Predigt zum Sonntag "Lätare" - 18.3.2012 Textlesung: Phil. 1, 15 - 21 Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: diese aus Liebe, denn sie wissen, daß ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; jene aber verkün- digen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; denn ich weiß, daß mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Bei- stand des Geistes Jesu Christi, wie ich sehnlich warte und hoffe, daß ich in keinem Stück zuschan- den werde, sondern daß frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. Sehen sie, liebe Gemeinde, das macht unsere Predigt so schwierig, ja so aussichtslos: "Das Leben ist ein Dienst für Christus" und "Sterben ist ein Gewinn". Wem können wir denn das nahebringen? Wer könnte denn dazu - ehrlich! - ja sagen? Sicher: In besonderen Zeiten des Lebens wird so gesprochen. Bei der Konfirmation sagt man schon einmal: Wir wollen für die Gemeinde Jesu Christi leben! Wir versprechen's sogar! Aber wer nimmt das so ernst? Und auch das andere kann man schon mal hören: Sterben - ein Gewinn...wenn ein Mensch sehr alt war, wenn er sehr leiden mußte und wenn er dann endlich hat sterben dürfen. Aber sonst? Gar über uns persönlich!? Sterben ist mein Gewinn??? Und dann: Bei aller Hochachtung vor ihrem Glauben - aber was ist unser Leben wirklich? Ein Dienst für Christus, oder nicht vielmehr der Versuch, soviel Glück wie möglich zu erleben, ja, aus den Jahren, die wir haben, herauszuschlagen? Fangen wir doch bei den Konfirmanden an: Wofür lebt ihr? Mal oh- ne Beschönigung. Für einen guten Schulabschluß, möglichst ohne sich dafür verrückt zu machen, ver- steht sich. Dann soll's eine gute Lehr- oder Studienstelle und später eine schöne Arbeit sein, wo man weiterkommt und Aussichten hat. Vielleicht hat mancher von euch auch schon die fernere Zukunft im Auge: Einen Partner finden, mit dem man sich versteht, eine Familie gründen... Wo ist denn da Chris- tus? Ist das etwa Dienst für ihn? Und die mittleren Jahrgänge, wofür leben die? Stehen mitten im Leben. Haben schon viel erreicht. Das Häuschen ist gebaut, oft gar ein Haus... Kinder sind da, die Ehe ist erprobt und hat sich bewährt, man hat sein gutes Auskommen, kann sogar etwas zurücklegen, sich etwas leisten: Urlaub, neues Auto alle 2 Jahre... Man könnte zufrieden sein, ist es aber nicht. Die Wünsche bleiben. Noch dies und das an- schaffen. Das noch werden und jenes noch erreichen. Irgendetwas treibt uns an, immer weiter, vor- wärts... Wohin eigentlich? Und wann haben wir endlich genug? Und - wo ist denn da Christus? Ist das Dienst für ihn? Und die Alten? Wir wollen auch sie nicht vergessen. Wofür lebt ihr? Euch treibt vielleicht nichts mehr voran, jedenfalls nicht so, wie in jüngeren Jahren. Ihr seid zur Ruhe gekommen, wie man das nennt, erwartet nicht mehr allzuviel. Ein bißchen Resignation macht sich langsam breit. In stillen Stunden macht ihr Bilanz: Das habt ihr aus eurem Leben machen wollen - und was ist daraus geworden? Soll man noch einmal rangehen? Noch einen Anfang wagen? Ach nein. Zu spät. Zu alt. Gewiß: Man sollte, man müßte. Schon um der Jungen willen. Sollen sie denn auch die Sackgassen gehen, die wir gegan- gen sind? Man möchte sie doch bewahren. Sie sollen nicht dieselben Fehler machen. Aber - sie hören ja doch nicht auf uns. Was gilt denn die Erfahrung der Alten? Die Jungen werden sagen: Was wollt denn ihr!? Da sind wir doch lieber still, halten unseren Mund, behalten unsre Mahnungen für uns, unsere Warnungen, unseren Rat und unsere Hilfe.- Nur: Wo ist denn da Christus? Ist das Dienst für ihn? Und zu allem Überfluß hören wir jetzt noch: "Sterben ist mein Gewinn!" Das hat wirklich noch ge- fehlt! Wer möchte denn daran überhaupt nur denken?: Die Jungen, die noch soviel vom Leben erhof- fen? Die Menschen in den mittleren Jahren, die soviel erreicht haben und doch nicht satt sind? Oder die Alten, denen der Tod schon so bedrohlich nah ist? Den Gedanken verdrängen wir lieber. Und wenn wir ihn schon - nur für einen Augenblick - zulassen, als "Gewinn" können wir ihn nicht verstehen, wirklich und wahrhaftig nicht! Vielmehr schreckt er uns, erregt unsere Angst, schnürt uns die Luft ab, wenn wir nur darüber sprechen.