Predigt zum Pfingstsonntag - 12.6.2011 Textlesung: Jh. 16, 5 - 15 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen. Liebe Gemeinde! Was hat der „Tröster“, wie hier der Heilige Geist genannt wird, doch für große Aufgaben: Er wird der Welt die Augen auftun über die Sünde, die Gerechtigkeit und das Gericht. Er wird die Menschen, die Christus zum Herrn haben, in alle Wahrheit leiten. Er wird verkündigen, was zu- künftig ist und Christus verherrlichen und er wird das tun, was hier schon sein Name sagt: Er wird trösten! Wenn wir das so hören, dann denken wir doch ganz gewiss: Wenn der Heilige Geist wirklich all das tut - warum sehen, hören und spüren wir denn heute nur so wenig von ihm und seiner Macht? Eine ähnliche Frage kam neulich in der 4. Klasse einer Grundschule auf. Der Religionslehrer hat den Kindern, nachdem er die Pfingstgeschichte erzählt hatte, folgende Aufgabe gestellt: Malt ein Bild zu Pfingsten, zum Fest des Heiligen Geistes! Sofort - Sie haben es sich gewiss schon gedacht - kam die Frage: „Wie malt man denn den Heili- gen Geist?“, ein Mädchen hatte sie gestellt. Unter dem Gelächter aller Kinder meinte darauf ein Junge: „Na, wie ein Gespenst natürlich ... mit einem weißen Bettuch und Augenlöchern, so mit „Huhu, Huhu!“ in einer Sprechblase.“ Was für uns aufs erste Hören kindisch und albern, ja, viel- leicht sogar ungehörig klingen mag, verdeutlicht nicht nur ein Problem der Kinder: Wie sieht der Heilige Geist aus? Dass man ihn am ersten Pfingsttag damals wenigstens noch hören konnte, erzählt die Pfingstgeschichte. Aber für’s Auge war das nichts. Und für heute schon gar nichts. Und am wenigsten etwas für die Kinder der 4. Klasse, denn die sollten ja nun ein Bild malen. Im Bibelkreis einer Kirchengemeinde wurde dieselbe Frage ein wenig vertieft: „Wie stellen wir uns den Heiligen Geist vor?“ Die erwachsenen Mitglieder dieses Kreises haben sich nicht so sehr darüber ausgetauscht, wie dieser Geist Gottes denn aussieht als darüber, wie und ob wir denn seine Wirkung noch in unseren Tagen spüren und erkennen können? Mit seinem „Wehen“ und „Brausen“, wie es damals beschrieben wurde, war es für die Leute aus dem Kreis allerdings auch nicht so einfach. Sie suchten eher etwas, das wir mit den Augen wahrnehmen können, ähnlich wie die Kinder in der Schule. Und es ist im Grunde ja auch dieselbe Frage, die hinter der Schwierigkeit, ein Bild zu malen und hinter der Suche nach den Wirkungen des Geistes heute, steht: „Weht der Geist Gottes überhaupt heute noch? Ist diese Zeit nicht längst ‘geist-los’? War die Ausgießung des Heiligen Geistes am ersten Pfingsttag vor bald 2000 Jahren nicht vielleicht doch eine einmalige Veranstaltung?“ Noch ein wenig schwieriger und bedrängender werden diese Fragen, wenn wir daran denken, was wir doch auch heute wieder in unserem Glaubenbekenntnis bekannt haben: „Ich glaube an den Heiligen Geist...“ Gesagt ist das ja schnell. Aber was meinen wir, wenn wir das sagen? Da ich Sie jetzt mit diesen Problemen ziemlich überrascht habe, wollen wir es so machen: Wir singen - zum Nachdenken und Besinnen sozusagen - zwei Liedverse aus dem eben begonnenen Lied: „Schmückt das Fest mit Maien...“ Da werden uns nämlich einige „Bildern“ vom Heiligen Geist vor die Augen und die Herzen gestellt. - Nur - helfen die uns, heute? (Gemeindelied EKG 135, 4+5) „Güldner Himmelsregen ... Ströme fließen ... Flammen schlagen ... sanftes Wehen ...