Predigt zum 18. Sonntag nach Trinitatis - 23.10.2011 Textlesung: Mk. 10, 17 - 27 Und als er sich auf den Weg machte, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Gu- ter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. Du kennst die Gebote: „Du sollst nicht tö- ten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.“ Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf. Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hat- te viele Güter. Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden? Jesus aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist’s un- möglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott. Liebe Gemeinde! Die Versuchung ist groß, diese Geschichte gründlich misszuverstehen, so als wollte sie sagen: Reiche Leute können das Ewige Leben nicht gewinnen! Oder volkstümlich ausgedrückt: Wer hi- er in dieser Welt viel besitzt, der wird nicht in den Himmel kommen! Und im Hintergrund dieses Denkens steht auch noch die Meinung: Das wird dann der Ausgleich, ja, die Strafe für die sein, die auf Erden viel hatten, während das von uns selbst ja sicher keiner sagen kann! Wo ist aber jetzt das Missverständnis? Ich glaube, es geht nicht nur darum, dass einer reich ist und deswegen das Heil in Gottes ewiger Welt verfehlt. Dass er reich war, der Mann, der sich hier an Jesus wendet, ist nicht entscheidend. Dass er sich nicht von dem trennen kann, was ihn daran hindert, Jesus nachzufolgen, das ist, worum es geht. Aber weil wir immer so gern daran festhalten, dass hier doch ein Wohlhabender zu Jesus gekommen ist, darum will ich hier noch ein wenig deutlicher werden: Reich sein ist für sich genommen weder gut noch schlecht, sofern der Reichtum redlich er- worben wurde. Ich kann mein Geld und meinen Besitz nun horten, mehren und bewahren, so dass mein Bankkonto immer voller und meine Habe immer größer wird. Dann kann ich irgend- wann mein Testament machen und mein Eigentum meinen Kindern vererben. Die werden sich gewiss freuen. Aber sie stehen wieder vor dem selben Problem, vor dem ich gestanden habe und das könnte man so beschreiben: Besitzen sie das Eigentum und das Geld, das sie geerbt haben oder sind sie davon besessen. Anders gesagt: Tun sie damit, wofür jedes Eigentum immer gedacht und bestimmt ist: fördert es das Leben anderer, die Wohlfahrt der Gemeinschaft, in der wir leben und dient es dem Überleben der Armen, Notleidenden und Hungernden. Oder ist es nur totes Kapital, das mir in Form von Aktien, eines Kontostands oder in Sachwerten eine frag- würdige Sicherheit für mein Leben und meinen Wohlstand vorgaukelt. Denn genau da wird Reichtum schlecht und gefährlich, weil er mich daran hindert, zu einem Nachfolger, einer Na- chfolgerin Jesu zu werden - und das eben geschieht hier in dieser Geschichte. Aber wir wollen jetzt einmal wegkommen von diesen Gedanken, es wäre immer nur der Reich- tum, der uns abhält, unser Leben in der Nachfolge Jesu zu führen. Es gibt noch ganz andere Gründe, warum Menschen es nicht schaffen, dem Wort Jesu zu folgen und seine Hand zu er- greifen: Mindestens ebenso schwer wie betuchte haben es hochmütige Menschen damit! Wer davon ausgeht, dass er sein Leben selbst „machen“ kann, der wird sich nur schlecht auf die Weisung und die Hilfe aus dem Wort unseres Herrn einlassen können. Wer sich wer weiß was auf die eigenen Kräfte einbildet, der erträgt nicht, dass er auch einmal schwach sein kann und al- lein nicht weiter kommt. Und solch ein Mensch passt auch nicht so recht in die Schar derer, die hinter Jesus Christus hergehen, denn die wissen es: Ohne unseren Herrn können wir den richti- gen Weg nicht finden und das Ziel des Lebens nicht erreichen. Und das wollen wir auch noch mit den leicht abgewandelten Worten aus der Geschichte sagen: „Wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Hochmütiger ins Reich Gottes komme.