Predigt zum Sonntag „Exaudi“ - 5.6.2011 Textlesung: Jh. 7, 37 - 39 Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht. Liebe Gemeinde! Ist das kindlich gedacht oder sind wir naiv, wenn wir solche Verse hören, als stünde noch aus, was sie verheißen? - - - Ich merke schon, ich muss deutlicher werden: Nehmen wir das Weih- nachtsfest oder besser den Heiligen Abend. Der erste dieser Abende, an denen der Erlöser der Welt tatsächlich geboren wurde, liegt ja nun über 2000 Jahre in der Vergangenheit. Wenn wir al- so etwa in der Adventszeit sagen, ich freue mich auf Weihnachten, dann ist nicht die leibhaftige Geburt des Herrn mit allem, was uns dazu erzählt wird, gemeint, sondern das Fest, mit Christ- baum, Bescherung und den vielen anderen schönen Bräuchen, das wir heute feiern. Oder denken wir an Karfreitag und Ostern: Wie war das vor Wochen? Haben wir uns darauf ein- gestellt, dass Jesus sterben und am 3. Tag auferstehen wird. Haben wir gar - wie Petrus damals - überlegt, wie Jesus dem Tod vielleicht noch entgehen könnte? Oder war das nicht nur - sofern wir uns den schrecklichen Berichten von Kreuzigung und Tod Jesu überhaupt aussetzen wollten - der Gedanke, sich am Karfreitag wieder einmal an das Geschehen unserer Erlösung von Sünde und Tod durch Jesus Christus zu erinnern und in den Gottesdienst zu gehen. Und was Ostern be- trifft: Wollten wir da die tatsächliche Auferstehung Jesu erleben - oder uns nicht nur den Glau- ben daran festigen lassen? Ich glaube, Sie wissen, was ich sagen will: Immer halten wir mit unseren Feiern zu den Sonnta- gen und besonderen Festtagen unserer Kirche die Erinnerung an Ereignisse wach, die meist weit in der Vergangenheit liegen. Und so eben ist es auch mit dem Pfingstfest, auf das wir zugehen und mit dem Heiligen Geist, der an diesem Tag - vor bald 2000 Jahren - in die Welt gekommen ist. Deshalb müssen wir auch dieses Wort aus der damaligen Zeit heraus verstehen: „Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ Liebe Gemeinde, was wäre denn, wenn wir einmal ausbrechen würden aus diesem Denken? Was wäre denn, wenn wir das einmal wirklich für dieses Pfingsten erwarten: Dass wir den Geist emp- fangen und spüren werden!? Wenn wir uns noch einmal auf Heiligabend besinnen, war und ist da nicht immer wieder auch die Hoffnung in uns gewesen, dass wir eben nicht nur einen schönen Christbaum haben werden, es schöne Geschenke gibt und ein paar stimmungsvolle Stunden im Kreise der Familie? Haben wir uns nicht immer auch nach mehr gesehnt, vielleicht danach, dass Jesus Christus auch in un- serem Herzen geboren wird, dass wir durch und nach dem Heiligen Abend ein wenig mehr aus dem Glauben leben können und in der Nähe des Mannes, der später aus dem Kind in der Krippe geworden ist? Haben wir Jesu Geburt also nicht heute, in unseren Tagen und für uns erwartet? Und wenn wir an Karfreitag denken: Sind wir da nicht auch in die Kirche gegangen, um an die- sem Tag durch die Predigt oder das Abendmahl auch in unserem Leben einen Neuanfang zu ma- chen? Wollten wir da nicht die Erlösung durch Jesu Sterben auch ganz wirklich und persönlich und vor allem: heute empfinden? Und Ostern? Ich bin ganz sicher, dass es zu diesem Fest bei uns neben dem bloßen Erinnern auch den Wunsch gab, dass auch in und für uns ein wenig „Auferstehung“ wahr wird. Vielleicht dass uns einer den Stein vom Grab unserer Hoffnungslosigkeit wegwälzt, dass wir wieder froh und ohne Angst in die Zukunft blicken können? Vielleicht auch, dass wir uns selbst mehr zu- trauen und unser Leben wieder mutig anpacken können. So wäre Auferstehung für uns auch heu- te und für uns persönlich Wirklichkeit geworden. Wenn wir das nun genauso mit