Predigt zum Pfingstmontag - 24.5.2010 Textlesung: 1. Kor. 12, 4 - 11 Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. In einem je- den offenbart sich der Geist zum Nutzen aller; dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden; dem andern wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist; einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem ei- nen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen. Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will. Liebe Gemeinde! In der Gemeinde von Korinth ging es wohl mehr um das Ansehen, ja, den Ruhm einzelner Gaben und Begabungen der Gemeindeglieder. Vielleicht staunte man über die wohlgesetzte Rede eines der Gemeindeältesten. Oder man bewunderte die Fähigkeit einiger, andere Menschen gesund zu machen. Wieder andere galten als besonders weise und man gestand ihnen gern zu, dass sie Führungspositionen in der Gemeinde einnahmen. Da hinein spricht Paulus mit diesem Abschnitt seines Briefs an die Korinther: „Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ Und sein Anliegen ist klar: Keiner darf wegen seine besonderen Gabe aus der Gemeinschaft aller herausgehoben werden! Keine Gabe ist schlechter als die andere. Kein Amt ist größer als das andere. Keine Kraft hat weniger Bedeutung als die andere. Alle nämlich sind Ge- schenke von Gott und sollen allen in der Gemeinde dienen und nützen. Ich musste an die Hochachtung denken, die manche Menschen in unserer Gesellschaft heute genie- ßen. Der große Rennfahrer, der einige Male die Weltmeisterschaft errungen hat. Der hochbezahlte Bankchef, der seine Bank so gut durch die Krise gebracht hat, dass man sogar noch Dividende an die Aktionäre ausschütten konnte. Die beliebte Sängerin, die schon seit Jahren nicht mehr aufgetre- ten ist und nun doch noch einmal eine Tournee startet. Und noch Dutzende anderer Größen aus Wirtschaft, Politik und Show-Geschäft könnte ich hier anführen. Jedenfalls ist das Ansehen oder sagen wir: die Anbetung des Rennfahrers so groß, dass keinen der Bewunderer irgendwie stört, dass er als Deutscher seine Steuern nicht in Deutschland bezahlt. Bei dem Bankchef, den ich meine, fragt keiner danach, wie er die Angestellten des Unternehmens behandelt und wie leicht es ihm fiel, gleich einige tausend Mitarbeiter zu entlassen, als es die wirtschaftliche Lage der Bank erforderte. Und bei der besagten Sängerin merkt kaum einer, vor lauter Begeisterung darüber, sie doch noch einmal sehen und hören zu können, dass sie eigentlich gar nicht mehr singen kann. Was will ich damit sagen? Nicht sagen will ich, dass diese hoch geachteten Menschen keine gute Arbeit gemacht und keine Verdienste um ihren Sport, ihr Gewerbe oder ihre Kunst erworben hät- ten. Aber ungesund, unangemessen und ungerecht empfinde ich es, dass sie derart aus der Zahl der anderen hervorgehoben werden. Dass ihnen eine Position zugestanden wird, die so weltenweit von anderen Menschen entfernt und - wie man meint - so himmelhoch über der Leistung anderer ist, dass von diesen anderen eigentlich kaum geredet und überhaupt nicht gesehen wird, dass sie sich auch anstrengen und vorzügliche Leistungen und Ergebnisse vorzuweisen haben. Aber ich gehe noch viel weiter: Es ist schon einmal nicht richtig, dass Menschen, die im selben Metier tätig sind, wie die von uns so gern besonders bewunderten Leute, nicht beachtet werden und nicht zählen. Noch schlimmer ist für mich, dass bestimmte wichtige Berufe mit den speziellen Be- gabungen, die zu ihnen gehören, in unserer Gesellschaft als unwesentlich und darum als nicht er- wähnenswert gelten. Was sich auch in der Bezahlung dieser Berufe niederschlägt und darin, dass wir ihre Angehörige eher selten in Talk-Shows erleben, während sich die anderen dort die Klinke in die Hand geben. - Beispiele hierfür will ich auch geben: Ich denke etwa an Krankenschwestern und Pfleger - gemessen an der Verantwortung, die sie haben und dem großen Einsatz den sie bringen - oft in Bereichen, in denen zu arbeiten sehr unangenehm ist - werden sie immer noch sehr schlecht entlohnt und können mit einem Gehalt kaum eine Familie ernähren! Und ich denke an den Beruf der Erzieherin, des Erziehers: Wenn wir deren Gehalt einmal mit dem der Leute aus der Finanzwirtschaft