Predigt zum 14. Sonnt. nach Trinitatis - 5.9.2010 Textlesung: Röm. 8, (12 - 13) 14 - 17 So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden. Liebe Gemeinde! Die Predigttexte der letzten Wochen hatten immer wieder das Ziel, uns deutlich zu machen, dass un- ser Glaube, unsere Liebe, unsere Hoffnung, ja alles, was uns als Christinnen und Christen auszeich- net, eigentlich nicht unser Werk ist, schon gar nicht unser Verdienst, sondern alles Geschenke Gottes. Bei den ersten Worten des Paulus heute, könnten wir nun denken, dass es in unserer Beziehung zu Gott doch Dinge gibt, die von uns verlangt, ja gefordert werden, bei denen es nur auf unseren Willen ankommt. Hören wir noch einmal die ersten beiden Verse: „So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben.“ Was heißt das? - Wir müssen nicht unseren fleischlichen, also leiblich-weltlichen Wünschen folgen! Wir können uns dagegen wehren! Und wir müssen nicht nach dem Fleisch, also nach unseren Bedürf- nissen leben, denn das führt zum Tod! Vielmehr können wir das fleischliche und leibliche Wollen und Begehren töten und werden dadurch leben! - Wirklich: Wir könnten denken, dass es hierbei auf un- seren Willen ankommt und es unser Verdienst ist, wenn es gelingt, was wir wollen. Wir könnten so denken ..., aber wir hätten dann nicht genau genug gelesen, was Paulus sagt, Denn das aller steht unter der Bedingung: „...wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben.“ Und dieser „Geist“ ist nicht unser Geist, sondern der Geist Gottes! Und dieser Geist hat nun gleich einige gute Eigenschaften, wenn wir das einmal so sagen wollen. Es heißt von ihm: „Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ - Der Geist selbst „treibt“ uns also an. Spüren wir etwas davon? Ich glaube schon: Ich denke da an unser Gewissen, das uns immer wieder einmal den Gedanken eingibt, dass nicht richtig war, was wir im Umgang mit un- seren Mitmenschen gesagt oder getan haben. Dann treibt uns der Geist dazu, dass wir uns entschuldi- gen und wieder gut machen, wo wir schlecht geredet oder gehandelt haben. Vielleicht aber fällt uns durch die Wirkung dieses Geistes auch etwas ein, womit wir einem Mitmenschen eine Freude machen können, unserem Lebenspartner, unserer Mutter, dem Vater oder sonst einem Menschen in unserer Nähe? Auch so etwas tut der Geist Gottes. Schließlich kommt auch die Dankbarkeit von diesem Geist her. Dann „treibt“ uns der gute Geist Gottes dazu, dass wir nicht nur nehmen, sondern auch geben, dass wir nicht stumm bleiben, wenn uns Gutes geschieht, sondern den Mund aufmachen und die Hän- de regen und dafür mit Worten und Taten Danke sagen. Bei alledem geschieht uns keine Gewalt! Der Geist „treibt“ uns nicht vor sich her wie willenlose Wesen. Vielleicht sagen wir es einmal so: Gottes Geist regt uns an, ermutigt uns, lädt uns ein, unsere sonstigen Grenzen und Gewohnheiten zu überschreiten und unsere festen Standpunkte, Urteile und Vorurteile zu verlassen. Dabei bleiben wir frei! Wir müssen nicht folgen, wohin uns der Geist führen will. Aber wir sollten es und wir können es! Und das bringt uns zu dem, was wir sonst noch von Gottes Geist hören: „Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet.“ Gottes Geist legt uns kein Gesetz auf, das uns bedrückt und versklavt. Er droht uns auch keine Strafe an, wenn wir uns nicht so oder so verhalten. Wir haben ja schon durch Jesus Christus das Anrecht auf den Himmel geschenkt bekommen. Hören wir doch: „... wir sind ... Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.“ Das Erbe kann uns keiner mehr nehmen. Wäre das Gesetz über uns, müssten wir es aus eigener Kraft erfüllen, dann gäbe es immer auch die Furcht, dass wir versagen, dass wir die Verheißung verlieren, die uns versprochen ist. Wir leben aber nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Und das ist das Dritte, zu dem uns der Geist Gottes führen will: „... ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“ Bei mir stellen sich da zwei Gedanken ein, an die Sie jetzt vielleicht auch denken. Der erste ist einer, der im Neuen Testament ganz eng mit der Taufe verbunden ist: So sagt Jesus zu seinen Jüngern als sie eine Gruppe von Müttern wegschicken wollen, die von ihm erbit- ten, dass er ihre Kinder segnet: „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn sol- chen gehört das Reich Gottes.