Predigt zum Drittl. So. im Kirchenjahr - 7.11.2010 Textlesung: Röm. 14, 7 - 9 Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei. Liebe Gemeinde! „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn.“ In letzter Zeit geht mir das häufig so: Ich frage mich, was wohl Juden zu solchen Worten sagen würden? Oder gar Muslime? Ich überlege dann, ob das wohl nur für uns Christen gilt: Dass nur wir Christen für den Herrn Jesus Christus leben, dass er nur für uns gestorben ist und darum auch nur der Herr über Tote aus der Schar der Christenheit ist. Wenn ich dann ganz ehrlich wäre, müsste ich schon sagen: Es gibt für mich ei- gentlich keinen anderen Herrn, den ich anerkennen könnte. Und wenn wir das Neue Testament ernst nehmen, müssen wir noch weitergehen: Es kann für uns Christen überhaupt keinen anderen Gott geben, als den Vater Jesu Christi und es ist auch kein anderer Herr über die Welt und alle Menschen als der Herr, nach dem wir heißen, denn wie lesen wir im Evangelium: „Das ist aber das ewige Leb- en, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ (Jh. 17,3) Und wie sprechen wir im Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn ...“ Und schließlich singen wir in einem Lied aus dem Gesangbuch (wir werden es nachher anstimmen!): „Ob mich mein Sünd anficht, will ich verzagen nicht; auf Christus will ich bauen und ihm allein vertrauen, ihm tu ich mich ergeben im Tod und auch im Leben.“ (EG 345) Für uns Christinnen und Christen gibt es in unserem Herzen keinen Platz für andere Herren als Jesus Christus und in unserem Glauben keinen Raum für andere Götter außer dem, zu dem wir im Vate- runser beten. Nun müssen wir schon feststellen, dass es in unserer Welt zunehmend schwieriger wird, diesen Glau- ben festzuhalten und die klare Orientierung nicht zu verlieren: Unser Land ist ja nicht nur multikul- turell, es ist auch multireligiös. Vielleicht haben wir indische Nachbarn, die dem Hinduismus anhäng- en. Vielleicht hat unser Kind oder unser Enkel ein jüdisches Kind zum Freund. Vielleicht auch ver- folgen wir die Diskussion um den Bau von Moscheen in den größeren Städten Deutschlands oder es gibt an unserem Arbeitsplatz Muslime, die den Ramadan und bestimmte Gebetszeiten einhalten. Und der Bundespräsident hat gesagt: Der Islam gehöre zu unserem Land. Und gemeint hat er das so: Der Islam gehört zu Deutschland - genauso wie die christliche Religion und das Judentum. Wie auch immer wir zu alledem denken, es ist nicht leicht, hier an dem Bekenntnis festzuhalten: Un- ser Gott ist der einzige Gott und Jesus Christus sein einzig geliebter Sohn, unser Herr! Und es ist auch nicht ganz ungefährlich, das öffentlich vor den Angehörigen anderer Religionen zu sagen! Denn die Toleranz ist auf Seiten der Religionen aller Erfahrung nach sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wie nehmen wir also dieses Wort auf: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn.“ Auf wen beziehen wir es und wie vertreten wir es vor den Mitmenschen - besonders vor Menschen aus anderen Religionen? Ich habe für mich hier eine Entscheidung getroffen und ich spreche davon jetzt ganz persönlich, aber deutlich: Hier bin zuerst ich gemeint, ich als Christ(in)! Anhängern anderer Religionen werde ich das ohnedies nicht nahebringen können, was mein Glaube ist. Und es ist eben auch eine ganz persönliche Sache, in welchem Glauben eine oder einer aufgewachsen ist. Noch persönlicher ist, was einer dann als seinen Glauben aussprechen wird. Ich würde also den Vers so sagen: Lebe ich, so lebe ich dem Herrn; sterbe ich, so sterbe ich dem Herrn.“ Und auf einmal wird dieser Satz nicht nur persönlich, sondern auch sehr tröstlich und er baut mich auf und er stärkt mich ... Dahinter wird dann das, was ein Jude, Hindu oder ein Muslim dazu denken oder sagen würde, ganz unbedeutend. Es ist ja schließlich auch so: Ich bin nicht verantwortlich dafür, was andere Menschen der eigenen und anderer Religionen denken und glauben! Mich spricht Gott an. Ich bin gefragt. Ich muss antworten. Aber jetzt wollen wir es auch ganz ehrlich sehen und klar aussprechen: Es ist mit diesem Bekenntnis zu Jesus Christus als unserem Herrn und mit dem Glauben an unseren Gott als dem Schöpfer und Va- ter heute nicht mehr allzuweit her! Wo bezeugen wir das? Wo reden wir davon? Wie sehr bestimmt das unser Leben? - Wir haben uns daran gewöhnt, auf die Gottlosigkeit der Zeit hinzuweisen. Wir fragen dann vielleicht: Wo spielt denn Gott oder sein Sohn Jesus Christus eine Rolle in unserer Ge- sellschaft, in den Medien, in der Politik? Und wir können mit Fug und Recht antworten: Gott und Je- sus Christus spielen kaum noch eine Rolle - jedenfalls in unserem Land, in unserer näheren Umge- bung, unseren Beziehungen, in den politischen Entscheidungen, die getroffen werden - für uns und unsere Kinder. Da geht es um Interessen, um wirtschaftliche Vorteile, um Macht, um Karriere und immer auch um Geld! Aber alles das rechtfertigt nicht unseren mangelnden Einsatz für den Glauben und die Sache Gottes. Es entschuldigt uns nicht, wenn wir uns herausreden wollen, wo doch unser persönliches Bekenntnis gefragt ist. Denn es heißt: „Lebe ich, so lebe ich dem Herrn; sterbe ich, so sterbe ich dem Herrn.