- Darum sagte ich: Es ist schwierig, ja aussichtslos, so etwas zu predigen: "Das Leben ist ein Dienst für Christus und das Sterben ist ein Gewinn!" Keiner will das hören. Keiner - wenn wir ehrlich sind - will sich darauf einstellen oder gar sein Leben danach ausrichten. Jetzt könnte ich eigentlich von dieser Kanzel steigen. Wir könnten zusammen noch ein Lied singen und dann nach Hause gehen, so wie wir gekommen sind. Unverändert, ohne etwas mitzunehmen, ohne Mut, ohne Kraft, ohne Hoffnung und vor allem, ohne den Willen, unser Leben, unseren Alltag einmal neu zu gestalten. Warum bleibe ich hier oben? Weil ich einen Auftrag habe: Die Worte der Schrift wieder und wieder zu sagen. Eigentlich ist das der Auftrag von jedem hier! Darum sage ich es noch einmal: "Leben ist ein Dienst für Christus!" Und das macht unsere Predigt so hoffnungsvoll und so aussichtsreich, daß da Gottes Auftrag dahinter steht. Wir sollen das predigen. Wir sollen dem Gehör verschaffen. Diese Worte haben die Chance anzukommen, bei dir, bei mir und bei anderen! Wir kön- nen so werden, wie Gott uns sieht und haben möchte! Die Jungen unter uns könnten entdecken: Es ist nicht alles im Leben, seinen Weg zu machen, voranzu- kommen, seine Pläne, Wünsche und Träume zu erfüllen. Vor allem: Was uns die Gesellschaft, die Werbung vorgaukelt ist eine Lüge; der Konsum zum Beispiel. Es macht nicht glücklich, alles zu ha- ben, wovon wir träumen. Es bringt uns nicht die Zuneigung der anderen, höchstens ihren Neid. Das Motorrad macht dich nicht interessanter oder liebenswerter. Der ganze Kram, den du dir leistest, macht dich nur einsam. Die anderen meinen nicht dich, wenn sie von dir schwärmen, sie meinen, was du hast! Dienst für Christus - vielleicht meint das für dich: Diese Dinge durchschauen und dann etwas anderes probieren. Deine Freunde nicht beurteilen nach dem, was sie "bringen" und "haben". Christus hätte ge- fragt, was sie brauchen. Frag' doch auch du einmal so. Hinter der Fassade deiner Kameraden, die mit Mofa und eigener Videoanlage protzen, kommt dann vielleicht einer zum Vorschein, der einmal ein Lob braucht, eine Ermunterung, ein gutes Wort: "Du gefällst mir. Ich finde dich gut!" So könnte "Dienst für Christus" anfangen. Die, in den mittleren Jahren könnten damit beginnen: Mit der Bescheidung. Einmal klar sehen, was man alles erreicht hat. Dann vergleichen. Ach, nicht einmal mit denen in den Ländern der dritten Welt! Auch bei uns gibt's ja arme Leute. Und ich meine auch nicht nur die Güter. Machen wir uns doch deut- lich, was Arbeitsplatz, Familie, Kinder haben, Liebe empfangen und so vieles mehr eigentlich bedeu- tet! Reich sind wir! "Dienst für Christus" könnte wohl heißen: Alles das sehen, ihm dafür danken und dann - teilen!, so weh der Gedanke auch tut. Lassen wir uns doch einmal nahegehen, daß andere so viel entbehren. Wir können helfen, für andere Lebensglück zu ermöglichen. Werfen wir doch von uns, was uns hindert und was wir mit solchen Sätzen ausdrücken: "Was die Leute wohl sagen...eigentlich haben wir ja gar keine Zeit...ob der Hilfe will?" "Anfangen" mußt Du. Anfangen mußt "Du". Alles weitere findet sich. Das könnte "Dienst für Christus" sein. Und die Alten? Sind die wohl auch noch gemeint? - Ist euer Reichtum denn nicht eure Erfahrung? Wollt ihr die für euch behalten? Wie sollen die jungen Leute denn dann wissen, was wirklich wichtig ist im Leben? Was trägt. Womit man alt werden kann. Selbst eure Fehler können Hilfe sein, man muß allerdings davon reden. Ach, die Jungen wollen's doch nicht hören! Sagt ihr's ihnen denn so, daß sie's annehmen können? Liebevoll, werbend, daß sie spüren, hinter diesem Rat, dieser Mahnung, stehen Zuneigung und Wärme. Und sprecht ihnen doch auch von euren Erlebnissen mit Gott: Rettung aus Ge- fahr, unerwartete Freude, Bewahrung in schlimmer Lage... Das wäre nicht der kleinste "Dienst für Christus". Ein Leben, das sich ernsthaft diesem Dienst widmen will, wird auch gelingen. Es wird neben Glück auch Leid geben, aber keine Hoffnungslosigkeit und es wird nie an Sinn mangeln. Der, dem wir dienen sollen, ist uns schließlich vorausgegangen - und nicht irgendwohin, sondern ins ewige Leben, in die Nähe Gottes. Wer ihm wirklich dient, wird dabei viele gute Erfahrungen und Freude erleben und der herrlichen Zukunft Christi immer gewisser werden. Dann kann es schon geschehen daß einer auch das ganz ernsthaft sagt: "Sterben ist mein Gewinn!" Wer möchte denn nicht ganz bei dem Herrn sein, dem er hier schon dient? - Aber fangen wir ruhig, getrost und konsequent mit dem an, was zuerst kommt: "Christus, der ist mein Leben!"