Predigt zum 1. Sonntag nach Trinitatis - 26.6.2011 Textlesung: Jh. 5, 39 - 47 Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist’s, die von mir zeugt; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben hättet. Ich nehme nicht Ehre von Menschen; aber ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt. Ich bin gekommen in meines Vaters Namen, und ihr nehmt mich nicht an. Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen. Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht? Ihr sollt nicht meinen, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde; es ist einer, der euch verklagt: Mose, auf den ihr hofft. Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben? Liebe Gemeinde! Gewiss, mehr als sonst sind das Worte an die Juden, die nicht auf Mose, also die Prophezeiungen des Alten Testaments hören wollen und die darum Jesus nicht annehmen, der doch im Namen und im Auftrag Gottes zuallererst zu ihnen gekommen ist. Wir wollen aber auch diese Verse als eine Botschaft an uns verstehen, denn wir sind hier nicht weniger gemeint und uns treffen Jesu Worte genauso. Ich glaube, das ist der entscheidende Satz - und er steht auch noch genau in der Mitte dieser Ver- se: „Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen.“ Je- sus stellt das dem gegenüber, dass die Menschen ihn ablehnen, weil er „nur“ im Namen Gottes kommt. Auf andere, die sich selbst groß machen, die nur um sich kreisen und immer auf den ei- genen Vorteil bedacht sind, den eigenen Gewinn und ihr eigenes Fortkommen, auf solche Leute aber fliegen die Menschen, um es einmal salopp auszudrücken. Mir kommt da gleich eine Fülle von Beispielen in den Sinn: Mir fallen die zahlreichen Politiker ein, bei denen ich immer den Eindruck habe, sie sind zwar vom Volk gewählt, aber die Menschen im Land, besonders die Armen und Schwachen, sind ihnen völlig gleichgültig. - Zeigt man ihnen das irgendwie? Bei den Wahlen? Nein, da eben nicht einmal. Zur Wahl, gleich welches Parlament gewählt wird, geht man einfach nicht mehr hin! Dann muss ich daran denken, dass der Niedersächsische Landtag gerade eine Diätenerhöhung für seine Abgeordneten von 205 € beschlossen hat. Die Mehrheit dafür kam ohne Schwierigkeiten zustande. Jetzt bekommen die Landesparlamentarier 5.800 € im Monat. Vielleicht erinnern Sie sich noch, wie lange im Bundestag darüber diskutiert wurde, ob man den Arbeitslosengeld II-Empfängern eine Erhöhung des Regelsatzes von 5 € zugestehen sollte. - Gut, man hat sehr kritische Kommentare dazu in den Zeitungen gelesen, und empörte Leserbriefe hat es auch gegeben. Aber sonst? Demonstrationen sind ausgeblieben. Eigentlich ist schon wieder Gras darüber gewachsen. Und bei der nächsten Diätenerhöhung gibt’s wieder keine Probleme. Und ich denke an viele Stars aus Film, Funk, Fernsehen und dem Sport: Das stört uns eigentlich gar nicht mehr und schon gar nicht empört es uns, wenn ein Schauspieler Millionengagen ein- streicht - eigentlich doch nur, weil er seine Arbeit macht und das vielleicht gut - aber das machen wir andere doch auch! Und es ärgert uns auch nicht, wenn unsere beliebtesten deutschen Renn- fahrer ihre Steuern nicht in ihrem Heimatland, sondern in Liechtenstein oder der Schweiz, auf Guernsey oder den Cayman-Inseln bezahlen bzw. nicht bezahlen. Und wir werden nicht einmal mehr traurig und es vergeht uns nicht der Spaß am ehemals schönen Fußballsport, wenn in Zei- ten, in denen Austragungsorte für Weltmeisterschaften käuflich geworden sind, in denen sich Korruption und Wettskandale häufen und Ablösesummen in zweistelliger Millionenhöhe gezahlt werden, sich auch für die Fußballspieler alles nur noch um Geld zu drehen scheint und von Mannschaftsgeist, von Kameradschaft und Treue zu einem Verein kaum noch etwas zu spüren ist. (Wie hat Sepp Herberger noch zu seiner Nationalmannschaft gesagt: „11 Freunde müsst ihr sein!