Predigt zum Karfreitag - 22.4.2011 Textlesung: Lk. 23, 33 - 49 Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ih- nen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los da- rum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. Als aber der Haupt- mann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles. Liebe Gemeinde! In diesen Versen geht es um die Mitte des Evangeliums und die Mitte unseres christlichen Glau- bens. Der schreckliche Tod unseres Herrn am Karfreitag und seine Auferstehung an Ostern sind die Pfeiler der Brücke, über die wir einmal aus dieser in Gottes ewige Welt gehen werden. Und ich finde, der Glaube daran, dass diese Welt nicht alles ist, die Hoffnung darauf, dass sie nur eine Zwischenstation auf der Reise ins wahre Leben ist, wird angesichts der Ereignisse und Be- drohungen, deren Zeugen wir in den letzten Wochen geworden sind, immer wichtiger. An diesem Glauben haben wir einen Halt, wenn alle Dinge, die uns doch sicher erschienen, zer- brochen sind. Diese Hoffnung macht unsere Schritte durch das Leben fest, auch wenn der Boden unter uns schwankt und sie lässt uns das Ziel, zu dem wir unterwegs sind, nicht aus den Augen verlieren. Was mit der Kreuzigung unseres Herrn beginnt und sich in seiner Auferstehung erfüllt, ist der Ausdruck der wahrhaft gewaltigen Liebe des Vaters zu uns - seinen Kindern. - - - Es geht heute um die Mitte unseres Glaubens. Und genau in der Mitte der Verse, die wir eben gehört haben, stehen Worte, die ich heute zur Mitte dieser Predigt machen will. Das sagt einer der Übeltäter, den sie neben Jesus gekreuzigt haben: „Wir empfangen, was unsre Taten verdie- nen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ „Wir empfangen, was unsre Taten verdienen ...“ So fängt die Erlösung des Übeltäters an. Er erkennt, dass er schuldig geworden ist und er erkennt an, dass er Strafe verdient hat. Wir wissen nicht genau, was seine Schuld war. Wahrscheinlich ist er ein so genannter Zelot gewesen, einer, der Angehörige der römischen Besatzung aus dem Hinterhalt angegriffen, verletzt und vielleicht sogar getötet hat. Darum hatten ihn die Römer zum Tod am Kreuz verurteilt, zur damals übli- chen grausamen, öffentlichen und darum abschreckenden Art der Hinrichtung. Wie gesagt: Er weiß um seine Schuld und er kann sie annehmen. Nicht annehmen kann er dagegen, dass man Jesus, den unschuldigen Wanderprediger gleichen Todes sterben lassen will. Und es ist schon bemerkenswert, dass einer, der unter Schmerzen am Kreuz hängt, um langsam zu verbluten, sol- che Gedanken hat: „Dieser hat nichts Unrechtes getan!“ Und dass er diese Gedanken ausspricht, ist noch erstaunlicher. Aber - und das macht die Mitte dieser Verse aus der Kreuzigungsge-schichte so wesentlich: Dieser Übeltäter zeigt uns, wie es weitergeht mit der Erlösung - auch der unseren: Hat er schon erkannt, dass er zurecht Strafe empfängt, so zeigt er uns hier das zweite, was ihn und uns der Erlösung näher bringt: Erkennen, dass Jesus unschuldig am Kreuz hängt. Dass er nicht eigener Schuld wegen, sondern für uns leidet und sterben wird. Er hat nichts Unrechtes getan! Liebe Gemeinde, das ist nun schon fast das ganze Evangelium, die ganze frohe Botschaft, die uns das so traurige Geschehen des Karfreitags verkündigt: Dass wir unsere Schuld einsehen, annehmen und anerkennen sollen. Und dass wir begreifen, dass Jesus, der unschuldig das Los eines Schuldigen erleidet, das für uns tut, so wie es schon im Prophetenbuch des Jesaja prophezeit ist: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. [...] Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Aber jetzt erst wird die Erlösung des Übeltäters - und unsere! - vollkommen: „Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ - Das ist viel mehr als eine Bitte! Hier drückt sich der Glaube eines Menschen aus: Gedenke an mich, denn ich weiß, wer du bist! Du bist der Herr aller Menschen, der Herr der Welt, der sich aus Liebe zu uns opfert. Gedenke an mich, denn du bist Gottes Sohn, gesandt, uns durch dein Leiden und Sterben zu retten. Gedenke an mich, denn ich weiß: Du hast die Macht, mir das ewige Leben zu schenken! Wir wissen nicht, woher der Übeltäter sein Vertrauen zu Jesus nimmt. Vielleicht hat er vorher schon einmal Erfahrungen mit ihm gemacht? Oder er hat von ihm gehört, dass er Menschen ge- heilt und sogar Tote auferweckt hat. Vielleicht war es aber auch die besondere Ausstrahlung Je- su, die ihn berührt und verwandelt hat? Wie gesagt: Wir wissen es nicht. Was wir wissen ist dies: Seine Schuld, so groß sie auch gewesen sein mag, ist vergeben. Sein Leben in dieser Welt wird zwar bald zu Ende sein, aber er wird es eintauschen gegen das ewige Leben, gegen eine Herrlichkeit, von der er selbst wohl nicht zu träumen gewagt hätte. Woher wir das wissen? Hören wir doch: „Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Und mit diesem Wort im Ohr und im Herzen, wollen wir jetzt nach uns schauen: Auch wir sind Übeltäter, Sünder, wie wir das heute meist nennen. Wir leben unser Leben manchmal tage- und wochenlang so, als wenn es Gott nicht gäbe. Wir kreisen um uns selbst und denken wenig an un- sere Mitmenschen und an das, was sie brauchen und was wir ihnen geben könnten. Wir haben uns an den Gedanken gewöhnt, dass wir selbst unser Leben gestalten und auf niemanden - nicht einmal Gott - angewiesen sind. Das alles und noch viel mehr ist unsere Schuld. Aber der Weg unserer Erlösung hat damals wie heute den gleichen Verlauf: „Wir empfangen, was unsre Taten verdienen.“ Aber das ist Gott sei Dank oft nicht eine Strafe, sondern - wie vielleicht heute, an diesem Tag - die Erkenntnis, dass wir Schuld haben und Strafe verdient hätten. Mit dieser Erkenntnis beginnt unsere Erlösung. Und so geht sie weiter: Wir blicken auf Jesus und sagen: „Dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“ Damit nehmen wir für uns das Opfer Jesu Christi an! Damit stellen wir uns unter das Kreuz unseres Herrn und bekennen: Er hat für mich gelitten, er trägt meine Krankheit und lädt auf sich meine Schmerzen. Er ist um meiner Missetat willen ver- wundet und um meiner Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass ich Frieden hätte, und durch seine Wunden bin ich geheilt. Schließlich wird unsere Erlösung vollkommen, wenn wir zu ihm sprechen: „Mein Herr, Jesus Christus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Und auch in unserem Mund ist das mehr als eine Bitte. Es ist das Bekenntnis zu diesem Jesus Christus als dem Sohn Gottes, dem Herrn der Welt und unseres Lebens. Und es sind Worte des Glaubens und des Vertrauens zu ihm, mit denen wir sagen: Du bist auch mir von Gott gesandt, meinem Leben hier Sinn und Ziel zu geben, mir durch dein Wort der Vergebung alle Schuld abzunehmen und mir als deiner Schwester, deinem Bruder die ewige Zukunft in Gottes Herrlichkeit zu schenken. Und so spricht Jesus Christus auch zu uns: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Und er will uns dadurch gewiss machen, dass, wie lange für uns dieses Leben auch noch währt, wir durch den Glauben an ihn und das Vertrauen auf sein Leiden und Sterben für uns einmal in Gottes Ewigkeit eingehen. AMEN