Predigt zum Sonntag „Judika“ - 10.4.2011 Textlesung: 1. Mos. 22, 1 - 13 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? Abraham ant- wortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes Statt. Liebe Gemeinde! Es gibt einige Erklärungen dafür, warum es diese grausame Geschichte ins Alte Testament geschafft hat. Aber keine kann so recht befriedigen. Immer bleibt ein schaler Geschmack und ein gewisses Entsetzen, wenn wir hören, welche schreckliche Tat Gott hier von Abraham, einem seiner treuesten Bekenner, verlangt: Den eigenen Sohn töten! Und wenn wir uns dann noch erin- nern, dass Isaak das einzige Kind Sarahs und Abrahams gewesen ist und dass sie bis ins hohe Alter kinderlos geblieben waren ... dann wird die Forderung Gottes, der seine Menschen doch lieb haben soll, noch unbegreiflicher. Darum wird es Sie gewiss nicht wundern, wenn ich sage: Viele Prediger - so auch ich - hätten heute gern einen großen Bogen um diese Geschichte gemacht - manche werden das auch getan haben. Für mich gibt es überhaupt nur eine Möglichkeit, diese Geschichte in die Mitte einer Predigt zu stellen: Wenn ich sie sozusagen „von hinten“ lese. Was ich damit meine, ist dies: Ich über- springe die Anweisung Gottes an Abraham, hier Versuchung genannt, seine Kind zu opfern. Ich überlese die Zeilen, in denen von der Vorbereitung des Opfers die Rede ist. Auch gehe ich den Weg auf den Berg mit den beiden nicht mit und bin auch nicht dabei, wenn Abraham den Altar baut und sein Kind obenauf legt. Schon gar nicht schaue ich hin, wenn er das Messer erhebt, um seinem Sohn die Kehle durchzuschneiden. Für mich beginnt diese Geschichte erst dann, wenn ich die Stimme des Engels höre - und da spricht mich bei dem, was er sagt, besonders das an: „... nun weiß ich, dass du Gott fürchtest!“ Und wenn Abraham schließlich den Widder opfert, dann ist mein Bild von Gott wieder - wenigstens einigermaßen - in Ordnung. Vielleicht werden Sie jetzt fragen: Darf man das denn, eine Geschichte der Bibel so verkürzen? Oder Sie denken: Gerade in der Verkündigung müssen doch auch Gedanken zum Tragen kom- men und gepredigt werden, die uns nicht gefallen, uns vielmehr ärgern und herausfordern. Aber, sagen Sie mir einmal ehrlich: Ginge Ihnen die Forderung Gottes, Hand an Ihr Kind oder Ihren Enkel zu legen, nicht auch zu weit? Und wäre es Ihnen von daher überhaupt möglich, diese harte und eigentlich unbegreifliche Geschichte auf sich zu beziehen? Andererseits aber wissen wir doch, dass wir uns in den Geschichten der Bibel wiederfinden sollen. Wie soll das hier gehen? Welche Rolle könnten wir denn übernehmen? Die des Abraham sicher nicht und die des Isaak noch weniger. Aber folgen Sie mir jetzt einmal, wenn ich beim Wort des Engels an Abraham in die Szene hineingehe. So sagt der Engel: „... nun weiß ich, dass du Gott fürchtest!“ Er spricht damit an, worum es in der gesamten Geschichte eigentlich geht: Die „Gottesfurcht“ - für die es ein viel besseres und schöneres Wort gibt, nämlich „Gottvertrauen“! Und statt Vertrauen können wir nun auch „Glauben“ sagen, denn der tiefste Ausdruck des Glaubens an Gott ist, dass ich Vertrauen zu ihm habe. Und ganz treffend - wegen oder besser trotz dieser fragwürdigen Opferungsgeschichte - gilt Abraham ja auch als „Glaubensheld“ oder „Vorbild des Glaubens.“ Wäre es nun zu wenig, wenn uns die Geschichte, ab der Stelle, an der wir die Stimme des Engels hören, sagen wollte: Gott will, dass ihr Gott fürchtet!? Oder in unserer Sprache ausgedrückt und wirklich an uns gerichtet: Gott will, dass du Vertrauen zu ihm hast. Und um zu verdeutlichen, was das heißt, braucht es nun wirklich nicht diese „Vor“-geschichte von dieser Prüfung oder Versuchung des Abraham. Wir kennen da ganz in unserer Zeit auch Prüfungen - ganz anders als die des Abraham, aber nicht weniger schlimm. Und die können wir nicht ausblenden und über- springen, wie ich es heute mit der Opferung des Isaaks gemacht habe. Ich denke da zuerst an die schreckliche Katastrophe an der Japanischen Ostküste: Erst ein Erd- beben noch nie da gewesener Stärke, dann eine Tsunamiwelle, von gewaltiger Zerstörungskraft und so hoch, wie sie bisher noch nie war und schließlich eine Reaktorkatastrophe, deren gesamte Auswirkungen wir bis heute noch gar nicht überblicken und die das japanische Volk noch Jahr- zehnte gesundheitlich schädigen wird. Und ich denke an den Kampf gegen die Machthaber einiger arabischer Staaten, die - nachdem sie ihr Volk jahrzehntelang unterdrückt, ausgebeutet und bestohlen haben, die berechtigten Aufstände mit Waffengewalt blutig niedergeschlagen haben ( - niederschlagen wollten?). Aber wir wollen auch an die Erfahrungen denken, die uns ganz persönlich betroffen haben: Die Trennung von unserem Partner, der Tod eines geliebten Angehörigen, die Gewissheit, dass un- sere beruflichen oder privaten Träume sich in diesem Leben nicht mehr erfüllen werden, die Ar- beitslosigkeit, die jetzt schon so lang andauert, die Krankheit, die unser Leben verändert hat, die Behinderung, die uns quält, das fortschreitende Alter, das täglich mehr an unseren körperlichen und seelischen Kräften zehrt ... Alles das sind Prüfungen und sie sind durchaus vergleichbar mit der „Versuchung“, die Gott in der heutigen Geschichte dem Abraham auferlegt. Aber in alles das hinein sagt uns der Engel Gottes heute: Habt Vertrauen! Seht hin nach Abra- ham. Weil er sein Vertrauen zu Gott festgehalten hat, geht seine Geschichte gut aus! Weil er seinen Glauben gegen alle inneren Widerstände nicht aufgegeben hat, hat er die Prüfung bestanden. - So auch ihr! Auch nach der Katastrophe in Japan wird es ein Leben für die geschundenen Menschen geben. Und auch wir, die wir manchmal wirklich fassungslos die Ereignisse in Japans Krisengebiet be- obachtet haben, werden wieder Erfahrungen mit der Güte Gottes machen und wieder neues Ver- trauen gewinnen. Nach den Aufständen, die teils viele Opfer gekostet haben, nach Umsturz und Neuanfang in einigen arabischen Staaten, wird sich in diesen Ländern hoffentlich die Demokratie durchsetzen und damit eine Staatsform, in der auch die Schwachen zu ihrem Recht kommen. Dann werden wir verstehen, warum die Entwicklung so und nicht anders verlaufen konnte. Und wo wir bis da- hin gefragt haben, wo Gott in alledem ist, werden wir um so vertrauensvoller glauben können. Nicht anders wird es, so Gott will, auch in unserem persönlichen Leben und mit den Prüfungen sein, die wir darin zu bestehen haben: Am Ende wird unser Glaube, wenn wir ihn festhalten, sehen und siegen und es wird sein, als wenn der Engel Gottes auch zu uns so spricht: Nun weiß ich, dass du Gott fürchtest! AMEN