“ Aber es gibt noch weitere Hinderungsgründe für die Nachfolge: Ich denke da an die Menschen, die immer keine Zeit haben, sich um „religiöse Dinge“ zu kümmern. Sie sind immer so bes- chäftigt mit der Karriere und damit, sich etwas aufzubauen. Und sie sind ja auch unentbehrlich am Arbeitsplatz, im Verein, in der Nachbarschaft und in der Familie, da bleibt einfach keine Zeit für die Sache Gottes, den Glauben und das Nachdenken über den Lebenssinn und warum man eigentlich in der Welt ist. Das wird immer wieder vertagt: „Wenn das Häuschen steht!“ - „Wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind“ - „Später, wenn ich alt bin!“ Aber nicht immer erreicht man die Jahre, in denen man sich mit dem Glauben auseinandersetzen wollte. Und auch das gibt es: Nachdem das Häuschen steht, kommt das nächste Ziel dran, das uns beschäftigt. Und „alt“ fühlen wir uns irgendwie auch „später“ nie so richtig. Und so können wir auch hier sagen: „Wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass einer, der nie Zeit hat, ins Reich Gottes komme.“ Und ich könnte noch über die reden, denen einfach das Interesse an geistlichen Dingen fehlt oder über die, denen ein Schicksalsschlag oder der Abschied von einem sehr lieben Menschen den Glauben schwer oder gar unmöglich gemacht hat. Und auch hier würde das gelten: „Wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass einer, der sich nicht für Gottes Sache interessiert oder keinen Glauben hat, ins Reich Gottes komme.“ Aber ich will lieber über die wunderbare und wohl auch nur ganz schwer begreifliche Botschaft sprechen, die gerade in diesen Gedanken liegt: Dass es nämlich unmöglich ist, wenn man nicht in die Nachfolge Jesu Christi eintritt, in Gottes Reich einzugehen und - dass es doch möglich ist! Da ist die Sache mit dem Kamel und dem Nadelöhr... Einiges hat man getan, um dieses klare Bild abzumildern und für uns Christen akzeptabel zu machen: Es wäre ein Übersetzungsfehler! „Kamel“ müsse mit „Schiffstau“ (das klingt im Griechischen so ähnlich) übersetzt werden. Und das „Nadelöhr“ wäre nicht ein Teil einer Nähnadel, sondern das kleine Pförtlein in der Stadtmauer, durch die ein Mensch gerade noch schlüpfen kann. Aber ich glaube, das ist alles Unsinn! Zumal ein „Schiffstau“ wohl genauso wenig durch das Öhr einer Nähnadel passt, wie ein Kamel! Und wer kennt schon ein Stadttor mit solch einem Pförtlein? Nein, das ist schon so ernst gemeint! Allerdings - und das ist das Wunderbare daran - es gilt nur im Bereich des menschlichen Denkens, nicht in Gottes Gedanken, die - wie wir wissen - uner- gründlich und viel tiefer und viel höher sind, als wir uns das überhaupt vorstellen können. Und in Gottes Gedanken - dabei wollen wir im Bild bleiben - weitet sich das Öhr der Nadel, dass ein Mensch doch hindurchpasst! Oder das „Kamel“ wird durch die unwiderstehliche Gnade Gottes so klein, dass es ohne anzustoßen die Enge des Öhrs passieren kann. Aber halten wir fest: Das kann nicht der Reiche, nicht der Hochmütige, nicht der, der keine Zeit für Gott hat und nicht die, die kein Interesse oder keinen Glauben haben erreichen! Das macht allein die Kraft der Gnade Gottes, für die es keine Hindernisse gibt, weder in dieser noch in der ewigen Welt! Was nehmen wir nun mit von dieser Geschichte? Am besten das: Prüfen wir uns heute und im- mer wieder einmal in der Zeit, die uns Gott geschenkt hat, ob wir schon oder noch in der Na- chfolge Jesu Christi leben. Schauen wir dann, ob uns vielleicht der Reichtum, der Hochmut, das Desinteresse oder irgendetwas anderes davon abhält, in der Spur unseres Herrn zu gehen oder zu bleiben. Wenn es so ist, müssen wir nicht verzweifeln. Jeder Tag kann ein neuer Anfang sein in der Nachfolge unseres Herrn. Wir sollten uns allerdings nicht darauf verlassen, dass es am Ende ja doch die unwiderstehliche Gnade Gottes richten wird. Das wissen wir nicht! Den unendlich hohen und tiefen Gedanken Gottes sollte kein Mensch vorgreifen. Gnade, auf die wir uns von vornherein verlassen können, kann es nicht geben. AMEN