Predigt zum 15. Sonnt. nach Trinitatis - 12.9.2010 Textlesung: 1. Petr. 5, 5c - 11 Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm gehört die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! Gewiss haben viele von uns am Anfang dieser Verse aufgehorcht, in denen wir gleich zwei Woch- ensprüche hören: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ Das ist der erste, er stand über dem (11.) Sonntag (nach Trinitatis) vor vier Wochen. Der andere ist dieser: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ Dieser Vers ist der Wochenspruch zum heu- tigen Sonntag und die kommende Woche (und ich habe ihn ja zu Beginn dieses Gottesdienstes schon vorgelesen.) Vielleicht aber ist es Ihnen heute doch wie mir ergangen, dass Sie nämlich mit Ihren Gedanken an diesem Satz hängengeblieben sind: „Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“ Ein kräftiges Bild ist das: Der Teufel - ein brüllender Löwe!? Wenn wir tiefer in dieses Bild eindringen, kommen wir ins Na- chdenken. Aber gibt es den Teufel denn überhaupt? Nach einer jüngeren Umfrage glaubt rund ein Viertel der Deutschen an einen leibhaftigen Teufel! 10 Prozent stellen ihn sich sogar mit Hörnern und Pferdefuß vor. Was ich dabei noch interessant finde, ist dies: Besonders die 20 bis 30-jährigen teilen diese leibliche Vorstellung vom Teufel! Sie scheint also nicht im Schwinden begriffen, sondern eher auf dem Vormarsch! Noch erstaunlicher aber war für mich, dass die Hälfte der Deutschen den Teufel „als das Böse in uns“ und „unsere dunkle Seite“ bez- eichnen. In der Summe macht das jedenfalls, dass drei Viertel unserer Landsleute durchaus an den Teufel in leiblicher Gestalt oder in geistiger Form glauben. Liebe Gemeinde, wir wollen jetzt einfach einmal offen lassen, wie wir selbst dazu stehen. Und für die Botschaft der Verse, die wir heute betrachten, ist es auch ganz gleichgültig, ob wir eines und welches konkrete Bild wir vom Teufel haben. Auch wenn wir ihn als das Böse oder die dunkle Seite in uns denken, trifft uns dieses Wort: „Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“ - Brüllender Löwe, der uns versch- lingen will? Haben wir schon solche Begegnungen gehabt und solche Erfahrungen gemacht? Möglich, dass Sie jetzt sagen: Nein, eigentlich kann ich nichts von Erlebnissen mit dem Teufel ber- ichten. Aber vielleicht können Sie mitgehen, wenn ich die Werke des Teufels heute ein wenig anders beschreibe, als wir sie uns zunächst vorstellen: Petrus nennt den Teufel „unseren Widersacher“. Und ganz selbstverständlich ist er auch der Widersacher Gottes, also einer, der uns von Gott trennen will und uns immer wieder eingibt, es gäbe keinen Gott und uns zweifeln oder uns gar von Gott abwenden lässt. Und für solche Einflüsterungen, für solche Versuchungen, die uns von Gott abbringen wollen, gibt es gerade in unserer Zeit recht viele Beispiele. Ich denke da an die vielen Katastrophen, die in diesem Jahr die Erde und die Menschen heimgesucht haben. Nur drei davon will ich ansprechen: - Riesige Flächen in Russland sind verbrannt, Felder, Wälder und Dörfer. - In Pakistan steht eine Fläche so groß wie ganz Großbritannien unter Wasser. Die Kornkammer des Landes gleicht einem Meer aus Schmutzwasser. Die Ernte vernichtet. Millionen Menschen ohne Ob- dach. Hunderttausende von Hungertod und Seuchen bedroht. Wird das Land je wieder bewohnbar sein und die Felder Ertrag geben? - Aber auch bei uns mehren sich Wetterereignisse wie Sturm, Tornados, Hagel, Regen und Hochwas- ser, die Millionenschäden verursachen. Wer fragt bei diesen Katastrophen nicht - vielleicht besonders im Blick auf die ganz armen Menschen in Pakistan - wie Gott das zulassen kann? Und manchmal geht die Frage gewiss noch weiter: Ist da überhaupt ein Gott im Himmel, der Menschen so leiden und sie am Ende sogar elend zugrunde gehen lässt? Und noch anders wird diese Frage gestellt: Können wir zu Gott vor dem Hintergrund dieser furchtbaren Erfahrungen noch „Vater“ sagen? Vielleicht helfen wir uns, wenn diese Fragen und Zweifel in uns aufkommen, mit dem Gedanken: Aber die Wetterkapriolen, die zu Flächenbränden, Hochwasser und Stürmen führen, sind letztlich doch von uns Menschen verursacht! Der Klimawandel fällt uns ein, die Rodung der Wälder im Ama- zonas, der CO²-Ausstoß der Industrienationen, das Ozonloch, die Begradigung der Flüsse ... und hint- er allem die mangelnde Bereitschaft der größten Verursacher der Umweltzerstörung wirksam etwas gegen die Erderwärmung und ihre Folgen zu tun. Aber solche Gedanken helfen ja nicht wirklich! Es zieht uns doch das Herz zusammen, wenn wir die geschundenen Menschen in Pakistan sehen, die seit Wochen ohne Nahrungsmittel, sauberes Wasser und jede ärztliche Versorgung ausharren müssen. Und es rührt uns doch, wenn wir die Menschen in Russland neben den rauchenden Trümmern ihrer Häuser weinen sehen. Und die abgedeckten Dächer, vollgelaufenen Keller und Wohnungen, umgestürzten Bäume und eingefallenen Mauern nach den Hochwassern und Stürmen bei uns lassen uns genauso fragen: „Gott, wo bist du bei alledem?