Predigt zum 2. Sonnt. nach Trinitatis - 13.6.2010 Textlesung: Eph. 2, 17 - 22 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. Liebe Gemeinde! Die Gefahr ist groß, dass wir die ersten beiden Sätze dieser Verse gar nicht recht verstehen und deshalb achtlos an ihnen vorbeigehen. Dann aber würden wir sehr wichtige Gedanken links liegen lassen und unsere Ohren und unser Herz einer der wesentlichsten Botschaften dieser Worte des Paulus verschließen. Darum will ich die beiden Sätze noch einmal für uns sagen und in unsere Zeit übertragen. Das klingt dann so: Jesus Christus hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr nichts von Gott wusstet, weil ihr euch nicht für ihn interessiert habt oder nichts von ihm wissen wolltet und Frieden denen, die ihn schon immer kannten und ihr Vertrauen auf ihn gesetzt haben. Denn durch die Versöhnungstat Jesu Christi am Kreuz haben wir alle beide durch Gottes Heiligen Geist im Glauben Zugang zum Vater. Was sich bei Paulus noch auf Heiden- und Judenchristen bezog - wobei die Judenchristen den ehe- maligen Heiden die gleiche Nähe zu Gott absprachen - dürfen wir heute als ein Wort an die unter uns verstehen, die schon lange Zeit - vielleicht seit ihrer Kindheit und Jugend - im Glauben leben. Weil diese Menschen schon so lange Christen sind, sehen sie manchmal auf die herab, die einen großen Teil ihrer Jahre, ja, vielleicht bis heute ohne Beziehung zu Gott gelebt haben. Dabei wollen sie oft gar nicht wissen, woran das wohl liegt. Es ist für uns, wenn wir zu denen gehören, die schon lange gläubig sind, immer wieder eine sehr schwierige, manchmal schmerzliche Erkenntnis, dass es vor unserem Gott offenbar keinen Unter- schied macht, ob einer schon seit langer Zeit, oder erst seit kurzem an Jesus Christus glaubt. Ja, wenn wir die Worte und Geschichten Jesu ernst nehmen, müssen wir sogar sagen: Es genügt dur- chaus für „den Zugang zum Vater“, wenn einer auf dem Sterbebett, also in der letzten Lebens- minute seinen Glauben findet (- denken wir dabei an den Schächer am Kreuz, dem Jesus zusagt: „Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein“. (Lk. 23,43) Und am Gleichnis von den „Arbeitern im Weinberg“ (Mt. 20,1ff) wird deutlich, dass auch die Menschen, die erst ganz spät die Arbeit im Weinberg Gottes aufgenommen haben, den vollen Lohn erhalten sollen. Aber was stört uns eigentlich daran, wenn einer erst kurze Zeit glaubt und uns doch von der Güte Gottes gleichgestellt wird? Es ändert doch nichts an unserer guten Beziehung zum Vater im Him- mel. Wir haben keine Nachteile davon! Wir wollen es ehrlich aussprechen: Wir denken, diese Menschen hätten es sich zu leicht gemacht! Wir meinen, sie haben das einfach nicht verdient, dass Gott ihren gerade erst gefundenen Glauben genau so belohnt wie den unseren, der seit Jahren und oft Jahrzehnten bewährt ist. Und jetzt wollen wir auch bei der Ehrlichkeit bleiben: Wir denken hier „verdienstlich“ und wir sprechen von „Lohn“ - zwei Dinge, die uns eigentlich - zumal als evangelische Christinnen und Christen! - fremd sein müssten! Dabei gibt es einen Umgang mit diesen Gedanken, der sozusagen von der anderen Seite einen ganz anderen Blick auf die Menschen öffnet, die anders als wir, erst seit kürzerer Zeit zu Jesus Christus gehören. Ich will jetzt nicht sagen, dass wir Mitleid mit ihnen haben müssten, das hört sich so hera- blassend an. Aber es könnte und müsste uns doch eigentlich traurig machen, dass sie erst so spät zum Glauben gefunden haben: Sie durften lange Jahre nie den Halt erfahren, den wir an der Hand Gottes finden. Sie konnten nie die Geborgenheit erleben, die das Gottvertrauen schenkt. Immer fehlte ihnen die Mitte und ein Ziel ihres Lebens, das ihren Tagen, Monaten und Jahren Sinn und Fülle verliehen hätte. Wir - sozusagen als die älteren Glaubensgeschwister - müssten doch eigent- lich mehr Barmherzigkeit für diese Menschen aufbringen, aber wir können es oft nicht! Bekennt sich eine oder einer spät zum Glauben der Christen, dann bauen wir in unserem Hochmut auch noch Hürden auf und denken oder sprechen: Ihr habt das nicht verdient. Der Lohn, den Gott euch gibt, ist zu groß, gemessen an eurer Leistung. Ihr habt es euch zu leicht gemacht. Euer Weg zum Glauben ist nicht lang und entbehrungsreich genug gewesen! - Klingt uns da nicht das Wort des Weinbergbesitzers aus dem vorhin genannten Gleichnis in den Ohren: „Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?