Predigt zum 9. Sonntag nach Trinitatis - 21.8.2011 Textlesung: Mt. 7, 24 - 27 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß. Liebe Gemeinde! In einer Erklärung zu diesen Versen habe ich folgendes gelesen: „Regengüsse, Wasserfluten und Stürme sind Bilder für das Gericht. Es geht darum, ob der Glaube sich in den endzeitlichen Drangsalen bewähren und im Endgericht bestehen wird oder nicht. Entscheidend dafür wird sein, ob einer sich eingeübt hat in das Tun dessen, was Jesus gesagt hat.“ (SEB 2005/08) Als evangelische Christen sträubt sich da - wenn wir das hören - etwas in uns: Sind wir nicht gewohnt, den Glauben mehr zu betonen als das Tun? Und ist nicht der Glaube ein Geschenk Gottes? Können wir also wirklich mitgehen, wenn hier das Tun für den Ausgang im Endgericht entscheidend sein soll und nicht der Glaube? Um es noch einmal anders zu sagen: Steht hier nicht möglicherweise das Evangelium selbst auf dem Spiel, also die befreiende Botschaft Jesu, dass es allein der Glaube ist, der uns hilft (Lk.17,19) und uns dem himmlischen Vater lieb macht? Und steht nicht auch das in Frage, was später z.B. Paulus schreibt, dass wir vor Gott allein durch unseren Glauben gerecht werden und nicht durch unsere Werke (Röm.4,5)? Ich will Ihnen einmal erzählen, was mir zu diesen Fragen durch den Kopf ging: Der Mann aus der Kirchengemeindeleitung fiel mir ein, der sich immer wieder in den Sitzungen des Kirchenvorstand dafür ausgesprochen hat, dass die Kinder- und Jugendarbeit der Gemeinde unbedingt ausgebaut werden müsste. Womit er übrigens richtig liegt, denn es stimmt ja, was er immer wieder sagt: „Die Jugend, das ist unsere Zukunft!“ Und genau so richtig ist, was er immer wieder hinzugefügt hat: „Die Sache des Glaubens muss weitergehen!“ Das wäre ihm als gläubigem Menschen sehr wichtig! Nur fehlte bei diesem Mann die Bereitschaft, sich in irgendeiner Weise selbst in die Arbeit an der Jugend mit einzubringen. Ja, er war nicht einmal bereit, bei einer Briefaktion mitzutun, in der die letzten fünf Konfirmandenjahrgänge angeschrieben werden sollten. Und kosten durfte das Ganze auch nichts, denn die Gemeinde war ja „nicht so reich“ und es gab ja auch noch andere „wichtige Arbeit“, die getan und bezahlt werden musste! Dann musste ich noch an die Frau denken, die von sich selbst immer wieder gesagt hat, sie wolle überall und zu jeder Zeit zeigen, dass sie eine Christin ist, nicht nur zu Hause, auch im Beruf und wenn sie in der Freizeit mit anderen Menschen zusammenkommt. Wie das zu Hause oder in der Freizeit gewesen ist, kann ich nicht sagen. Aber mir ist durch den Bericht einer Kollegin von ihr zu Ohren gekommen, dass sie an dem schlimmen Fall von Mobbing in ihrer Firma nicht nur be- teiligt, sondern die treibende Kraft gewesen ist. Wegen ihr wurde dann eine der Frauen aus ihrem Büro fristlos gekündigt. Und was über diese Frau erzählt worden war, ist nachweislich nur ein übles Gerücht gewesen. Aber mir kommen durchaus auch die Reden, die Entscheidungen und Taten in den Sinn, die bei uns, bei dir und mir nicht mit unserer Glaubenshaltung übereinstimmen: Wenn wir das eine sagen, aber das ganz andere tun. Wenn wir etwas erst weit von uns weisen, weil es uns falsch und unchristlich erscheint, dann aber doch nachgeben und uns darauf einlassen, weil es uns auf der anderen Seite doch Vorteile bringt oder vielleicht gut bezahlt wird. Schließlich erklären wir auch so manchen Bereich unseres Lebens, etwa unsere freie Zeit, für „moralisches Nie- mandsland“, in dem auch die Gebote Gottes - wenigstens teilweise - außer Kraft gesetzt oder un- gültig sind. Liebe Gemeinde, ob wir uns jetzt hier persönlich wiedererkannt haben oder ob wir solche Beispiele weit von uns weisen und ob das dann gerechtfertigt ist oder wir uns selbst etwas vor- machen... Eines ist sicher: Wir alle empfinden das als nicht in Ordnung, wenn wir christlich re- den und uns dann aber nicht entsprechend verhalten, wenn wir unseren Glauben herauskehren, ansonsten aber Menschen sind, die nicht anders leben als die, die erklärtermaßen keinen Glauben haben, wenn wir Jesus mit den Lippen bekennen, ihn aber dann