Predigt zum Sonntag „Laetare“ - 14.3.2010 Textlesung: 2. Kor. 1, 3 - 7 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott al- len Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben. Liebe Gemeinde! Selten habe ich so lange vor einem Predigttext gesessen, ohne dass mir ein Satz eingefallen wäre, mit dem ich die Predigt hätte beginnen können. Geschweige denn ist mir aufgegangen, welche froh machende Botschaft ich zu diesen doch auch für Christen sperrigen Zeilen überhaupt sagen könnte. Ich denke, das lag am Thema, das durch diese Begriffe bestimmt ist: „Trübsal“, „Leiden“, „Geduld“. Und irgendwie können „Trost“ und „Hoffnung“, von denen hier ja auch die Rede ist, den Text nicht wesentlich erbaulicher machen. Nun gut, es ist Passionszeit. Aber wünschen wir uns nicht auch, ja, vielleicht gerade in diesen Wochen auf Ostern hin, einmal ein paar ermutigende Gedanken. Und das umso mehr, als uns der Name dieses Sonntags doch zuruft: „Lätare“ - „Freuet euch“! Aber worüber sollen wir uns denn freuen, wenn wir so hart auf unsere „Trübsal“ gestoßen werden, die wir ja weiß Gott selber schon schmerzlich genug empfinden? Andererseits ist das ja doch ein ganz erstaunlicher und durch die Erfahrung vieler Menschen beleg- ter Satz: Gott tröstet uns „in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind.“ Ich habe einmal gelesen, dass Selbsthilfegruppen bei körperlichen Krankheiten oder seelischen Problemen deshalb so besonders hilfreich für ihre neuen Mitglieder sind, weil sie dort Menschen finden, die das selbst kennen und durchlitten haben, woran sie leiden und womit sie nicht zurechtkommen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass ich bei Leuten, die das schon durch- machen mussten, was mich quält oder mir noch bevorsteht, mehr Hilfe finde als bei einem Berater, der das, was mich belastet und ängstigt, nur aus der Beschreibung anderer kennt. Und auch dieser Satz baut uns ja eigentlich doch ein wenig auf, wenn wir ihn nur recht hören: „Wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.“ Sicher wünschen wir uns keine Trübsal für unser Leben, aber es ist doch gut zu wissen, dass wir nicht allein sind mit unserem Leid, ja, dass der Trost, den wir erfahren, immer mindestens so groß ist, wie die Trübsale, die uns bedrücken. Liebe Gemeinde, ein wenig seltsam ist das jetzt schon, aber ich merke, je tiefer ich eindringe in diese Worte des Paulus, umso mehr erschließen sie sich mir. Allerdings haben sie zwei wichtige Voraussetzungen, ohne die wir sie wohl nicht verstehen und schon gar nicht bejahen können. Die erste Voraussetzung ist der Glaube. Damit meine ich, dass wir ein kindliches, bedingungsloses Vertrauen zu Gott haben. Wir müssen unserem himmlischen Vater schon abnehmen, dass er uns - auch wenn wir durch dunkle Zeiten gehen müssen, durch Kummer, Sorgen und Leid - doch treu bleibt und immer unser Bestes will. Wir müssen davon ausgehen, dass alles - und noch das Schlimmste und Schwerste - uns am Ende dienen wird und uns nichts geschehen kann, was uns von Gott und der Liebe Jesu Christi trennen kann, die uns durch dieses zum Ewigen Leben führt. Die zweite Voraussetzung, dass wir die Gedanken des Paulus verstehen, ist die Verbundenheit, die wir miteinander haben. Dass wir eine die andere und einer den anderen trösten, dass wir am Ges- chick unserer Mitmenschen teilnehmen, ja, dass wir uns überhaupt füreinander interessieren, kann nur aus unserem Wissen darum kommen, dass wir durch unseren Herrn alle Geschwister Jesu Christi und untereinander Schwestern und Brüder sind. Man kann das aber auch noch so ausdrücken: Es geht um unsere Verbundenheit in der Gemeinde! Und wir können uns ja schon vorstellen, dass es dem Apostel Paulus ein besonderes Anliegen war, dass die Gemeinden, die er gegründet hatte, in allem zusammenstehen! Nun ist das mit der Gemeinde heute so eine Sache! Eigentlich wird ja in unseren Tagen der Trend hin zur Vereinzelung der Menschen immer deutlicher. Statt sich zusammenzutun und gemeinsam die Probleme der Zeit und ihres Lebens anzugehen, statt sich gegenseitig zu helfen und zu stützen, ziehen sich die Menschen mehr und mehr ins Private zurück. Verständlich ist das schon! Es ist zum einen ja mit Mühe verbunden, sich die Sorgen der anderen anzuhören. Und man muss dann ja auch irgendwie reagieren. Das kosten manchmal Stunden, Stunden die man lieber vor dem Fernseher oder mit einem guten Buch verbringt. Zum anderen funktioniert das ja nicht, wenn wir uns nicht auch den Mitmenschen öffnen, bereit sind, auch ihnen von unseren Sorgen und unserem Kummer zu erzählen. Und da gibt es bei vielen von uns eine gewisse Scheu. Vielleicht steht hinter unserer Zurückhaltung auch die Meinung, das interessiert andere doch gar nicht, wie es mir geht und was mich bedrückt. Paulus würde das nicht gelten lassen, weder die mangelnde Bereitschaft andere Menschen an- zuhören, noch unsere eigene Scheu, anderen von dem zu reden, was uns bedrückt. Und wer das einmal probiert hat, mit einem Mitmenschen aus der christlichen Gemeinde eine etwas tiefer ge- hende Beziehung einzugehen, der weiß, wie hilfreich und beglückend sie sein kann! Ich glaube, wir müssen an irgendeiner Stelle eintreten in den Kreis aus Reden und Zuhören, Auf- nehmen, was der andere braucht und ihm dann auch wirklich helfen ... Und ich glaube, hier können die Worte des Paulus uns auf den richtigen Weg zu unseren Nächsten in der Gemeinde bringen: Gott tröstet uns „in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind.“ Liebe Gemeinde, wenn das nun der Wille Gottes wäre, dass wir aus eigener Trübsal dazu kommen und fähig werden, andere Menschen zu trösten? Und wenn es auch sein Wille wäre, dass unsere Mitmenschen an ihrer Trübsal lernen, auf uns zuzugehen und uns anzuhören und zu trösten. Wenn es so wäre ...? Ich bin sicher, das es so ist! Denn Gottes Handeln geschieht meist nicht zuerst am Einzelnen, sondern an der Gemeinschaft, in der er lebt. Gott führt ein Volk aus Ägypten und er macht es sich am Sinai zu eigen. Gott sendet seinen Sohn in die Welt und der beruft eine Schar von Jüngerinnen und Jüngern, die seine Vertrauten werden. Unser Herr leidet und stirbt nicht für Einzelne, sondern für die Schuld aller Menschen. Paulus bleibt nach seiner Berufung vor Damaskus nicht für sich, sondern gründet auf zahlreichen Reisen viele Gemeinden. Heute nun spricht dieser Paulus zur Gemeinde von Korinth und zu uns - als Glieder unserer Kirchengemeinde: „Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.“ Haben „wir“ Trübsal ... es ge- schieht „euch“ zum Trost und Heil ... Gemeinsam erfahren wir Trost. Wenn wir zusammenstehen, werden wir die nötige Geduld aufbringen, durch alle Leiden hindurchzukommen. Das Ziel unserer Hoffnung werden wir alle zusammen erreichen. Wir sind nicht allein, wir haben einander! Heute sind wir als Gemeinde versammelt und noch heute kann das unter uns beginnen, dass wir einander wahrnehmen, anhören, uns öffnen und von uns selbst reden und so eine durch die andere und einer durch den anderen Beistand, Rat und Hilfe erfahren. Das Wort, das dich tröstet, kannst du dir nicht selber sagen! Das Wort, das einen Mitmenschen be- freit und ihn von seinen Sorgen erlöst, muss er von dir hören! In der Gemeinde von Christinnen und Christen ist das möglich, denn wir sind Geschwister unseres Herrn und eine und einer des anderen Schwester und Bruder. „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes“ ... Gelobt sei Gott, dass es Gemeinde gibt und wir nicht allein leben müssen, ohne die Hilfe der anderen, ohne ihren Trost und ohne ihre Ermutigung. AMEN