diesen Worten und was sie verheißen machten: „Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ Stellen wir uns doch nur einmal einen Au- genblick vor, das stünde noch aus, darauf würden wir am Pfingstfest zugehen: Jesus Christus wird zu Pfingsten dieses Jahres verherrlicht! Der Heilige Geist wird an diesem Tag kommen und wir werden diesen Geist Gottes empfangen! - Und hier frage ich jetzt noch einmal: Ist das kind- lich gedacht oder sind wir naiv, wenn wir das erwarten und uns darauf freuen? Meine Antwort heißt: Nein! Wir haben doch gesehen, diese Gedanken sind im Grunde bei allen Kirchenfesten dabei, dieses Denken, diese Erwartung, diese Hoffnung, dass auch wirklich ge- schieht - hier und heute und für mich persönlich! - was wir an diesem oder jenem Festtag feiern und welcher Dinge wir gedenken. Ja, ich gehe noch weiter: Wenn es wirklich nur so wäre, dass wir uns immer wieder einmal - meist einmal im Jahr - an die Geburt Jesu, an Tod und Auferste- hung unseres Herrn erinnern, dann gäbe es diese Festtage längst nicht mehr! Denn diese Tage sind keine Gedächtnistage - sie sind Ereignistage! Also: Zu Pfingsten, in einer Woche wird das geschehen: Jesus wird verherrlicht, der Heilige Geist kommt zu uns und wir werden ihn empfangen! Wie wird das sein, wie wird das aussehen? Ich denke mir, der einen von uns wird ein ganz neues Lebensgefühl geschenkt. Die ewigen Be- denken, im fortgeschrittenen Alter noch dies oder das anzufangen, werden verfliegen. Vielleicht wird sie die Reise machen, die sie seit Jugendtagen immer vorhatte. Oder sie wird in einen Ge- meindekreis gehen, von dem sie immer glaubte, der ist doch wohl nichts für mich, so fromm bin ich doch gar nicht oder so gemeinschaftsfähig. Am Ende findet sie gar den Weg zu ihrer alten Freundin und sie reicht ihr - nach dem Zerwürfnis vor Jahren - wieder die Hand und sie hat die Gesprächspartnerin wieder, die ihr so lange schon fehlt. Und einem anderen wird der Heilige Geist nie gedachte Gedanken eingeben. Er wird beginnen, in seinem Leben den tieferen Sinn zu suchen und er wird vielleicht spüren, da gibt es eigentlich keine Mitte, keine Richtung und kein Ziel. Aber dann durch Gottes Heiligen Geist - wird er den Faden wieder aufnehmen, der ihm nach der Konfirmandenzeit abhandengekommen ist. Und al- les wird wieder neu werden, was damals verloren ging: Jesus Christus, in dessen Gemeinde er damals hineinkonfirmiert wurde, wird wieder Bedeutung bekommen in seinem Leben. Auch sei- nen Konfirmationsspruch „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl ma- chen!“ wird ihm wieder einfallen und sein Leben bestimmen. Im Gebet, das er neu aufnimmt, wird ihm so mancher Weg seines Lebens als Irrweg deutlich werden und durch die Kraft des Heiligen Geistes wird er neue Wege gehen können, die Richtung und Ziel haben. Uns allen, auch schon den ganz jungen Leuten, wird Gottes Geist gute Einfälle schenken, neue Anfänge und Erfahrungen, die wir nie für möglich gehalten hätten: Wir werden mit Menschen sprechen, mit denen wir früher kein Wort gewechselt haben. Wir werden Entscheidungen treffen zu denen unser Mut immer viel zu klein war. Und wir werden Dinge erleben, die unser Leben bereichern und tiefer und schöner werden lassen. Das alles und noch viel mehr wird der Heilige Geist an uns tun. Wir werden ihn empfangen und spüren. Er wird uns und unser Leben verändern, uns stärken und uns froh und zufrieden machen. Und wir werden empfinden, was wir heute gelesen und gehört haben: „Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trin- ke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Was- sers fließen.“ Und es wird Pfingsten werden - wie damals - zum allerersten Mal! AMEN