Predigt zum Gründonnerstag - 21.4.2011 Textlesung: Mk. 14, 17 - 26 Und am Abend kam er mit den Zwölfen. Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten. Und sie wurden traurig und fragten ihn, einer nach dem andern: Bin ich’s? Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht. Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; wehe aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reich Gottes. Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. Liebe Gemeinde! Ich kann biblische Geschichten eigentlich gar nicht mehr anders lesen, als dass ich selbst in ihr vorkomme. Ja, ich bin so frei zu behaupten: Niemand liest und versteht diese Geschichten rich- tig, wenn er nicht darin vorkommt! Sei es, was es will: Du hörst vom Turmbau zu Babel - und bist mit drin, vielleicht als Zuschauer, vielleicht als Warner, der die Überhebung anprangert oder gar als einer, der mitbaut an diesem Werk menschlicher Selbstüberschätzung. Du hörst von je- nem Vater, der seinen verlorenen Sohn in die Arme schließt - und bist mit dabei in diesem Gleichnis, vielleicht als der Sohn, der alles verspielt und vertan hat oder auch als Vater, der so- viel Liebe zum Kind aufbringt, oder auch als der ältere Sohn, der sich ärgert und dem verlorenen Bruder die Güte des Vaters mißgönnt. Oder du hörst vom Einzug in Jerusalem am vergangenen Sonntag und bist mit drin: Du rufst ihm „Hosianna“ zu und breitest Palmzweige vor ihn auf den Weg. Du stehst abseits und beobachtest seinen erbärmlichen Auftritt aus der Ferne. Oder du ziehst gar als sein Jünger hinter ihm her, um ihn bis ans Ende zu begleiten ... Immer sind wir da- bei, wenn uns die Bibel erzählt und berichtet, so auch heute: Wir sitzen mit dem Herrn zu Tisch: Vielleicht als der Jünger Petrus, der so laut verkündet hat, er würde seinen Meister niemals verlassen - und es wird nur noch bis zum Morgen dauern, da hat er ihn dreimal verleugnet und der Hahn wird krähen. Vielleicht müssen wir uns auch in den Rollen des Jakobus und des Johannes erkennen? Das sind die beiden gewesen, die im Himmelreich einmal zur Rechten und Linken Jesu sitzen wollten - und die es nicht einmal fertigbringen, mit Jesus eine Stunde zu wachen, als er im Garten Gethsemane mit der Todesangst ringt. Oder sind wir gar Judas, der mit ihm den Bissen in die Schüssel taucht und als Verräter entlarvt wird. Aber: Drin sind wir in dieser Geschichte! Sonst müsste die Bibel sie uns nicht erzählen. Bloße Zuschauer, die den Kopf schütteln oder mit der Schulter zucken, will sie nicht haben. - Wer sind wir beim letzten Abendmahl, was ist unsere Rolle am Tisch Jesu? Wenn wir uns Petrus ansehen ... Eigentlich eine respektable Figur in der Jüngerschar! Der Herr hat ihn doch den Fels genannt. Auf ihn wollte er seine Gemeinde bauen. Er war nicht nur der erste, den Jesus als seinen Nachfolger haben wollte, er war auch der erste unter den Zwölfen, das anerkannte Haupt. Doch, diese Rolle würde uns schon liegen. So möchten wir auch vor Jesus da- stehen ... wie Petrus ... wie der Fels: Unbeugsam bei der Sache, unbestechlich und treu. Wenn da nur nicht diese Stunde im Hof des hohepriesterlichen Palastes gewesen wäre! Diese Frage: Ge- hörst du nicht auch zu diesem Jesus? Und diese Lüge: Ich kenne den Menschen nicht. Wenn es nur nicht so gekommen wäre: Dieses dreimalige, beharrliche Leugnen aus Angst, dann die Scham, die Verzweiflung, die Tränen und die Schreie des Hahns! Nein, das gefällt uns nicht an dieser Rolle! Wir werden ihn nicht verleugnen, wir doch nicht! Dann sind da Jakobus und Johannes: Nun gut, es war ein wenig unbescheiden, dass sie sich Eh- renplätze im Himmel erbeten haben. Da wollten sie in ein Recht eingreifen, das sich