“ (Mk. 10,14) Kinder oder auch Erwachsene, die sich vor Gott ihre Kindlichkeit bewahrt haben, sind ihm also besonders nah! Und der zweite Gedanke ist dieser: Nicht nur hier, immer wieder hören wir Jesus zu seinem und unserem Gott „Abba“ sagen - und so beginnt ja auch das wichtigste Gebet der Christenheit, das er uns gelehrt hat! Und „Abba“ heißt „Vater“, ja sogar noch viel vertrauter, es bedeutet die kindliche Anrede „Papa“! So soll unser Verhältnis zu Gott sein, dass wir zu diesem kindlichen Umgang mit ihm finden. Und auch das ist nicht unser Werk und Verdienst, sondern kommt von daher: „... ihr habt einen kindlichen Geist empfangen ...“ Nun kann es schon sein, dass uns diese drei Wirkungen des Geistes wieder auf die Frage stoßen: Wenn das alles der Geist Gottes macht, sind wir ihm dann nicht doch ausgeliefert, ja, sind wir nicht unfrei und gar nicht fähig, dem Geist Gottes aus eigenem Wille zu wehren? Ersteinmal müssen wir eins festhalten: Es ist nichts Schlechtes, das der Geist in uns wirkt, sondern etwas Gutes, ja, das Beste, das uns Menschen je passieren kann! Und wir wären dumm, wenn wir uns gegen den guten Geist Gottes sperrten! - Und trotzdem: Es geht! Nehmen wir das „Gewissen“. - Ich muss nicht auf das hören, was es mir sagt und wozu es mich „treiben“ will. Und es gibt genug Menschen (übergenug!), die ihres Gewissens Stimme lange schon zum Schweigen gebracht haben und darum „gewissenlos“ denken, reden und handeln. Denken wir an unser „Erbe im Himmel“. - Sicher kann man dieses Erbe ausschlagen, gewiss können wir versuchen, aus eigenen Kräften - ohne Jesus Christus - unser Leben und unser Heil zu machen. Wir folgen damit einem „knechtischen Geist“ und legen uns selbst ein Gesetz auf, das Jesus Christus erfüllt und überwunden hat und uns abnehmen wollte (und abgenommen hat!). Und denken wir noch daran, dass wir Gottes Kinder sein dürfen. - Nein, wir müssen zu Gott nicht Va- ter sagen und als seine Kinder zu ihm kommen. Wir können auch von ihm weggehen, und uns als die eigenen Herren aufspielen, wie es viele Menschen heute halten und zu allen Zeiten gehalten haben. Und wir können ihm ein Leben lang fern bleiben und nicht, wie es etwa der Verlorene Sohn getan hat, irgendwann zu ihm zurückkehren. Man kann durchaus die Gottferne bis zum letzten Atemzug durchhalten. Niemand und nichts kann einen Menschen davon abbringen, auch und gerade Gottes gu- ter Geist nicht! Denn er will unsere Freiheit! Er will, dass wir uns gern durch das Gewissen von ihm leiten lassen, uns an dem versprochenen Erbe in seiner Herrlichkeit schon heute freuen und fröhlich und ohne Widerstreben seine Kinder sind! Und hier kommt nun noch die Frage hinter allen anderen Fragen, über die wir heute nachgedacht ha- ben: Warum - um Gottes und seines guten Geistes Willen - sollten wir uns denn wehren, wenn uns Gott so gütig entgegenkommt und uns so reich, so überreich beschenkt? Warum sollten wir denn all die Freundlichkeit, all die wunderbaren Gaben zurückweisen? Was könnte uns denn auf einen an- deren Weg bringen als den, auf dem unser Herr Jesus Christus uns vorausgegangen ist? Wer oder was kann uns in dieser Welt denn mehr versprechen als das, was uns durch Gottes Gnade schon heute und in Ewigkeit gehört: Das Leben als Kind und Erbe im Reich Gottes? - Wir müssten doch dumm sein, das auszuschlagen! Wir glichen doch dann dem Verlorenen Sohn, wenn er in der Fremde, fern vom Vater am Trog der Schweine geblieben wäre und dort sein erbärmliches Leben vollendet hätte! Ein Letztes muss nun noch einmal gesagt werden: „Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.“ Der Weg, auf den Gottes Geist uns weist, wird wohl nicht am Leid, an Schmerz, Trauer und Tod verbeiführen. Aber wir werden keinen Augenblick auf diesem Weg allein sein. Jesus Christus, unser lebendiger Herr, wird bei uns sein, mit uns in alles Dunkel und jede schwere Zeit hineingehen - und hindurch bis zur ewigen Vollendung im Reich unseres Vaters. AMEN