Predigt zum 1. So. n. Weihnachten - 2.1.2011 Textlesung: Mt. 2, 13 - 23 Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Pro- pheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1): „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15): „In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.“ Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Is- rael. Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen. Liebe Gemeinde! Die Sache mit dem Kindermord in Bethlehem ist eine ganz furchtbare Geschichte! Grausam und bösartig, dieser Herodes, der das angeordnet hat. Unmenschlich und böse auch die Soldaten, die ei- nen solchen Befehl ausführen. Aber was soll man dazu predigen? Ähnliches hat es bei uns in jüngerer Zeit - Gott sei Dank! - nicht gegeben. Solche Menschen wie Herodes kennen wir in unseren Tagen keine. Welche Lehre sollen wir also aus diesen Versen ziehen? Wen soll das ansprechen? Was kann uns diese Geschichte ge- ben? Was sollen wir an dieser Geschichte bedenken, lernen und was bringt uns daran weiter- und vielleicht zurecht? Der Kindermord von Bethlehem ist es sicher nicht. Aber mir ist etwas aufgefallen und mir ist eine Idee gekommen: Dreimal ist in dieser Geschichte von einem Traum die Rede: Im Traum erschien Josef der Engel des Herrn, um ihn nach Ägypten zu schicken, im Traum befiehlt ihm der Engel nach Israel zurückzukehren und in einem weiteren Traum macht der Engel dem Josef Mut, als der sich fürchtet, ins galiläische Land zu ziehen ... Drei Träume, dreimal erscheint ihm der Engel! Ob das bemerkenswert ist? Ob da eine Botschaft für uns darinliegt? Schauen wir einmal genauer hin: „... da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten ... da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter ...“ Ist das nicht erstaunlich!? Kaum hat er’s geträumt, bricht Josef auch schon auf! Und bei den anderen zwei Träumen ist es genauso: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter ... da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter! - Und im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land ... Er folgt ohne Zögern, trotz sei- ner Furcht. Wie halten Sie das mit ihren Träumen? - Wie bitte? Sie träumen nie? - Andere hier meinen: Träu- me werden ja doch nie wahr! - Manche denken gar: Träume sind doch nur Schäume! - Also ich muss sagen, ich glaube nichts davon! Ganz gewiss träumen Sie! Und viele Träume sind auch für Sie schon wahr geworden! Und Schäume, also unnütz, sind Träume schon gar nicht! Und ich kann’s auch beweisen: Ganz bestimmt träumen auch Sie in der Nacht häufig, wie alle Menschen! Sie können sich nur am Morgen nicht mehr daran erinnern. - Aber Sie träumen bestimmt auch oft am Tag! Was sind denn die Wünsche, die wir so haben, die Sehnsucht, die wir vielleicht jahrelang in uns tragen, anderes als „Träume“? Und - jetzt müssen Sie einmal ganz ehrlich sein! - sind nicht viele dieser Träume und Wünsche schon wahr geworden? Gab es nicht die schweren Tage vor einiger Zeit oder vor kurzem erst: Wie haben Sie sich gewünscht, wieder selbst gesund zu werden oder dass ein anderer, Ihnen so lieber Mensch, wieder gesund wird, oder vielleicht auch, dass Sie den Kummer überwinden, ein Leid, das sie schon so lange quält ... Wie haben Sie davon geträumt, wieder gute, frohe Tage zu ha- ben, wieder lachen zu können, nach einem Abschied wieder an ihn oder sie denken zu können, oh- ne dass die Tränen kommen ... Und ist es nicht wahr geworden? Nein, nicht immer und nicht alles! Aber ist nicht schon oft in Ihrem Leben das eingetreten, was Sie erträumt hatten? Und von wegen Schäume! Was ist denn daran unnütz, wenn wir in unseren Träumen, sei’s am Tag oder in der Nacht, vielleicht vorwegnehmen, was dann auch eintritt? Und selbst wo das nicht ge- schieht, ist es nicht gut und hilfreich auch, sich mit den Träumen ein Ziel zu stecken oder stecken zu lassen, auf das hin wir uns sehnen und nach dem wir uns strecken und auf das wir doch auch hinarbeiten können? „Halte deine Träume fest ...“, heißt es in einem Lied aus unseren Tagen (- wir wollen es nachher auch singen). Ich halte das „Festhalten an unseren Träumen“ für das wichtigste für uns, wenn wir Christinnen und Christen sein wollen und an Gott glauben und auf ihn hoffen. Das kommt für mich gleich nach dem, was uns im selben Lied empfohlen wird: Halte deine Liebe fest ...! Wenn wir auf- hören zu träumen, dann hören wir eigentlich auch auf zu leben. Ich glaube nämlich, nur unsere Träume treiben uns voran. Wenn wir nicht mehr träumen, werden wir starr, bleiben da, wo und wie wir gerade sind und treten auf der Stelle. Aber zurück zu Josef und seinen Träumen. Ist das nicht wirklich beachtenswert: Kaum ist er er- wacht, da tut er schon, was er im Traum gehört hat und erfüllt, was ihm befohlen wurde. Da wenden sicher einige jetzt ein: Aber seine Träume kamen doch auch von Gott! Da musste er doch gehorchen! - Woher wissen Sie, dass Ihre Träume nicht auch von Gott geschickt werden? Vielleicht hören wir ja keine Stimme und sehen auch keine Bilder vor unserem inneren Auge, die wir irgendwie „himmlisch“ nennen oder mit Gott zusammenbringen würden. Aber will Gott nicht unser Glück? Will er nicht, dass es uns gut geht, dass wir lachen und uns freuen können? Und will Gott nicht, dass unsere Sehnsucht gestillt, unsere Wünsche wahr und unsere Träume Wirklichkeit werden? Wie können wir denn die ganze Geschichte, die in den bevorstehenden Weihnachtstagen ihren Anfang nimmt, anders verstehen, als dass Gott uns mit einem frohen, guten, erfüllten und einmal sogar ewigen Leben beschenken will? Und richten sich denn unsere Träume, unsere Sehn- sucht und unsere geheimen Wünsche auf etwas anderes als genau darauf: Volles, rundes, sinnerfüll- tes Leben zu gewinnen, das nie aufhört? Vielleicht können wir zwei Dinge daran lernen, wie Josef träumt und was er dann tut, als er er- wacht: Einmal zweifelt er keinen Augenblick daran, dass er im Traum Gottes Stimme hört und sei- nen Befehl vernimmt. Und dann folgt er, kaum dass er erwacht ist. Er lässt keine Zeit vergehen, ist gehorsam und tut, was Gott von ihm will. Halten wir’s mit unseren Träumen genauso! Unsere Wünsche nach frohem, vollem, runden Leben kommen von Gott! Unser Sehnen, dass wir über unser Leid, unsere Krankheit, unsere bösen Erwar- tungen, unseren Kummer hinauskommen, ist von Gott! Unseren Traum, dass es in unserem Leben noch Ziele geben wird, für die es sich zu leben lohnt, hat Gott uns geschickt. Er will, dass unsere Zeit erfüllt ist und voll Glück und Sinn. Darum lassen wir keinen Augenblick verstreichen, in dem wir nicht auch selbst für das wirken, was wir uns erträumen und sehnlich wünschen. Nutzen wir unsere Zeit, unsere Kraft, unsere Möglichkeiten! Gott wird uns helfen. Er wird mit uns gehen, wo- hin und wozu er uns sendet. Sein Segen wird mit uns sein, wie er mit Josef war. „Halte deine Träume fest ...!“ Jetzt wollen wir dieses Lied zusammen singen. (Lied als *.pdf im Anhang)