Gott selbst vorbehalten hat. Das darf sich kein Mensch anmaßen! Aber waren sie sonst nicht immer vorbild- liche Jünger? Nicht nur brauchbar, nein, immer vornedran, wenn’s um Einsatz und Arbeit im Dienst ging. Kann man das nicht verstehen, dass sie auch einmal fragen, ob sich das für sie auch lohnen wird ... später ... im Reich Gottes? Wir hätten da Verständnis und ... wir könnten uns recht gut in einem dieser beiden Jünger wiederfinden. Sicher war es dann keine sehr gelungene Szene im nächtlichen Garten, als sie schlafen, während Jesus nur ein paar Meter weiter blutige Tränen vergießt. Aber darf man denn nicht einmal Schwäche zeigen? Ist das so schlimm, wenn einem am Abend - nach getaner Arbeit - der Schlaf übermannt? Die Rolle des Judas allerdings weisen wir weit von uns! Den Herrn verraten? Ihn ausliefern an seine Mörder? Gott bewahre! Damit haben wir nichts zu schaffen. Wir nicht! Wann hätten wir je Verrat an unserem Herrn geübt? Wir stehen doch immer und überall zu ihm und unserem Glau- ben! Wir haben doch noch nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass wir Christen sind und zu Jesus gehören! Wir bekennen ihn doch nicht nur mit dem Mund, wir reden auch, was er reden würde, wir handeln, wie er gehandelt hätte und wir üben die Liebe, die er uns geboten hat! Kein Gedanke an Geld, an Macht oder Ansehen könnte uns je von Jesu Seite ziehen! Wir sind doch keine Verräter! Nein, alles andere, aber nicht die Rolle des Judas, die nicht! Liebe Gemeinde, ich will hier nicht weitermachen. Gewiss, es gäbe noch andere Rollen am Tisch des Herrn bei seinem letzten Mahl mit seinen Leuten: Den Zweifler Thomas vielleicht oder Andreas, der immer ein wenig im Schatten seines Bruders Petrus stand. So ganz aufgehen könnten wir gewiss in keiner dieser Jüngerfiguren. Alle haben irgendwie auch Züge, die uns gar nicht gefallen. Das ist uns unangenehm und ... wir fühlen uns ertappt! Ich persönlich muss übrigens zugeben, dass sich gleich einige Rollen für mein innerstes Wesen eignen würden: Der Petrus, der so groß spricht, Johannes, der die Not seines Herrn verschläft, und - ja! - Judas auch, der Jesus verrät und für seinen Tod (mit-)verantwortlich ist. Und auch die Zweifel eines Thomas sind mir nicht fremd! Aber - wie gesagt - ich will hier nicht weitermachen. Ich will noch einmal den sprechen lassen, der in dieser Geschichte - Gott sei Dank! - die Hauptperson ist und bleibt: Jesus. Er, als sie aßen, nahm das Brot, dankte und brach’s und gab es ihnen mit den Worten: Nehmet, das ist mein Leib. Und dann nahm er den Kelch, dankte, gab ihnen den und sie tranken alle daraus und er sprach: Das ist mein Blut, das für euch und viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Liebe Gemeinde, ist das nicht eine wunderbare Sache?: Alle sind sie mit dabei, als Jesus mit ihnen dieses neue Mahl der Vergebung feiert. Keiner ist ausgeschlossen von seiner Gemein- schaft. Sein Leib - für den Verleugner, sein Blut - für die Anmaßenden, sein Leiden und sein Tod - für den Verräter. Es mag dann nachher ausgehen wie es will - am Tisch Jesu ist für jeden Platz. Und ich wage es, auch das zu denken und auszusprechen: An seinem Tisch ist alles noch offen: Petrus muss nun nicht mehr zum Verleugner werden. Johannes und Jakobus bleiben jetzt nicht mehr so schläfrig. Und selbst Judas muss seinen Herrn nicht länger verraten. Dieses Mahl mit dem Herrn kann alle Rollen verändern, jedes Leben herumreißen. Mich versöhnt das mit allen Figuren dieser Geschichte, in denen ich mich ehrlicherweise erkennen muss. Keiner ist bei Jesus ausgeschlossen. Jeder kann bei ihm anders werden und neu beginnen. Denken wir daran, wenn wir nachher an seinen Tisch treten! AMEN