Predigt zum Sonntag „Judika“ - 21.3.2010 Textlesung: Hebr. 5, 7 - 9 Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam ge- lernt. Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden. Liebe Gemeinde! Es gibt Predigttexte, da weiß man wirklich nicht, was man dazu predigen soll! Und - auch da bin ich ganz offen - man hat auch keine Ahnung, warum es bei den Kirchenleuten, die uns vor vielen Jahrzehnten die Ordnung der Predigttexte gegeben haben, gerade diese Texte sein mussten. - Was machen wir jetzt mit diesen drei Versen aus dem Hebräerbrief? Legen wir sie beiseite und nehmen einen anderen Text, zu dem sich mehr sagen lässt? Warten wir eine Weile und singen noch ein Lied, bevor wir uns diesen Versen noch einmal nähern? Hören wir den Text ein zweites Mal - jetzt mit der Frage, ob wir nicht irgendetwas in ihm entdecken, was uns zu denken und einen wich- tigen Gedanken mitgibt auf dem Weg zu einer Predigt? Das erste, was ich genannt habe, kommt für mich nicht in Frage, nämlich andere Verse zu wählen. Mir käme das wie eine Kapitulation vor. Aber das zweite, das Lied, ist nicht schlecht. Und das drit- te gefällt mir auch: den Text noch einmal lesen ... Wir wollen es so machen: Wir hören den Text noch einmal und lassen ihn dann während zweier Liedstrophen auf uns wirken. Hier ist also noch einmal die Textlesung: Hebr. 5, 7 - 9 Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam ge- lernt. Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden. Lassen Sie uns jetzt aus dem Gesangbuch Lied 91, 1+2 singen: Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken ... Ich glaube, besonders die zweite Strophe gibt einen Hinweis, wie es dann weitergehen könnte, denn mir ist da eine Idee gekommen ... (Die Orgel intoniert und die Gemeinde singt EG 91, 1+2) Liebe Gemeinde, ja, ich glaube darum geht es: Gehorsam! Wie haben wir vorhin gehört: Jesus hat „Gehorsam“ gelernt und er ist „für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils ge- worden“. Und wie haben wir dann von diesem Jesus gesungen: „... bis zum Tod am Kreuz gehor- sam werden, an unsrer Statt gemartert und zerschlagen, die Sünde tragen“. Ja, das ist es: Wie er gehorsam war, so sollen wir auch ihm und damit unserem himmlischen Vater gehorsam sein. Aber da gibt es schon gleich wieder eine Schwierigkeit: Was ist das eigentlich - Gehorsam? Ir- gendwie spricht das ja nicht mehr gleich mit uns, schon gar nicht mit den Jüngeren. So ein bisschen ist das wie mit der Demut oder der Barmherzigkeit. Vielleicht fällt uns in diesem Zusammenhang ja auch noch die Gnade ein und die Huld. Alles solche Wörter aus der „Sprache Kanaans“, wie die Theologen sagen. Andererseits enthält das Wort „Gehorsam“ ja doch einen deutlichen Hinweis, was damit gemeint ist - wir müssen dabei nur zwei Strichelchen über das „o“ machen: Dann lesen wir „Gehör“-sam - und haben den Sinn des Wortes erschlossen: Gehorsam ist einer, der einem an- deren Gehör schenkt - und das im doppelten Sinn: Er hört auf das was er sagt und er folgt dem und befolgt das, was er sagt. Und ganz sicher fällt uns dazu jetzt auch noch das Tätigkeitswort „gehor- chen“ ein. Liebe Gemeinde, jetzt erkennen wir die erstaunliche Tatsache, dass auch unser Herr in seinen Ent- scheidungen nicht frei war. Er musste vielmehr - wie es hier heißt - „in den Tagen seines irdischen Lebens“ mit „Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen ... obwohl er Gottes Sohn war, ... an dem, was er litt, Gehorsam“ lernen. Und wie von selbst fällt uns da jetzt die Gethsema- ne-Geschichte ein, in der Jesus fleht, weint und bittet, der Kelch des Leids möge an ihm vorbeige- hen. Als der