“ Und wir wollen jetzt nicht von einer Katastrophe wie dem Erdbeben in Haiti am Anfang dieses Jahres schweigen, auch wenn wir in den Medien davon inzwischen wenig sehen und hören. Aber angesichts dieses Naturereignis, das eine halbe Million Tote gekostet hat, fällt es uns schwer, dafür den Mensch- en und sein Tun verantwortlich zu machen. Umso mehr aber werden wir nach der Antwort suchen, die wir mit unserem Glauben an Gott noch vereinbaren können! Und umso leichter wird uns der Glaube dann vielleicht entgleiten. Liebe Gemeinde, ich glaube fest, dass hinter all diesen Fragen der von Petrus so genannte Widersa- cher steht. Er lässt uns so fragen. Und wenn wir dann dahin kommen, dass wir antworten: Es kann keinen Gott geben, wenn solche schrecklichen Dinge geschehen, dann hat er sein Ziel erreicht! Aber wie nur sollen wir hier widerstehen? Wie lässt sich das denkend und glaubend verkraften, dass es in der Welt so schreckliche Dinge gibt, so viel Leid, so viel Schmerz und Trauer, so viele Tränen? - Ich finde, Petrus gibt uns heute eine klare Antwort, mit der wir etwas anfangen können: „Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.“ Hier sind nicht die Leiden der Flut- oder Erbebenopfer gemeint, nicht all das, was Menschen durch Klimawandel oder Natur ertragen müssen, sondern das, was der „Widersacher“ an Zweifeln und Abfall von Gott über uns bringt! Nicht nur wir fragen doch, wie Gott all diese schlim- men Ereignisse zulassen kann, ohne ihnen zu wehren. Und wir denken dann, dass ihn all das Leid und all die Not der Menschen nicht rührt. Aber so ist es nicht! Wie heißt es in der Schöpfungsgeschichte?: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte“ (1.Mose 2,15). Und in einem neueren Gesangbuchlied (das wir nachher singen wollen [EG 360] hören wir: „Die ganze Welt hast du uns überlassen, doch wir begreifen deine Großmut nicht.“ Es ist doch so: Im Grunde erwarten wir von Gott, dass er unsere Fehler ausbügelt, dass er uns vor den Folgen unseres Raubbaus an der Natur oder der ökologischen und politischen Irrtümer oder auch der Gier Einzelner nach Geld und Besitz, nach Macht und Herrschaft bewahrt und besonders auch vor wirklich nicht von Menschen verschuldeten Katastrophen wie Erdbeben oder Vulka- nausbrüchen. Aber - noch einmal: Wir sollen die Erde bebauen und pflegen, wir sollen sie uns unter- tan machen - und das haben wir schließlich auch getan und wir tun es immer rücksichtsloser. So gründlich und vielerorts so schlecht, dass wir jetzt vermehrt jammern und stöhnen! Und nach Gott hat doch bei dem oft verderblichen Tun kaum einer der Täter gefragt! Nein, Gott greift nicht überall, wo wir bedroht sind, wunderbar ein. Er ist nicht der Nothelfer, wenn über uns zusammenschlägt, was wir Menschen angerichtet haben. Und er ist auch nicht der Retter, wenn die Natur selbst sich gegen uns wendet. Paulus schreibt einmal (Röm. 8,22): „Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet.“ So ist es und so wird es bleiben bis zum jüngsten Tag. Aber das ist nun Gott sei Dank nicht alles, was wir dazu sagen können: In diese dem Menschen über- lassene und seufzende Welt hat Gott seinen Sohn Jesus Christus hineingesandt! Er hat uns Gottes Liebe gezeigt und ist dafür ans Kreuz gegangen. Durch ihn wissen wir Christen nun zwei wichtige Antworten auf unsere Fragen: Gott liebt uns mitten in den Verstrickungen dieser Welt. Er lässt das Leid zu, er lässt uns handeln, wie wir es wollen, auch wenn es schlecht ist, er überlässt uns den Fol- gen unserer Fehler, unserer Gier und unseres Hochmuts! Aber er liebt uns, so sehr, dass er seinen eingeborenen Sohn für uns hingibt in Leiden und Tod, damit wir erlöst werden von aller Schuld, al- lem Leid dieser Welt und selbst vom Tod. Und das führt uns zur zweiten Antwort, die uns Jesus Christus gibt: Dieses Leben ist nicht alles! Ein- mal wird ein anderes Leben für uns beginnen, von dem wir heute noch nicht einmal träumen können. Dann wird Gott „abwischen alle Tränen von unseren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offb. 21,4). Dann wird Gott uns gewiss auch alle anderen - auch unsere ganz persönlichen - Fragen beantworten und wir werden begreifen, warum alles so geschehen musste, wie es geschehen ist und geschieht und was sein Plan mit seiner Welt und seinen Menschen gewesen ist. Hören wir noch auf die letzten Verse des Abschnitts aus dem 1. Petrusbrief: „Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.“ Ich staune immer wieder, wie viel Bereitschaft zur Hilfe doch aus der Berufung zu Jesus Christus und aus seiner Kraft entsteht. Ich den- ke da an die vielen Angehörigen christlicher, oft privater Organisationen, die in Haiti oder Pakistan und an vielen anderen Orten der Welt einen aufopferungsvollen Dienst für die Menschen tun. Manchmal sogar bedroht durch andersreligiöse Fanatiker und behindert von der Staatsführung. Ich glaube diese Helfer fragen nicht, wie Gott das Elend und oft das Grauen, das sie sehen und erleben, hat zulassen können. Sondern sie fragen, wie sie lindern, heilen und Leben retten können. Sie zu un- terstützen mit Gebet und Opfer wird auch uns widerstehen lassen, wenn die Fragen des Widersachers in uns laut werden! AMEN