Predigt zum Palmsonntag - 17.4.2011 Textlesung: Mk. 14, 3 - 9 Und als er in Bethanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt al- lezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht al- lezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat. Liebe Gemeinde! Gewiss, es geht hier um die Salbung unseres Herrn für sein Begräbnis. Aber ich fürchte, die Sal- bung wird heute in dieser Predigt zu kurz kommen. Mir ist nämlich an dieser Geschichte etwas aufgegangen, das muss ich heute einfach einmal in den Mittelpunkt dieser Ansprache und un- serer Gedanken stellen. Zwei Sätze aus diesen Versen bringen uns auf die Spur: „Man hätte die- ses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können ...“ und „Sie hat ein gutes Werk an mir getan.“ Wird mit dem ersten dieser zwei Sätzen nicht ganz genau und sehr deutlich ein Problem - oder besser: ein Skandal - unserer Zeit beschrieben?: Wo wir auch hinschauen in unserer Gesellschaft, in der Wirtschaft, in der Politik und in vielen anderen Bereichen des Zusammenlebens, geht es doch nur noch um eins: Was bringt eine Sache? Was ist sie in Scheck und Schein wert? Für wie viel Geld kann man sie verkaufen? - Oder - aber das ist nur die andere Seite dieser Sache: Was kostet dieses oder jenes? Ist der Einsatz dafür nicht vergeudet? Wie viel Verlust wird das verursachen? Wenn heute die eine Bank oder Automobilfirma die andere Bank oder Autofirma übernimmt - wer fragt denn nach den Menschen, die dort arbeiten und dann arbeitslos werden, wenn ihre Fir- ma geschluckt wird? Es geht um so genannte „Synergie-Effekte“, die Geld bringen sollen und es geht um den Börsenkurs. Mit anderen Worten: Es geht um den Gewinn, um die Dividende der Aktionäre und die Gehälter und Boni der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Und wenn eine Regierungsdelegation irgendwo in einem Land der Dritten Welt unterwegs ist um - wie man vorgibt - den kulturellen Austausch zu fördern und nach dem humanitären Effekt der bisher gezahlten Entwicklungshilfe zu sehen, dann sind meist verdächtig viele Wirtschaftsunternehmen in der Delegation vertreten, denen es sicher nicht um die Kultur im fremden Land zu tun ist, sondern um die eigenen Interessen oder die des Unternehmens an seinen Bodenschätzen, an billigen Arbeitskräften oder dem Aufbau eines neuen Absatzmarktes. Schließlich haben wir uns auch in unserem persönlichen Leben angewöhnt, danach zu fragen, ob sich das auch „lohnt“, was wir tun - auch wenn es dabei um Hilfe oder Dienste für andere Menschen geht. Was Nachbarn früher ganz selbstverständlich „auf Gegenseitigkeit“ füreinander getan haben, dafür fließt heute oft Geld. Selbst gute Freunde legen sich Rechnungen vor, wenn sie einander hin und her im Auto mitnehmen - „weil der eine Wagen ja mehr Benzin verbraucht als der andere“. Und wer sich in einem Verein engagiert, der möchte das oft auch nicht mehr umsonst tun. Traurig dabei ist: Die gegenseitige Hilfe unterbleibt oft ganz, jeder fährt im eigenen Wagen - weil es einem immerhin noch peinlich ist, über Geld und den finanziellen Ersatz der Fahrtkosten zu sprechen. Und fragen Sie einmal in einem Gesang-, dem Kleintierzuchtverein, bei der schulischen Elternvertretung oder der im Kindergarten nach, wie schwierig es geworden ist, Leute für den Vorstand oder gar den Vorsitz zu finden. Dass diese Posten Ehrenämter sind, spielt dabei eine nicht geringe Rolle! - So viel zu diesem Satz und wie er sich heute, in unserer Zeit, darstellt: „Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können ...“ Und hier ist noch einmal der zweite Satz, der, den Jesus darauf entgegnet: „Sie hat ein gutes Werk an mir getan.“ Liebe Gemeinde, ich bin nun nicht so naiv, dass ich etwa denen, die aus bloßem Gewinninteresse eine Firma übernehmen, die Frage stellen will: „Ist das denn auch gut, was ihr tun wollt?“ Oder: „Habt ihr auch an die Menschen gedacht, die jetzt arbeitslos werden?