Predigt zum 11. Sonntag nach Trinitatis - 4.9.2011 Textlesung: Mt. 21, 28 - 31 Was meint ihr aber? Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg. Er antwortete aber und sprach: Nein, ich will nicht. Danach reute es ihn, und er ging hin. Und der Vater ging zum zweiten Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: Ja, Herr! und ging nicht hin. Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? Sie antworteten: Der erste. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr. Denn Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr’s saht, tatet ihr dennoch nicht Buße, so dass ihr ihm dann auch geglaubt hättet. Liebe Gemeinde! Wir, die wir noch hin und wieder mit den Worten der Bibel in Kontakt kommen, wollen uns das vielleicht nicht eingestehen, aber Geschichten wie diese werden von vielen Menschen unserer Zeit und unserer Gesellschaft nicht mehr auf Anhieb verstanden. Dabei denke ich an junge Leu- te, die - selbst wenn sie konfirmiert sind - oft ganz geringe Bibelkenntnisse mitbringen. Und ich denke an die vielen Erwachsenen, die in Kindheit und Jugend, in Schule, Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht wohl einmal biblische Geschichten gehört, sie aber in den langen Jahren seitdem schlicht vergessen haben. Und die Geschichte „Von den zwei Söhnen“ oder dem „Ja und Nein zum Vater“, wie sie auch heißt, ist zum einen eine weniger bekannte Geschichte, zum andern hat sie auch noch ein paar Klippen, an denen das Verständnis heutiger Menschen scheitern kann. So wird vielleicht an Rhein und Mosel oder in sonst einem Weinbaugebiet unseres Landes das Bild von der „Arbeit im Weinberg“ noch einigermaßen anschaulich sein. Aber dass hier das Le- ben und Handeln für Gottes Sache und nach seinem Willen gemeint ist, hat einer dann noch lan- ge nicht begriffen. Auch ist es sehr fraglich, ob es viele Zeitgenossen sind, die bei „Johannes“ an den Täufer denken. Und man muss schon gar zweifeln, dass ihnen dann in den Sinn kommt, dass Johannes die Menschen zur Buße, also zur Umkehr aufgerufen hat, weil - wie er sagt - das Reich Gottes „nahe herbeigekommen“ ist (Mt.3,2). Schließlich sind auch „Zöllner und Huren“ heute für die meisten Mitmenschen keine Leute, denen sie auf Schritt und Tritt begegnen und ihre Bußfertigkeit ist sicher nicht größer als beim Rest der Bevölkerung. Was ich sagen will: Diese Geschichte müsste in unseren Tagen anders erzählt werden, eben so, dass sie von den Menschen unserer Zeit verstanden werden kann - auch von denen, die nicht so bewandert in der Bibel sind und vielleicht sogar von jenen, die sich nicht einmal Christen nennen würden. Dass uns eine solche Geschichte sicher zunächst befremdlich erscheint, ist dabei zu erwarten. Aber ich frage mich halt immer wieder, wenn ich die wunderbaren Texte der Heiligen Schrift lese oder wie heute vortrage, ist es genug, wenn wir - als mehr oder weniger Eingeweihte - etwas mit ihnen anfangen können? Oder wollen sie nicht auch von denen verstanden werden, die weniger bibelfest und christlich sind? Anders gefragt: Entspricht es nicht auch dem Missionsbefehl, den wir bei jeder Taufe hören, wenn wir mit den wunderbaren biblischen Geschichten auch Menschen für die Sache Gottes zu gewinnen versuchen? Was anderes sollte denn gemeint sein, wenn es bei Matthäus heißt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker...“ (Mt 28,19) Und im Markusevangelium steht es sogar so: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.“ (Mk.16,15) Was liegt also näher, als auch die heutige Geschichte so in unsere Welt und unsere Zeit zu übertragen, dass sie alle unsere Zeitgenossen auch verstehen - und vielleicht befolgen können? Hier ist die Geschichte „Von den zwei Söhnen“ übertragen für unsere Zeit: Kennt ihr das nicht auch: Es gibt Menschen, die sagen auf die meisten Fragen erst einmal immer ja! Ob sie sich allerdings später an ihr Ja halten, ist nicht sicher. Jesus, den die Christen ihren Herrn nennen, hat solchen Menschen einmal eine Geschichte erzählt, die ich jetzt für uns ein wenig verändert wiedergeben will: Ein Mann hatte zwei Söhne und ging zu dem ersten und sprach: „Mein Sohn, du weißt, mir liegt daran, dass du auch im Glauben an Gott vorankommst, dich zur Kirchengemeinde hältst und auch in den Gottesdienst gehst. Du bist schließlich konfir- miert und hast einmal versprochen, dich zur Christengemeinde zu halten. Mach das doch jetzt auch wahr und nimm neu mit deiner Gemeinde Kontakt auf!