vergleichen, dann wird deutlich, wie gering wir von der Arbeit an Menschen, namentlich an Kindern und Jugendlichen denken. Ein drittes - aber gewiss nicht das letzte Beispiel für eine schlechte Wertschätzung eines sehr wichtigen Berufs - wäre der einer Altenpflegerin, eines Altenpflegers. Uns ginge bei näherer Betrachtung nicht nur auf, wie niedrig das Lohnniveau in diesem Beruf ist, sondern auch, wie wenig Ansehen die Menschen in ihren letzten, meist weniger aktiven, Lebensjahren, die von ihnen gepflegt werden, bei uns haben. (Hier färbt gewiss auch unserer innerer Widerstand, uns selbst mit dieser letzten Lebensphase zu beschäftigen, auf die Menschen ab, die an Alten eine oft aufopferungsvolle Pflege leisten.) Aber was hat das alles mit den Worten des Paulus aus dem 1. Korintherbrief zu tun? Noch einmal wollen wir die ersten Zeilen hören: „Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ Und hier einmal ganz ausdrücklich: Ja, auch der Renn- fahrer, der Banker, die Sängerin, genau wie die Krankenschwester, der Erzieher oder die Altenpfle- gerin und die Angehörigen aller anderen Berufe haben ihr Talent für das, was sie tun, die Gabe, die sie darin entfalten und die Kraft, die sie darin einbringen von Gott! Und diese Gaben sind nicht al- lein für die bestimmt, denen Gott sie geschenkt hat, sondern für alle in der Gemeinschaft, in der die Menschen mit diesen Gaben leben und wirken. Nun ist es aber so, dass wir nicht nur das Wissen darum im angeblich christlichen Abendland verlo- ren haben. Uns sind auch besonders in den letzten Jahren zahlreiche christliche Werte, die ehemals ganz selbstverständlich galten, abhanden gekommen. Ich nenne da nur die Sonntagsheiligung, das Eintreten für die Kleinen und Schwachen und die Achtung der Würde aller Menschen, der kleinen und großen, der armen und reichen, der leistungsfähigen wie der kranken und behinderten. Besonders deutlich wendet sich Paulus allerdings gegen die Bevorzugung und die übertriebene Hochachtung bestimmter Begabungen und Ämter innerhalb der christlichen Gemeinden, denn er spricht hier Gaben aus dem Gemeindeleben an: „... dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden; dem andern wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist; einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem an- dern die Gabe, sie auszulegen.“ Wenn wir das auf unsere christlichen Gemeinden heute übertragen, würden wir vielleicht sagen: Das bibelfeste Gemeindeglied, das bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten einen Bibelspruch parat hat, verdient keine größere Hochachtung als der noch sehr unsichere Christ, der wenig Ahnung vom Katechismus oder der Heiligen Schrift hat und gerade seine ersten Gehversuche im Glauben macht. Die Kirchenvorsteherin und der Kirchenvorsteher haben nicht mehr Aufmerksamkeit für das verdient, was sie denken oder reden, als die Kleinen aus dem Kindergottesdienst. Und auch die Pfarrerin und der Pfarrer, der Lektor oder der Prädikant, denen das Amt der Verkündigung oder der Gemeindeleitung übertragen worden ist, sind nicht mehr, besser oder wichtiger als die Konfirmandin oder der Konfirmand, wenn sie von ihren Fragen und Zweifeln in der Gottes Sache erzählen. Alle Ämter in unserer Evangelischen Kirche begründen keine höhere Würde oder die Pflicht zu besonderer Hochachtung durch die anderen Gemeindeglieder. Sie sind vielmehr nur eine besondere Aufgabe, eine Aufgabe, die immer der ganzen Gemeinde dienen soll, denn so schreibt Paulus: Was auch immer unsere Gabe, unser Talent und unsere Aufgabe ist, „in einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.“ Es ist schön, wenn (dass?) wir in unserer Gemeinde auf dem Weg, den Paulus uns weist, schon ein gutes Stück vorangekommen sind. Aber das soll auch in der übrigen Gesellschaft gelten: Die Gaben sind nicht alle gleich, aber haben den gleichen Wert. Kein Mensch hat mehr Ansehen dafür verdient, wenn Gott ihm diese oder jene Gabe verliehen oder ihn mit dieser oder jener Aufgabe betraut hat. Jeder Mensch hat die gleiche Würde und den selben Anspruch auf Achtung. Gottes Geschenk ist alles, was wir sind und haben, was wir können und vermögen. Denn: „... alles wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will.“ AMEN