Gott dich haben will. Jesu Opfer macht dich frei von Schuld. Er tritt für dich ein. Dein Ja zu ihm, schenkt dir das Leben: hier und drüben. - Und wer nicht ja sagt? Der bringt sich um das Geschenk, das Gott jedem anbietet. Die Folgen muss er selbst tragen. Aber warum soll man Nein sagen, wenn einem die Ewigkeit geschenkt wird? Die dritte Frage: Warum ist noch so viel Böses in der Welt, wenn Jesus doch für die Schuld der Welt und aller Menschen gestorben ist, wenn sein Tod die Welt doch schon erlöst hat? - Gott will freie Menschen. Du und ich - wir sollen frei ja zu ihm sagen. Wäre das Freiheit, wenn wir nur gut sein könnten? Viele entscheiden sich gegen Gott. Daher kommt die Bosheit zwischen den Menschen. Daher kommen Krieg und Konflikte zwischen den Völkern. - Aber immer haben Menschen die Wahl gehabt, Gut oder Böse, Liebe oder Hass, Ichsucht oder Brüderlichkeit und sie haben sich für das Böse entschieden. Gott wehrt ihnen nicht. Er möchte freie Menschen. Er will durch Liebe überzeugen, durch die Liebe, die den eigenen Sohn nicht schont. Wir sind wieder zurück beim Karfreitag. Um das Geschehen dieses Tages dreht sich der ganze Glaube wie um seine Mitte. Und mitten in dieser Welt hat Gott das Kreuz aufgerichtet. Ein unüber- sehbares Zeichen. Ein deutliches Zeichen: Ein Balken senkrecht - Gott verbindet sich mit seinen Menschen. Ein Balken waagerecht - er verbindet uns alle durch seine Liebe. Diese Gedanken sind hoffentlich nicht zu fern von unserem täglichen Leben und Denken!? Wenn doch..., sie haben auch eine ganz praktische Seite: Einer, der vom Kreuz Jesu Christi her leben will, lebt unübersehbar anders als andere. Wenn das Kreuz in der Mitte steht, dann hat im Mittelpunkt deines Lebens etwas anderes einfach keinen Platz mehr. Das Interesse nach Macht und Einfluss zum Beispiel. Oder der Wunsch, dir Geld und Güter auf dieser Erde anzuhäufen. Und wenn einer, der ganz offensichtlich nur um das eigene Wohl und den eigenen Bauch kreist, dir nun sagt: „Mein Herr ist Jesus Christus. Ich glaube, dass ich durch seinen Tod erlöst bin!“, dann wird dir das schwer fallen, ihm zu glauben. Sein Glaube müsste doch Folgen haben. Wem wirklich etwas geschenkt wurde, der muss doch auch hergeben und teilen können. Wer zu Christus „Herr“ sagt, ist für andere Herren schließlich einfach nicht mehr frei. Es soll nun nicht so aussehen, als ginge es hier nur um so große Dinge wie Macht, Einfluss und Be- sitz, Dinge, die uns „kleine Leute“ ja doch weniger betreffen. Es ist vielmehr so: Wenn das Kreuz „in der Mitte“ steht, dann hat das noch mit dem kleinsten und unscheinbarsten Lebensbereich zu tun. Es ist diesem Herrn zum Beispiel nicht gleichgültig, ob ich bei meiner Arbeit zuverlässig bin. Es gilt ihm nicht gleich, ob ich in meiner Freizeit nur vor dem Fernseher hocke oder unter die Leute gehe, die mich brauchen. Er schaut auch sehr wohl danach, ob ich in den Tag hinein lebe oder mir hie und da Gedanken über den Sinn meiner Jahre in dieser Welt mache. Er ist für mein ganzes Le- ben gestorben. Er ging ans Kreuz, um mich ganz zu erlösen. Wenn ich ja zu ihm sage, will er mich ganz haben. Halbe Herzen hat er schon genug! „Jein“ sagen schon zu viele! Dann lieber „Nein“, das ist eine klare Sache. Liebe Gemeinde, wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Mitte des Glaubens das Kreuz ist und darum der Karfreitag der wichtigste Festtag, dann könnte diese Sicht uns wohl auch helfen, uns kla- rer von anderen abzugrenzen, die sagen, wir müssten zu unserer Seligkeit noch dies und das tun o- der dieses und jenes lassen. Wenn Christus mit seinem Opfer ein für alle Mal genug für uns getan hat, dann braucht es keine weiteren Bemühungen. Kein Mensch hat nun das Recht, irgendetwas von uns zu fordern, sei es ein Bekenntnis mit den Lippen, sei es ein Erlebnis mit Jesus, sei es eine Bekehrung, eine persönliche Berufung oder sonst irgendetwas, was menschliches Denken ersinnt. Es genügt, dass Jesus für uns gestorben ist. Es reicht aus, wenn wir das glauben. Gott fragt nicht danach, ob wir uns nach einer Bekehrung oder Berufung oder durch die mit dem Glauben gemachte Erfahrung allein auf Christus verlassen - wenn wir’s nur tun!!! Und auch das andere ist unmöglich geworden, wenn wir vom Kreuz her schauen: Es darf keine Rangfolge unter den Menschen geben, die dem Herrn Jesus Christus anhängen. Keiner ist vor dem Kreuz mehr als der andere: der Pfarrer nicht und der Fromme nicht, der geistliche Würdenträger genauso wenig wie die Kirchenvorstehe- rin. Für alle ist Jesus gestorben - das macht uns gleich. Es gibt auch keine Stufen, keine Leiter gott- gefälligen Lebens, die ich erklimmen müsste, die mich, je älter und frömmer ich werde, näher und näher zum Heil brächte. Sag’ ja zu Christus, nimm sein Opfer am Kreuz für dich an - im selben Moment bist du durch den Tod ins Leben gegangen. Und mehr als die Herrlichkeit, die Gott uns schenken will, gibt es nicht zu gewinnen! „Was glaube ich eigentlich?“ Gewiss, das waren heute sehr persönliche Worte. Aber vielleicht hat uns das Nachdenken über die Mitte unseres Glaubens heute auch persönlich weitergebracht? Viel- leicht können wir jetzt verstehen, wenn viele Christen sagen: „Heute ist für uns der höchste Fest- tag!“ Immerhin: Wir bedenken heute den Tod Jesu Christi für die Welt und alle Menschen. Wir hö- ren vom Kreuz als der Mitte dieser Welt. Uns soll dabei deutlich werden: Jesu Tod war ein für alle Mal das Opfer für unsere Schuld. Wir sind jetzt mit Gott im Reinen. Ist das nicht wirklich eine gro- ße, wichtige, wunderbare Botschaft? - Lassen wir uns beschenken! AMEN