mit unserem Handeln, mit un- seren Werken, mit dem, was unsere Hände tun und wohin unsere Füße gehen, verleugnen. Und da sind wir jetzt zurück bei den Fragen: Was ist wichtiger, der Glaube oder unser Tun? Und ist es nicht die Mitte des Evangeliums, dass es vor Gott auf den Glauben mehr ankommt, als auf unsere Werke? Ja, werden wir nicht vor Gott allein durch den Glauben gerecht und nicht durch unsere Taten und Verdienste? Was uns die Beispiele, die wir gerade gehört haben, zeigen wollten, war dies - und das haben sie uns auch gezeigt: Reden und Handeln, Glaube und Werke, innere Einstellung und das, was wir dann entscheiden und tun gehören zusammen. Untrennbar! Wenn wir über die Art, das Wesen, den Charakter oder eben auch den Glauben eines Menschen nachdenken, dann können wir gar nicht anders, als darauf zu schauen, was er an Taten vollbringt, wie er sich verhält, wie er mit uns und anderen umgeht und wie er auf uns wirkt. Dann sagen wir vielleicht: Dieser Mensch ist echt oder unecht, er ist mit sich identisch oder unglaubhaft, sein Reden und Handeln, sein Glaube und wie er nach außen hin erscheint sind stimmig oder nicht. Und wenn wir uns selbst betrachten und dabei objektiv sind und auf unser Gewissen hören, dann halten wir es mit uns genauso: Wir können nicht vollmundig von unserem Glauben sprechen und wie lieb wir den Herrn Jesus haben, wenn wir auf der anderen Seite unsere Nächsten bei jeder Gelegenheit nur ausnutzen, bedrücken oder übers Ohr hauen. Das geht einfach nicht, wenn wir uns auch nur ein wenig Selbstkritik und Ehrlichkeit bewahrt haben. Noch einmal: Reden und Handeln, Glaube und Werke, innere Einstellung und das, was wir tun und lassen sind untrennbar verbunden. So lässt sich auch gar nicht sagen, was denn wichtiger wäre: Glaube oder Werke? Und auch das lässt sich nicht klar trennen: Worauf es denn vor Gott mehr ankommt, auf das was wir glauben oder das was wir tun. Denn immer wird der Glaube die entsprechenden Werke nach sich ziehen, nein, besser: bei sich haben! Und umgekehrt: Wenn einer nur böse Taten vollbringt, dann kann er noch so beteuern, er wäre doch aber gläubig und er lebe doch nach Kräften so, wie Jesus es vorgelebt und geboten hat... Er lügt! Und die „Kräfte“, von denen er spricht, setzt er für andere Dinge ein, nicht aber für das Handeln im Sinne Jesu. Liebe Gemeinde, ich denke, Ihnen geht jetzt auch der eine oder andere Bibelvers durch den Kopf, der die Gedanken, die wir eben bedacht haben, nur bestätigen kann. Vielleicht kommt Ih- nen dieser Vers in den Sinn: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ (Mt.7,20) Oder dieser: „Denn es gibt keinen guten Baum, der faule Frucht trägt, und keinen faulen Baum, der gute Frucht trägt.“ (Lk.6,43) Und nicht nur in den Evangelien, auch in anderen neutestamentlichen Schriften ist immer wieder der Zusammenhang von Glauben und Tun ganz selbstverständlich: Hier zum Beispiel: „Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“ (Gal.5,6) Oder hier: „Denn euer Glaube wächst sehr, und eure gegenseitige Liebe nimmt zu bei euch allen.“ (2. Thess.1,3) Sicher haben Sie jetzt aber bemerkt, dass eine Frage noch unbeantwortet geblieben ist, nämlich diese: Ist nicht der Glaube ein Geschenk? Und damit verbunden ist ja noch die Frage, die dabei ganz selbstverständlich im Hintergrund steht: Sind wir also verantwortlich dafür, ob wir glauben können und dann die entsprechenden Werke und Taten hervorbringen? Liebe Gemeinde, ich mache es mir jetzt nicht einfach, vielmehr ist es so einfach: Wir wären gewiss nicht hier, wenn wir keinen Glauben hätten! Wenn uns also der Glaube von Gott ges- chenkt ist, dann wollen wir darauf achten, ob und dass er auch die Früchte treibt, die ganz selbstverständlich zu ihm gehören. Und sollten wir dabei feststellen, dass hier das eine oder an- dere nicht zusammenstimmt, dass manches, was wir tun nicht vor dem, was wir doch glauben, bestehen kann, dann müssen wir nicht gleich an unserem Glauben zweifeln oder gar verzweifeln - dann können wir Gott neu um den rechten Glauben bitten und ich wüsste nicht, warum er uns dieses Geschenk verweigern sollte. AMEN