“ Wo nur, so fragen wir uns jetzt doch! Und so haben die Menschen aus dem Bibelkreis auch vor Tagen in ihrem Gespräch über diese Dinge gesagt: „Wir müssen diese Bilder wohl irgendwie in unsere Zeit und in unsere Welt übertragen. Wenn es das überhaupt noch gibt, dass der Geist Gottes wirkt, dann muss es heute anders geschehen, stiller, nicht so vor aller Augen und Ohren, mehr im Verborgenen, auf andere Weise vielleicht?“ Um es gleich jetzt zu sagen: Doch, die Mitglieder des Bibelkreis’ können auch nach ihrem Gespräch über Gottes Geist noch beim Glaubensbekenntnis mitsprechen: „Ich glaube an den Heiligen Geist...“ Jawohl, das glauben sie! Aber sie haben festgestellt, dass dieser Geist heute auf andere Art wirkt, leiser, verborgener, vielleicht auch seltener. Denn immerhin: Am ersten Pfingsttag ließen sich ja Tausende taufen, wie wir in der Pfingstgeschichte hören. Und in den Jahrhunderten seitdem ist die Christenheit in der Welt auf weit über 1 Milliarde angewachsen. Heute allerdings geht es nun eher rückwärts. Das hat sicher viele Gründe, auch solche, die mit Gottes Plan und Willen zu tun haben. Fest steht doch aber, dass die Kraft des Heiligen Geistes nachgelassen zu haben scheint, dass sie jedenfalls nicht mehr so viel zustande bringt wie noch vor Zeiten und wie es hier heißt: „Er wird der Welt die Augen auftun über die Sünde, die Gerechtigkeit und das Gericht. Er wird die Menschen, die Christus zum Herrn haben, in alle Wahrheit leiten. Er wird verkündigen, was zukünftig ist und Christus verherrlichen ...“ Liebe Gemeinde, ob das nicht von daher kommt, dass die Menschen - besonders bei uns im Wohlstand der westlichen Welt - einfach zu satt sind und zu wenig der heilsamen Wirkungen des Geistes bedürftig? Vielleicht haben die, die alles haben, dann einfach zu wenig Interesse an Gott und an seinem Geist? Denn immerhin: Wo heutzutage in der Welt getauft wird und Menschen neu zur Gemeinde Jesu Christi hinzukommen, da geschieht das meist in der 3. Welt, den Ländern des Elends und der Armut. Sicher sucht ja einer mehr nach dem Halt des Glaubens, wenn er sonst überhaupt keinen Halt für sein (oft erbärmliches) Leben hat. Und sicher wird sich einer eher auf den Trost des Heiligen Geistes einlassen, wenn er nur alles zu gewinnen und nichts zu verlieren hat. Soweit ist das alles einleuchtend - nur bleibt die Frage: Weht der Geist etwa nur noch bei den Armen dieser Erde - und nicht bei uns? - Das wäre ja nun schrecklich! Die Meinung im Bibelkreis, von dem ich erzählt habe, war darüber geteilt. Aber immerhin ver- traten einige die Ansicht, dass wir doch auch und gerade als Christen in größeren Zeiträumen denken lernen müssten: Wie ist das denn mit Gottes Sache in der Welt immer wieder gewesen? Da hat es doch Jahrhunderte und sogar Jahrtausende gegeben, die ihn ganz anders verstanden und völlig anders an ihn geglaubt haben! Denken wir dabei nur an die Zeit des Alten Testaments. Überhaupt: Wir müssen doch einfach sehen und begreifen, dass es eine Zeit gab, die noch nichts von Jesus Christus wusste. So wie es ja heute viele Weltreligionen gibt, die nichts von ihm wissen und wissen wollen. Das ist nunmal so! Genauso hat es immer wieder Zeiten gegeben, die waren deutlicher von Gottes Geist bestimmt und von seinem Handeln an der Welt und den Menschen. Und es gab auf der anderen