“ Und wir denken eben auch in dieser zunehmend multireligiösen Welt, dass es doch immer schwierig- er wird, den eigenen Glauben zu leben und nicht preiszugeben. Vielleicht machen wir das daran fest, dass es immerhin inzwischen mehr Muslime auf der Welt gibt als Christen? Oder wir lassen uns davon erschrecken, dass uns andere Religionen eigentlich gar kein Existenzrecht zubilligen und uns Heiden nennen. Schließlich irritiert uns auch die Tatsache, wie selbstverständlich die Angehörigen anderer Religionen in ihrem Alltag zeigen, wie sehr sie auch ganz praktisch ihre Religion ausüben - etwa in Gebetszeiten oder in ihrer Kleidung bis hin zu der Art, wie sie ihre Haupt- und Barthaare tra- gen und schneiden. Wir dagegen müssen schon zugeben, dass wir uns höchstens noch am Sonntag of- fen als Christen zu erkennen geben, wenn wir zur Kirche gehen. (Dann aber sind wir meist auch ziemlich allein auf den Straßen!) Wer aber liest noch in der Bibel - und zeigt das wenigstens vor seinen Kindern und Enkeln? Wer stellt sich etwa am Arbeitsplatz vor seinen Kollegen und sagt es deutlich und vernehmlich, dass er bei Mobbing und Ausgrenzung nicht mitmachen kann - weil er Christ ist? Und wer neigt in der Öffentlichkeit der Kantine oder Gaststätte seinen Kopf, faltet die Hände und spricht sein Tischgebet? Ja, sich hier anders als die große Masse der Christen zu verhalten, ist nicht leicht und wird in unseren Tagen immer schwieriger. Trotzdem ist uns das gesagt: „Lebe ich, so lebe ich dem Herrn; sterbe ich, so sterbe ich dem Herrn.“ Und wenn wir noch diesen Vers dazunehmen, wird der tiefe Ernst dieser Worte offenbar: „Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.“ Es geht um viel mehr als dieses Leben! Es geht auch um das, was uns nach dem Tod erwartet, denn da wird derselbe Herr Jesus Christus herrschen. Er hat ja in dieser Welt nicht nur ein paar Jahre gelebt und gelehrt und uns ein paar schöne Geschichten und Verhaltensregeln hin- terlassen. Er ist für uns den Weg ins Leiden gegangen. Er hat das Kreuz für uns getragen. Durch ihn ist uns alle Schuld unseres Lebens vergeben und der Himmel aufgeschlossen. Durch sein Leben und Sterben haben wir nicht das Ende, nicht das Nichts, nicht die Verdammnis und das Dunkel zu erwart- en, sondern die offenen Arme seines und unseres Vaters. Wie unbedeutend sind doch vor diesem hellen, herrlichen Hintergrund all die Fragen, die uns an- gesichts anderer Religionen beschleichen. Wie unwichtig ist es doch, was ein Jude, ein Hindu oder ein Muslim glaubt und wie sie unseren christlichen Glauben ansehen. Und auf der anderen Seite: Welch kleine Mühe wäre es doch, die äußeren Formen, an denen man uns Christen erkennt, wieder mehr öffentlich zu zeigen und zu leben: Kirchgang, Bibellese, Gebet ... Und wie von selbst würden wir dann auch wieder mehr darauf achten, wie sehr und wie klar in unserer Gesellschaft erkennbar wird, dass der Bundespräsident wenigstens damit Recht hat, wenn er sagt: Das Christentum gehöre zu unserem Land. Und ganz selbstverständlich würde es für uns dann auch, dass wir es in der Politik, bei den Parteien einklagen, dass unser Land ein christliches Land ist und unser Recht und unsere Gesetze auf dem Boden des Christentums gewachsen sind. Und wir würden auch von den Parteien mit dem ‘C’ im Parteinamen wieder einfordern, dass dieses ‘C’ sich auch im Umgang mit den Schwachen in unserer Gesellschaft und den Entscheidungen für die Zukunft unseres Landes niederschlägt, denn dabei sieht es in unseren Tagen sehr schlecht aus. Noch einmal: Alles, was mit dem Glauben an Gott und seinen Sohn Jesus Christus zu tun hat, sind sehr persönliche Dinge! Aber sie sind deshalb nicht „bloße Privatsache“. Die Entscheidung für den Glauben, das Bekenntnis, dass Jesus Christus mein Herr ist, muss auch öffentlich bekannt werden. Wir sind Christen und für uns gilt: „Unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn.“ AMEN