Predigt zum 2. Adventssonntag - 5.12.2010 Textlesung: Mt. 24, 1 - 14 Und Jesus ging aus dem Tempel fort, und seine Jünger traten zu ihm und zeigten ihm die Gebäude des Tempels. Er aber sprach zu ihnen: Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde. Und als er auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger zu ihm und sprachen, als sie allein waren: Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt? Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, dass euch nicht jemand verführe. Denn es wer- den viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verfüh- ren. Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn das muss so geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da. Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erhe- ben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. Das alles aber ist der Anfang der Wehen. Dann werden sie euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten und werden sich untereinander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die Ungerechtigkeit überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen. Liebe Gemeinde! Nein, es ist kein „schöner“ Text, über den wir heute predigen und nachdenken sollen! Im Gegenteil: Er ist beängstigend, er schüchtert uns ein und eröffnet einen Ausblick auf eine Zeit, die für uns Chris- tinnen und Christen schrecklich sein wird: Sie werden euch der Bedrängnis preisgeben, euch hassen und töten. Ihr werdet euch auch untereinander verraten und hassen, Ungerechtigkeit wird überhand- nehmen und die Liebe wird erkalten. Und wann wird das sein? - Ich glaube, wir sind mittendrin in der Zeit, da sich das erfüllt. Aber - und das wird Sie jetzt vielleicht wundern - die Jünger damals, als Jesus diese Ankündigungen gemacht hat, waren genauso mittendrin und so wie uns heute und den Jüngern damals ging es allen Christen: Immer waren sie mittendrin in dieser Zeit! Das ist ja überhaupt das besondere an unserem Glauben, dass so manches noch aussteht, gleichzeitig aber schon da ist. Nehmen wir zum Beispiel die Auferstehung: Einerseits warten wir noch darauf, dass wir am jüngsten Tag von den Toten auferstehen werden. Andererseits lesen wir im Johannes- evangelium: „Jesus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ (Jh. 11,25) Ist also nicht, wenn wir an Jesus Christus glauben, unsere Auferstehung schon geschehen? Noch deutlicher heißt es bei Paulus: „So sind wir ja mit Christus be- graben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herr- lichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.“ (Röm. 6,4) Wir sind begraben und wir wandeln schon heute in einem neuen Leben! Und ganz ähnlich ist es mit unserer Gerechtigkeit vor Gott. Hören wir dazu doch nur auf ein Wort des Paulus, das wie kein anderes die Wahrheit zusammenfasst: dass wir bei Gott zwar Sünder sind, aber doch auch schon durch Jesus Christus gerechtfertigt: „... es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst ge- recht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“ (Röm. 1,22c-24) Nicht anders ist es also mit den schrecklichen Dingen, die für uns Christen bevorstehen: Hass, Be- drängnis, Verrat und Tod. Sie kommen und werden kommen und es gab sie schon immer, seit es den Glauben an Jesus Christus gibt. Und auch all das andere, von dem hier die Rede ist, ist ja nicht neu in unserer Zeit: „Es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen.“ Vielleicht nennen sie sich ja nicht „Christus“, aber sie wollen doch Erlöser sein, Retter und Heilande. Bis heute treiben sie ihr Unwesen z.B. in vielen afrikanischen und asiatischen Staaten. Und wir hatten auch einmal einen solchen angeblichen Heilsbringer - sein Reich sollte tausend Jahre währen, aber es war schon 1945 am Ende und seine Herrschaft hat Millionen Menschen das Leben gekostet und Eu- ropa in Schutt und Asche zurückgelassen. „Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei ...“ Jeden Tag „hören“ wir davon in den Nach- richtensendungen. Und es sind sogar deutsche Soldaten an manchen dieser Kriege beteiligt. „Es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere ...“ Wir den- ken an Exjugoslawien, an Ruanda, an den Iran, den Irak und noch an viele weitere Länder der Erde. Überall schwelt der Hass der Angehörigen einer Volksgruppe gegen die andere, überall wurde und wird der Hass geschürt: Serben gegen Kroaten, Hutu gegen Tutsi, Muslime gegen Christen ... Men- schen, die Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte friedlich miteinander gelebt haben, fallen über einan- der her, foltern, vertreiben und töten einander. Am Ende ist so viel Böses geschehen, dass es nie wie- der möglich sein wird, Tür an Tür oder auch nur gemeinsam in einem Dorf oder einer Stadt zu leben. „Es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort ...“ Hier meinen wir gewiss, dass es in un- seren Tagen besonders viele solche Katastrophen gäbe. Aber wohl auch diese schlimmen Ereignisse hat es immer schon gegeben - nur haben wir nicht - so wie heute üblich - schon Minuten später davon im Fernsehen oder Radio erfahren. Aber wie gehen wir jetzt damit um? Genügt es uns, wenn Jesus uns so beruhigen will: „Seht zu und erschreckt nicht. Denn das muss so geschehen“? Wir dürfen hier ganz ehrlich sein: Das bringt unsere Fragen nicht zum Schweigen und unser Ängste werden dadurch nicht kleiner! Wenn es dann gar noch heißt: „Und weil die Ungerechtigkeit überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten“, wer- den die Fragen drängend und die Furcht persönlich: Wie lange werde ich wohl aushalten können, das all dies geschieht und immer weiter und vielleicht sogar häufiger geschehen wird, bis auch ich mich der Ungerechtigkeit verschreibe und die Liebe auch in meinem Herzen kalt wird und stirbt? Da bringt diese Empfehlung schon wieder ein wenig Hoffnung zurück: „Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden.“ Man müsste durchhalten können! Wir müssten das Ziel „der Seelen Seligkeit“ immer fest im Auge behalten. Nichts dürfte uns davon abbringen. Niemand soll uns die Hoffnung rauben, dass am Ende aller Tage die Herrlichkeit des Reiches Gottes auf uns wartet. Und da sind wir wieder zurück bei dem Gedanken, dass manches in unserem Glauben zwar noch nicht ganz erschienen und Wirklichkeit ist, aber doch schon begonnen hat: Denn mit Gottes Reich ist das genauso: Mit Jesus Christus, seinem Leiden und Sterben zu unserer Erlösung hat Gottes ewiges Reich angefangen. Einmal - vielleicht in hundert, in tausend Jahren oder schon morgen - wird es ganz da sein, sichtbar für alle Welt und alle Menschen werden wissen, wer schon immer, wer hier und heu- te und in alle Ewigkeit Herr der Menschen und der Schöpfung war, ist und sein wird. „Wer aber be- harrt bis ans Ende, der wird selig werden.“ Mehr als diese Verheißung bekommen wir heute nicht als Unterpfand dieser herrlichen Zukunft. Aber es gibt auch immer beim Beharren, beim Geduldigsein und dem Festhalten am Glauben die Hilfe des Heiligen Geistes! Und von noch einer anderen Hilfe sollten wir nicht gering denken: Unserer Gemeinde! Keine und keiner von uns ist allein. Andere Men- schen leben mit uns in der Gemeinschaft unserer Kirche und Kirchengemeinde. Dass wir getauft sind und unter Gottes Segen unser Leben führen dürfen, kann uns stärken. Jeder Gottesdienst und jede Fei- er des Abendmahls will uns neuen Mut geben. Die Begegnung und der Austausch mit anderen, die wie wir den selben Gemeindekreis besuchen oder im selben Dienst an den Mitmenschen stehen, kann uns immer wieder die Kraft schenken, unseren Weg durch das Leben auf Gottes großes Ziel hin aus- zurichten und tapfer und beharrlich weiter zu gehen. Und noch eine dritte Hilfe gibt es und davon spricht der Wochenspruch, den ich Ihnen ja schon am Anfang unseres Gottesdienstes zugesprochen habe: „Sehet auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ (Lk 21, 28b) Lassen wir uns von diesem Wort anspornen, auch wirklich immer wieder in unserem Leben, jeden Tag neu und ganz bewusst, aufzusehen aus allem, was uns bedrängt, den Kopf zu heben und aus den Verstrickungen und Nöten des Alltags ins Weite zu schauen: Es gibt ein Ziel, zu dem wir unterwegs sind! Es gibt ein Versprechen, das Gott an und für uns erfüllen wird; Die Erlösung von allem, was uns hier bindet und bedrückt, ängstigt und Sorgen macht. Es kommt eine Ewigkeit auf uns zu, Gottes Reich in Fülle, das Land ohne Tränen, ohne Schmerz, ohne Krankheit, Behinderung und Tod ... eine Herrlichkeit in der Nähe Gottes. „Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden.“ Darum: „Sehet auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ AMEN