Predigt zum 12. Sonnt. nach Trinitatis - 22.8.2010 Textlesung: Apg. 9, 1 - 9 Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Ho- henpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe. Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. Liebe Gemeinde! Sie haben recht: Das ist nicht die ganze Geschichte. Zum Predigttext für heute gehört auch noch der Rest des Berichts von der „Bekehrung des Saulus“. Aber ich dachte mir, der erste Teil ist erst einmal genug, um danach zu fragen, was diese alte Geschichte eigentlich mit uns zu tun hat. Denn nur als Bericht über eine Bekehrung vor bald 2000 Jahren ist dieser Text doch wohl nicht interessant genug für eine Predigt. Wir wollen schließlich heute wie an jedem Sonntag auch etwas für uns selbst aus dem Gottesdienst mitnehmen: eine Stärkung unseres Glaubens, eine Anregung für unser Nachdenken, einen Anstoß für unser Leben als Christen. Und ich glaube schon, dass wir in dieser Bekehrungsges- chichte - und eben besonders in ihrem ersten Teil - einige Gedanken finden, die es wert sind, dass wir eine Zeit bei ihnen verweilen - zum Beispiel gleich im allerersten Vers: „Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn ...“ Sie wundern sich jetzt, nicht wahr? Was soll denn hier enthalten sein, was uns irgendwie stärkt und im Glauben weiterbringt? - Aber sehen wir das doch einmal so: Wie kommt denn einer dazu, sich derart gegen ein religiöses Splittergrüppchen, wie es die ersten Christen damals gewesen sind, zu engagieren? Eigent- lich waren sie von der Anzahl her, doch ganz unbedeutend, die Anhänger dieses Jesus von Nazareth. Und Saulus war in der Ausübung seiner eigenen Religion doch von ihnen nicht gestört oder gar be- hindert. Warum also regt er sich so auf, ja, „schnaubt“ und „droht“ und ist als frommer Jude gar zum „Morden“ bereit? - Ich glaube fest, hier äußert sich schon der Wille unseres Herrn Jesus Christus, den Saulus verfolgt und dessen Anhänger er jagt! Denn hätte ihn dieser „neue Weg“, den die Christen hinter ihrem Herrn hergingen, kalt gelassen, er wäre niemals der große Missionar und Theologe ge- worden, als den wir ihn im Neuen Testament kennen und schätzen. Ja, vielleicht wäre der „Neue Weg“ ohne ihn nur eine Sackgasse gewesen und hätte sich schon bald im Sande verlaufen. - Aber was hat das nun mit uns zu tun? Kennen wir das nicht auch von Menschen, die sich heute ausdrücklich vom Christentum distanzieren? Dass sie weder ganz über unseren Glauben schweigen, der sie doch angeblich kalt lässt und den sie nicht teilen, noch dass sie, wenn sie sich schon über ihn äußern, gelassen und unaufgeregt und mit der zu erwartenden Gleichgültigkeit über ihn sprechen. Nein! Es ist vielmehr oft so, dass sie uns unaufgefordert erzählen, was sie gegen den christlichen Glauben haben. Und dabei reden sie sich in Rage und wollen sich gar nicht mehr beruhigen. Besonders alle, die dienstlich oder ehrenamtlich mit der Kirche verbunden sind, können da manchmal unglaubliche Dinge hören. Da fangen diese Gegner des Christentums doch wirklich an, vor noch jungen PrädikantInnen oder PfarrerInnen vom Versagen der Kirche im 3. Reich zu sprechen. Und sie wollen damit ernsthaft begründen, warum sie sich heute dem Christenglauben verschließen. Sogar die „Mission mit dem Schwert“ in Lateinamerika und die Kreuzzüge des Mittelalters bekommen wir angelastet! Und auch die Missbrauchsfälle der jüngeren Zeit werden nicht nur den Tätern, sondern allen Kirchenleuten vorgehalten, wobei die Zugehörigkeit zur katholischen oder evangelischen Konfession ganz gleichgültig ist. Da kommt es dann auch schon einmal vor, dass man sich als evangelischer Pfarrer sagen lassen muss: „Und Ihr Papst hat zu dem al- lem viel zu lange geschwiegen!