“) Aber auch im religiösen Bereich, auch unter uns Christen gibt es Menschen, die nicht - auch wenn sie das vorgeben - im Namen Gottes auftreten, wenn sie in Amt oder Ehrenamt in den Kir- chengemeinden predigen, der Gemeinde im Presbyterium vorstehen oder in der Kirchenleitung arbeiten. Oft genug geht es um Selbstdarstellung, um Anerkennung und Ansehen und darum, bei den Gemeindegliedern gut anzukommen. Wie oft kann man darum in unseren Kirchen Predigten hören, die nur noch das sagen, „was die Ohren jücket“, wie Martin Luther das ausgedrückt hätte. Immer häufiger spricht man in Kirchenkreisen auch davon, dass man in der Kirche „Karriere machen“ kann. Es gab Zeiten in unserer Kirche, da kannte man nur eine Bezeichnung für das, was alle in den Gemeinden, Dekanaten, Propsteien. Superintendenturen und Kirchenleitungen taten, das war die Bezeichnung „Dienst“ - und dieses Wort klang nicht nur nach „Dienen“, son- dern es kam wirklich mit Recht davon her und dieser Dienst wurde ausschließlich im Namen Je- su Christi oder im Namen Gottes getan. Aber auch hier ist es so: Es stört uns eigentlich nicht so sehr, schon gar nicht regt es uns auf, wenn uns in der Kirche Menschen begegnen, die nicht um der Menschen oder der guten Sache willen arbeiten, sondern für sich selbst, für das Geld und die höhere Gehaltsstufe und für das Ansehen und den Einfluss, der damit verbunden ist - eben im ei- genen Namen. Und da sind wir zurück bei diesem Wort Jesu: „Wenn ein anderer kommen wird in seinem eige- nen Namen, den werdet ihr annehmen.“ Es geschieht heute sehr viel und wie ich finde immer mehr „im eigenen Namen“, für Einkommen, Macht, Geltung, Karriere und den eigenen Bauch. Und es geschieht heute wenig und wie ich finde immer weniger „im Namen unseres Herrn“, selbstlos, ohne eigene Interessen, ohne etwas daran zu verdienen, Gewinn daraus zu ziehen, nur für die Menschen, die uns als Wähler oder Mitbürger dieses Landes, als Kollegen, Kameraden, Freunde oder Nachbarn, als Gemeindeglieder oder einfach als Nächste und Mitmenschen anver- traut sind. Liebe Gemeinde, ich habe nicht gesagt und ich sage es nicht, dass es nur noch Eigennutz und Selbstbedienung in der Politik, in Film, Funk und Fernsehen, im Sport und in der Kirche gibt. Aber ich glaube, dass die Menschen, die im eigenen Namen in den unterschiedlichen Lebensbe- reichen der Gesellschaft unterwegs sind, in den letzten Jahren immer zahlreicher werden. Und ich sage - und das ist der zweite Vorwurf, den uns Jesu Wort macht: Wir nehmen es immer leichter, immer selbstverständlicher an, wenn die Menschen im eigenen Namen zu uns kommen. Ja, es scheint so, als fänden wir das völlig in Ordnung, wenn diese Menschen nur auf das Ihre bedacht sind und sie können sich darauf verlassen, dass wir sie nicht fragen werden, ob sie ei- gentlich richtig finden, wenn sie nur an sich denken, nur die eigenen Taschen füllen und sich so gar nicht um die sorgen und kümmern, die ihnen und ihrem Dienst anvertraut sind. Darum gibt es in unserem Land auch immer mehr Menschen, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen, die an den Rand gedrängt werden, die sich in sich selbst zurückziehen und - auch bei uns! - immer häufiger in Armut und Not geraten und oft nicht wissen, wovon sie morgen leben und ihre Kin- der ernähren sollen. Ich glaube schon, dass wir solches Verhalten und solchen Umgang mit den schwachen Gliedern unserer Gemeinschaft fördern, wenn wir denen auch noch „Ehre geben“, die, was sie darstellen, was sie sind und besitzen, auf dem aufgebaut haben, was sie anderen vorenthalten. Und oft ge- nug wäre die Sorge für Arme und Schwache auch noch ihre eigenste Aufgabe und ihr Auftrag! Unser Herr Jesus Christus kommt nicht im eigenen Namen, und es geht ihm auch nicht um die eigene Ehre. Uns, seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern, sagt er: Auch ihr sollt nicht im ei- genen Namen denken, reden und handeln, sondern im Namen unseres himmlischen Vaters. Und nehmt auch keine Ehre einer vom anderen, sondern sucht die Ehre, die von Gott ist. Wie gut, dass unser Herr uns dabei nicht droht, uns vielmehr freundlich versichert: „Ihr sollt nicht mei- nen, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde!“ und uns einlädt, zu ihm zu kommen und unser Leben hier und ewig bei ihm zu finden. AMEN