“ Vor solch massiven Interessen nach Steigerung der Dividende oder der Vorstandsgehälter müssen und werden alle anderen Aspekte einer solchen Übernahme in den Hintergrund treten. Auch die Regierungsdelegation im Drittweltland werden wir wohl kaum dazu bringen, die Wohlfahrt und das Lebensglück, die gute medizinische Versorgung und die Verbesserung der Bildungschancen in den Mittelpunkt der Verhandlungen und Gespräche zu rücken. Dafür nämlich sind die Vertreter der heimischen Wirtschaft nicht mitgefahren! Wo ich aber einen Ansatzpunkt für das Wort Jesu vom „guten Werk, das wir tun können“ sehe, ist unser privates Leben in der Gemeinschaft unseres Dorfes (Stadtteils), unserer Straße, unseres Hauses, zwischen Kollegen, Nachbarn und Freunden. Nein, es muss nicht alles bezahlt werden! Die Hilfe, die wir ohne Gegenleistung - ohne irgendeine Erstattung oder Bezahlung - tun, macht viel mehr Freude! Und ich bin ganz sicher, wir wissen oder fühlen das auch! Das „gute Werk“, einfach so getan, weil es getan werden muss, schafft eine tiefe innere Befriedigung. Die Tat, die uns ein paar Euro einbringt, dagegen, bleibt in ihrem Wert immer weit dahinter zurück. Sie macht uns vielleicht ein wenig reicher an Geld - aber nicht froh! Und besonders wenig Freude machen private Dienste, die wir uns bezahlen lassen, wenn wir diese Bezahlung doch eigentlich gar nicht nötig hätten! Ein finanzieller Ausgleich für Arbeit und Leistung, Einsatz und Dienste gehört in unseren beruflichen Bereich - dort müssen und sollen wir unsere Brötchen verdienen. Dort wo es um unser Leben mit Familienangehörigen, Freunden, Kameraden, Kollegen oder Na- chbarn geht, soll Geld keine Rolle spielen. Hier ist unsere Gelegenheit, „gute Werke“ zu tun und die Genugtuung und Freude zu erleben, die das macht. Und vergessen wir nicht: Seit der Salbung in Bethanien hat solches Tun die Verheißung unseres Herrn: „Sie hat ein gutes Werk an mir getan.“ Und wie wichtig solche guten Werke gerade für uns Christinnen und Christen heute sind, erkennen wir, wenn wir noch dieses Wort Jesu für uns übertragen und ernst nehmen: „Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“ Es gehört einfach zum Evangelium, zur frohen Botschaft unseres Glauben hinzu, dass wir einander freiwillig und ohne Lohn helfen, füreinander eintreten, unsere Gaben einer für den anderen einbringen und das, was wir können, eine für die andere einsetzen. Aber das hat nun auch wieder eine andere Seite: Wir, wenn wir die Empfängerinnen oder Empfänger solcher guten Werke sind, sollen diese guten Werke auch würdigen! In unserer Ge- sellschaft, die ja für alles große und oft hochtrabende Begriffe findet, heißt das heute: Wir müssen die „Kultur der Anerkennung“ weiterentwickeln! Wir können das aber auch viel ein- facher ausdrücken: Wenn dir einer etwas Gutes tut, auch und gerade, wenn er es tut, ohne danach die Hand aufzuhalten, dann sag’ auch Danke! Ein Dankeschön kostet nicht viel, eigentlich gar nichts. Aber es ist oft ganz erstaunlich, was es bewirkt: Der Mensch, der uns das gute Werk getan hat, freut sich und er wird ermutigt, mir und anderen auch weiterhin gute Werke zu tun. Aber auch mir selbst tut es gut, die Hilfe oder die Dienste anderer zu estimieren: Es stellt - ich will es einmal so ausdrücken - die Ordnung von Geben und Nehmen her. Ich habe eine gute Tat empfangen und gebe dafür ein Danke zurück. Schließlich gibt es noch eine Wirkung guter Taten und meiner Dankbarkeit, wenn andere dabei Zeuge werden, dass einer Gutes tut, ohne finanzielle Gegenleistung und wenn andere an mir seh- en, dass gute Werke auch Worte des Dankes wert sind. Schön wäre es, wenn unsere Kirchengemeinde mit ihren Orten und Gelegenheiten als Gemeinde, als Christinnen und Christen zusammenzutreffen, dabei helfen könnte, dass wir das eine und das andere wieder lernen bzw. mehr als bisher praktisch aufnehmen und üben: Einander gute Werke zu tun, ohne dafür die Hand aufzuhalten und dafür dann aus ehrlichem Herzen Worte des Dankes zu finden. Ich hoffe sehr, dass unser Herr einverstanden gewesen wäre, dass ich heute weniger über die Salbung in Bethanien gesprochen habe, als über unsere guten Werke und unsere Dankbarkeit. AMEN