“ Und eigentlich müssten wir doch auch merken, wie abschätzig wir damit über unseren eigenen Glauben reden? Denn wir sagen doch damit, dass wir glauben, wir hätten Gottes Güte verdient. Und wir tun damit so, als vertrauten wir auf unsere Verdienste und meinten, sie hätten uns Gottes Vergebung und die ewige Zukunft erworben. Dabei wissen wir es eigentlich ganz genau: Der Glaube ist immer ein Geschenk Gottes - unser altbewährter Glaube genauso wie der, den unser Nächster vielleicht erst heute empfängt. Und selbst auf den, der nicht gläubig ist, können wir nicht herabsehen, denn er kann nichts dafür, dass Gott ihm das Geschenk des Glaubens bis heute voren- thalten hat. Liebe Gemeinde, bis jetzt sind das alles Argumente eher für den Kopf. Die rechte Haltung denen gegenüber, die nicht oder noch nicht glauben, bekommen wir aber nur, wenn wir unser Herz an- sprechen lassen! Darum will ich jetzt versuchen, so zu reden, dass uns das Herz aufgeht: Wenn wir davon herkommen, dass wir die Gnade Gottes erfahren haben, glauben zu können, kann es uns doch nur leid tun, wenn andere Menschen diese Gabe nicht erhalten haben, nicht glauben können und kein Vetrauen zu Jesus Christus haben. Denn aus dem Geschenk des Glaubens kommt doch ein so großer Segen, der uns beglückt, hilft und tröstet, je nach dem. Wir kennen die Macht des Gebets. Wir wissen, wie tröstlich es ist, dass Jesus Christus immer ganz nah bei uns bleibt. Wir glauben, dass er uns den Himmel geöffnet hat, dass wir auf ein Leben in der Nähe des Vaters zugehen und dass eine ewige Welt ohne Leid, Krieg, Not und Tod auf uns wartet. Andere kennen, wissen, glauben und erwarten das nicht. Und das ohne eigene Schuld! Und - lassen wir uns das noch einmal deutlich sagen - wir verdanken es einzig und allein der Liebe und Güte Gottes, das unser Lebensweg so gewesen ist, dass vielleicht schon früh in uns der Same de Glaubens aufgehen und das Vertrauen in Jesus Christus wachsen konnte. Wenn wir jetzt einen Augenblick nachdenken, dann wird uns hier das Gebet des Vaters oder der Mutter an unserem Kin- derbett einfallen oder die Sonntagsschule später oder der Konfirmanden- oder der Schulunterricht ... Und wenn wir dann noch ein wenig bei diesen Erinnerungen bleiben, wird es uns ganz gewiss aufgehen: Wir selbst waren dabei nur die, an denen etwas geschehen ist, die empfangen haben, wofür sie nichts, wirklich gar nichts gegeben hatten. - Wollen wir anderen Menschen vorhalten, dass ihr Leben einen ganz anderen Verlauf genommen und Gott ihnen sein Glaubensgeschenk nicht gegeben hat? In diese Gedanken hinein sagt Paulus uns heute: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander- gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.“ Vielleicht spüren wir jetzt, dass wir eigentlich nur dankbar dafür sein können. Nichts, gar nichts haben wir selbst dazu beigetragen, dass wir Jesus Christus vertrauen und Hausgenossen Gottes sind. Nichts ist daran unser Verdienst oder der durch unsere Leistung erworbene Lohn, den wir von Gott erhalten hätten. Alles ist Geschenk, Gnade, Güte und Liebe des Vaters im Himmel, die uns Je- sus Christus am Kreuz von Golgatha mit Leiden und Bluten verdient hat. Beitragen können wir nun aber dazu, dass andere Menschen durch die Art, wie wir denken und re- den, wie wir sie ansehen und behandeln, durch unsere unverkrampfte Freundlichkeit und unsere selbstverständliche Hilfe den Glauben an den fassen, der in uns wirkt und uns täglich neu die Kraft schenkt, auch die Mitmenschen zu lieben und sie anzunehmen als Brüder und Schwestern Jesu Christi und Kinder des einen Vaters aller Menschen, dass auch sie „miterbaut werden zu einer Wohnung Gottes im Geist.“ AMEN