Kelch aber nicht an ihm vorbeigeht, ohne dass er ihn trinkt, gibt es nur zwei Möglich- keiten: Weglaufen oder eben gehorsam sein. Dass Jesus nicht weggelaufen und dem Leid ausgewi- chen ist, sondern den bitteren Kelch getrunken hat, darin liegt das Vorbild für unseren Gehorsam. Da sind wir nun mittendrin in sehr ernsten, dunklen Überlegungen und wir möchten gewiss so schnell es nur geht, wieder aus ihnen herauskommen! Aber stellen wir uns nur noch einen kurzen Augenblick diesen düsteren Gedanken, denn in ihnen liegen nicht nur Ernst und Dunkelheit, son- dern auch viel Licht, viel Hoffnung und der ganze Kern unseres Glaubens: Jesus „hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt.“ Weil ER Gott in Ehren hielt, anders gesagt: weil ER gehorsam war, hat Gott IHN vom Tod errettet! Es war nicht mehr und nicht weniger als Jesu Gehorsam, um dessentwillen Gott ihm die Auferstehung von den Toten geschenkt hat. Liebe Gemeinde, vielleicht erschrecken wir an dieser Stelle doch ein wenig. Viel zu sehr ist uns das doch schon geläufig, wie ein lange auswendig gelernter Satz: Jesus hat gelitten, er ist gestorben und am dritten Tag auferstanden ... Aber er hätte das Leiden, den Tod am Kreuz gar nicht auf sich nehmen müssen! Er war nicht der Übermensch, dem das alles nichts ausmachte. Das hat ihn Not, Schmerz und Qualen gekostet! Er hat wirkliche, bedrängende Angst gehabt! Wenn er sagt: Lass diesen Kelch an mir vorbeigehen, dann ist das kein Satz, der ihn - immer wenn wir ihn lesen - menschlich und nah bei uns erscheinen lassen soll - das ist ein Wunsch aus der tiefsten Tiefe seines Herzens! Das ist nicht vorgeblich - sondern echt! Wenn uns das klar geworden ist, dann verstehen wir auch, dass es nur sein Gehorsam war, der Gott veranlasst hat, ihn aus dem Tod zu holen! Und vielleicht schaudert es uns jetzt ein bisschen, wenn wir das weiterdenken: Es war auch sein Gehor- sam, der uns aus dem Tod ins Leben holt. Und genau das ist hier gemeint: „... als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden.“ Sicher haben wir jetzt Grund genug, noch ein wenig über unseren eigenen Gehorsam nachzuden- ken. So altertümlich dieses Wort ja aufs erste Hören klingen mag, es spielt eine große Rolle - schon im kurzen Erdenleben Jesu und schon gar in unserem Glaubensleben als Christen! - Es ist Jesu Gehorsam gewesen, der uns das Ewige Leben verdient hat. - Es ist unser Gehorsam, der sich bei seinem Gehorsam bedankt. - Es ist Gehorsam, den Gott von uns haben will. - Gehorsam fragt nicht, warum Gott dies oder das von ihm verlangt, er tut es. - Gehorsam geht den Weg, den Gott ihm zeigt. - Gehorsam hat keine Furcht, denn er weiß, es liegt Gottes Segen über allem, was er tut. - Gehorsam will keine Garantien und keine Sicherheiten, bevor er den ersten Schritt macht. - Gehorsam kennt das Ziel, auf das er zugeht und findet es - auch in der tiefsten Dunkelheit. - Gehorsam ist die Antwort des Glaubens an den, der gehorsam war bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz. Liebe Gemeinde, nun haben wir doch aus diesen recht sperrigen Versen des Hebräerbriefs ein paar gute Gedanken über ein für uns Christinnen und Christen wichtiges Wort gezogen - über den Ge- horsam. Und dieses Wort zu verstehen, seine Bedeutung für unsere Beziehung zu unserem Bruder Jesus Christus und Gott, unserem Vater im Himmel, zu kennen, ist nicht wenig! Mehr allerdings ist es noch, diesen Gehorsam zum tiefsten Grund unseres Glaubens zu machen und in treuem, festem und unerschütterlichen Gehorsam den Weg zu gehen, den Gott uns für unser Le- ben zeigt und auf dem unser Herr uns vorausgegangen ist. AMEN Liedansage: EG 91, 3-7