Seite auch sehr finstere Zeiten, in denen kein Licht des Geistes geleuchtet hat oder nur ein sehr schwaches. - Vielleicht also sind wir gerade in einer sehr dunklen Zeit, was den Geist Gottes angeht? Das hört sich recht schlimm an, und es ist auch traurig. Aber wir können es nur feststellen und hinnehmen. Aber ich glaube, dass es Gottes Wille ist, der dahinter steht! (Genau so hat es ja auch lange Jahrhunderte in der Kirche gegeben, da war das Evangelium sehr verdunkelt, und es brauchte einen Martin Luther, der seine Flamme neu entzündet hat!) Und vor allem: Es kamen und kommen auch immer wieder andere Zeiten! Wenn wir das jetzt einmal auf diese Zeit und ihre Menschen übertragen, dann können wir sagen: Jawohl, die Wirkungen des Geistes sind heutzutage spärlich. Es scheint, als wären die Menschen dahingegeben an ihren eigenen Willen, der ihnen doch kein Heil und keine Erlösung bringen kann. Sie beschäftigen sich meist mit sich selbst, ihrem Eigentum, dem Geldverdienen, dem Konsumieren, dem Vergnügen und dem Fernsehen. Und sie wollen nichts von Gott wissen oder nur zuzeiten - und wenn, dann nur, um ihre sonst freudlosen Familienfeste zu verschönen. Es ist eine geist-lose, mindestens geist-arme Zeit. Aber - und jetzt kommt die Hoffnung ins Spiel und die Zuversicht und der Mut: Sie spüren es immer mehr, was ihnen fehlt, die Menschen unserer Tage. Sie entbehren den Geist. Sie sehnen sich nach ihm - auch wo sie es gar nicht so recht wis- sen. - Beispiele? Der Lehrer fällt mir ein, der doch „mit Gott fertig ist“, wie er sagt, der aber keine Deutschstunde verstreichen läßt, ohne mit den frömmeren Schülern in die Diskussion religiöser Fragen ein- zutreten. Warum interessiert ihn das so? Auch noch, wenn nicht „Religion“, sondern Deutsch“ auf dem Stundenplan steht? Der Theologiestudent fällt mir ein, der mir erzählt hat, er könne auf keine Party mehr gehen, ohne zu seinem Berufsziel „Pfarrer“ befragt zu werden, warum er das denn studiere und wie man heute überhaupt noch glauben könne... Sagen Sie mir, warum Leute auf einer Party so fragen? Leute, die doch „Theologie studieren“ und „Pfarrer werden“ als brotlose Kunst bezeichnen? Mir sagt das: Da arbeitet auch in unseren Tagen der Heilige Geist - in aller Stille - an den Menschen! Und doch können wir, wenn wir nur hinsehen und hinhören sein Wirken erkennen. Ich persönlich glaube, die Zeit des Dunkels und der Gottesfinsternis geht bald zu Ende. Um so heller wird dann Gottes Geist strahlen. Ich sage das, obwohl noch vieles dagegen spricht, das zu erwarten, so zu denken und zu reden. Aber Sie wissen doch: Hoffnung ist der Vogel, der singt, wenn es noch ganz dunkel ist! Vielleicht ist es noch am ehesten so, wie es auch vorhin im Lied hieß: Der Heilige Geist ist heute ein „sanftes Wehen“... Aber auch mit diesem Wehen bewegt er Menschen - im Geheimen und Verborgenen - aber einst wieder sichtbar und gewaltig. Ich glaube fest daran. Es wird nicht mehr lange dauern; eine neue Zeit des Geistes beginnt! Die Zeichen sind schon allenthalben zu sehen. Vielleicht dürfen wir es noch miterleben, dass dies geschieht: Der Tröster, der Heilige Geist wird der Welt die Augen auftun über die Sünde, die Gerechtigkeit und das Gericht. Er wird die Menschen, die Christus zum Herrn haben, in alle Wahrheit leiten. Er wird verkündigen, was zu- künftig ist und Christus verherrlichen ... AMEN