“ Der Sohn aber sagte: „Nein, dazu habe ich keine Lust!“ Nachdem er aber länger über die Worte seines Vaters nachgedacht hatte, spürte er, dass sein Vater Recht hatte. Er beschloss, einen Versuch zu machen, sich seiner Ge- meinde wieder anzunähern, sprach mit seinem Pfarrer darüber, wo vielleicht Mitarbeiter in der Gemeindearbeit gebraucht würden und ging auch wieder regelmäßig zum Gottesdienst. Der Vater war inzwischen auch zu seinem zweiten Sohn gegangen und hatte zu ihm genauso ge- sprochen wie zu dem ersten. Der aber musste nicht lange nachdenken, antwortete vielmehr so- fort: „Ja, Vater, ich will tun, was du dir von mir wünschst! Aber er tat nichts davon! Jesus hat nun damals gefragt, was er auch uns heute fragen würde, nämlich: Wer von den bei- den hat eigentlich getan, was der Vater wollte? Damals haben die Zeitgenossen Jesu geantwor- tet: „Der erste.“ Und Jesus hat das bestätigt und hinzugefügt: Menschen, die sich gar nicht für besonders fromm, ja, vielleicht sogar für gottlos halten, sind Gott näher als solche, die von ih- rem Glauben und ihrem guten Verhältnis zu Gott nur schön reden. Ihr wisst doch ganz genau, dass es darauf ankommt, wie man den Glauben lebt und was man für Gottes Sache und die Mit- menschen tut. Es gibt viele, die wissen gar nicht viel über den Glauben und über Gott, aber sie handeln doch so, wie es Gott gefällt! Wenn ihr das wisst und begriffen habt, was wichtiger ist: Schön reden oder das Rechte tun, dann solltet ihr euer Leben ändern! Liebe Gemeinde, sicher ist Ihnen aufgefallen, dass ich die Frage an uns, wer von den beiden Söhnen denn den Willen des Vaters getan hat, gar nicht mehr gestellt habe. Das ist ja doch auch völlig klar! Was ich uns fragen will, ist das: Ist es nicht wirklich oft so in ganz weltlichen, alltäg- lichen Dingen, dass die Leute, die uns ja gesagt und etwas versprochen haben, dann ihr Wort nicht halten? Vielleicht, wenn wir noch zur Schule gehen, wollte uns ein Klassenkamerad in Mathematik hel- fen, weil wir die Hausaufgaben allein einfach nicht lösen können. Oder ein Kollege hat uns Er- wachsenen zugesagt, bei unserem Umzug in die neue Wohnung mit zuzupacken und sogar sei- nen Kombi zur Verfügung zu stellen? Oder die Älteren unter uns haben von einem Nachbarn ge- hört, er würde jetzt immer einmal für einen Besuch vorbeikommen, da könnte man doch ein bisschen schwätzen und zusammen Kaffee trinken. Aus all diesen Versprechen ist aber nichts geworden. Wir wissen bis heute nicht warum; es hat uns aber sehr traurig gemacht. Wieviel mehr ist wohl Gott traurig darüber, wenn wir das Ja, das wir ihm gesagt haben, verges- sen und uns an die Versprechen, die wir ihm gegeben haben, nicht halten! Sei es das Ja bei unse- rer Konfirmation oder das vor dem Traualtar. Sei es das Vorhaben, nach der gelungenen Opera- tion, vor der wir so bange waren, unser Leben ganz neu auszurichten oder das, was wir Gott in ungezählten Gebeten geschworen haben, wenn er uns nur schenken will - was er uns dann auch wirklich geschenkt hat! Ich glaube schon, dass Gott die anderen, die es ja auch sehr zahlreich gibt, lieber sind, die ihm nichts versprechen - vielleicht weil sie gar nicht an ihn glauben -, die dann aber doch - aus wel- chem inneren Antrieb auch immer - das tun, was auch Gott von ihnen fordern würde und was ih- ren Mitmenschen hilft und gut tut. Liebe Gemeinde, was ich uns heute mitgeben möchte ist zweierlei: Denen die immer wieder vollmundig und vorschnell Gott und ihren Mitmenschen Versprechungen machen, wünsche ich, dass sie mit ihrem Ja künftig verantwortlicher umgehen: Dass sie sich an ihr Ja gebunden fühlen und es nicht nur sagen, sondern dann auch im Leben umsetzen, sodass sie keinen Menschen ent- täuschen und Gott seine Liebe nicht schlecht vergelten. Den anderen, die das Ja tun, vielleicht ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass es so auch rich- tig ist und Gott gefällt, wünsche ich, dass Gott ihnen auch das Bewusstsein und Verständnis da- für gibt, wie nah sie schon seinem Willen sind und wie klein der Schritt ist, der in ein Leben im Glauben und Vertrauen zum Vater im Himmel führt. AMEN