“ Woher kommt denn dieses unversöhnliche Reden über einen Glauben, der einen doch eigentlich gar nicht betrifft? - Es ist dieselbe Macht, die schon Paulus so umgetrieben hat, dass er sich mit den Christen und ihrem neuen Weg derart intensiv beschäftigen musste. Es war und ist Jesus Christus, der Paulus bewegt hat und der heute die erklärten Gegner des christlichen Glaubens bewegt, dass sie nicht zur Ruhe kommen, bis sie sich selbst persönlich und angemessen auf diesem Glauben einlassen. Denn Jesus Christus will, „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1.Tim. 2,4). Es ist also durchaus kein schlechtes Zeichen, wenn Menschen, mit denen wir zu tun bekommen, über unseren Glauben lautstark herziehen und beteuern, sie könnten mit Jesus Christus absolut nichts anfangen. - Wir dürfen sicher sein: Unser Herr arbeitet schon an ihnen! Hier ist das zweite, das wir von der Bekehrung des Saulus in unser Leben mitnehmen können: „Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel ...“ Wenn einer zum Glauben der Christen findet, dann ist das so, als ginge ihm ein Licht auf. Die Dinge, die Welt, alle Erlebnisse und Erfahrungen sehen auf einmal anders aus. Was wir bisher nie wahrgenommen haben, liegt plötzlich klar und deutlich vor uns. Und was für uns immer hell vor Au- gen war, ist jetzt im Schatten, sodass wir es gar nicht mehr erkennen können. Auch die Werte, die wir den Dingen, unseren Beziehungen und dem, was wir täglich erfahren, beimessen, werden anders und bekommen eine Bedeutung, die sie früher nie hatten: Ob wir zu einem Menschen ein gutes, liebevolles Verhältnis haben, wird uns auf einmal wichtiger als das Gefühl, alles im Griff zu haben und über die nötigen Ellenbogen zu verfügen, uns durchzusetzen. Das herzlichen Einvernehmen mit anderen Christen in unserer Gemeinde, die gelungene Gemeinschaft in der Familie, in der Nachbar- schaft, im Verein und selbst an unserem Arbeitsplatz ist uns jetzt ein größeres Anliegen als das, sich von den anderen Menschen zu unterscheiden und durch ein großes Auto und andere Statussymbole von ihnen abzuheben. Überhaupt rückt das Materielle hinter dem Geistlichen und Spirituellen stark in den Hintergrund. Das alles macht das Licht des Glaubens. Dieses Licht ist unser Herr Jesus Christus. Und hier ist der dritte Gedanke, der es wert ist, dass wir ihn behalten und von heute mit in unser Leb- en nehmen. Das wird von Saulus erzählt: „Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus ...“ Was uns das sagt, sagen will?: Zum Glauben findet einer nie allein! Er braucht Mit- menschen, die ihn „an der Hand nehmen“, die ihn führen und ihm den Weg weisen. Und hierbei geht es weniger um Erklärung des Glaubens oder gar um Belehrung über seine Inhalte. Zum Glauben führt ein Mensch den anderen durch Beispiel und Vorbild! Es mag einer viele Worte darüber machen, wie sehr er Jesus liebt und wie wichtig ihm ist, dass er ihn kennen gelernt hat - überzeugender ist allemal sein Verhalten: Wenn er die gleiche Liebe, die er zu seinem Herrn hat, auch den Mitmenschen schenkt, wenn er auf den dunklen Lebensstrecken die Hoffnung festhält und in Zeiten des Glücks das Danken nicht vergisst und damit deutlich macht, dass er weiß, von wem er alles empfängt. Liebe Gemeinde, besonders damit, dass wir unseren Mitmenschen ein lebendiges Beispiel dafür abgeben, wie uns der Glaube an Jesus Christus erfüllt und prägt, werden wir selbst zu rechten Jün- gerinnen und Jüngern unseres Herrn. Lassen Sie uns aufmerksam sein oder werden, wenn unsere Nächsten in lautstarker und so auffälliger Weise darüber sprechen, wie sehr sie den christlichen Glau- ben verachten. Je mehr und lauter sie reden, umso intensiver und manchmal verzweifelter ist ihre Suche nach einem Halt im Leben und einem Licht, das den Weg weist. Zeigen wir ihnen mit unserem Vorbild - liebevoll und unaufdringlich! - wer dieses Licht unseres Lebens und der Welt ist. Ich glaube, jetzt ist es Zeit, dass wir noch den zweiten Teil der Bekehrungsgeschichte des Saulus hören: Textlesung: Apg. 10 - 20 Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Han- anias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf ihn legte, damit er wieder sehend werde. Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangenzunehmen, die deinen Namen anrufen. Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen. Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem heiligen Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus. Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei.