Predigt zum 12. Sonntag nach Trinitatis - 23.8.2015 Textlesung: Mk. 7, 31 - 37 Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte. Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war, und baten ihn, dass er die Hand auf ihn lege. Und er nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf! Und sogleich taten sich seine Oh- ren auf, und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, sie soll- ten’s niemandem sagen. Je mehr er’s aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. Und sie wunder- ten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend. Liebe Gemeinde! Ein wenig seltsam ist sie schon, diese Geschichte und wir haben auch ein paar Fragen: Warum nimmt Jesus den Taubstummen „aus der Menge beiseite“? Warum berührt er seine Zunge mit Spei- chel? Warum seufzt er? Und warum sollen die Menschen, die bei der Heilung dabei waren, nie- mandem davon sagen? Die erste und die letzte Frage haben dieselbe Antwort: Jesus nimmt den Taubstummen beiseite, al- so weg von der Menge und er verbietet den Menschen, von der Heilung zu reden, weil er nicht der Wundertäter sein will, als den sie ihn wohl meist gesehen haben. In den Evangelien können wir immer wieder davon lesen, dass es unserem Herrn nicht gefallen hat, wenn die Menschen nur zu ihm kamen, um zu erreichen, dass er sie heilte. Auch mit seinen Wundern hat er sich sehr zurück- gehalten, denken wir nur an das allererste, als er in Kana aus Wasser Wein gemacht hat. Eigentlich wollte er das gar nicht, noch nicht jedenfalls. Und er hat seine Mutter bei dieser Gelegenheit auch ziemlich hart zurechtgewiesen: „Was geht’s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ (Jh.2,4) Aber die Frage bleibt: Warum will er nicht der Wundertäter sein? Weil er einen anderen Auftrag hatte, nämlich den, den Menschen den Willen Gottes zu verkündigen, ihre Schuld auf sich zu neh- men und ans Kreuz zu tragen und sie so mit Gott zu versöhnen. Jetzt könnten wir vielleicht denken: Aber es hätte seiner Botschaft doch sicher gedient, wenn er ne- ben der Erfüllung seines Auftrags auch noch eine rege Heilungs- und Wundertätigkeit betrieben hätte! Wenn wir in den Evangelien lesen, dann wird uns schnell klar, dass die Menschen, die zu ihm kamen, ihn und seine Worte von Gott weniger hören, als dass sie seine Wundertaten haben wollten. Und wir dürfen darüber auch nicht die Nase rümpfen! Wenn wir ehrlich sind, würden wir das gar nicht anders halten. Wenn wir selbst ein schlimmes Leiden hätten oder wenn ein Angehöri- ger taubstumm wäre und wir würden erfahren: Da ist ein Mensch, der kann jede Krankheit heilen und jeden gesund machen, dann wäre das, was uns dieser Mensch sagen will, nicht mehr als eine Zugabe, die wir uns zwar anhören würden, die aber für uns sicher weniger bedeutsam wäre. Die ganze Aufmerksamkeit seiner Zuhörer hatte Jesus immer dann, wenn er nicht nicht durch seine Wunder glänzte und damit von dem ablenkte, was sein vornehmster Auftrag war. Warum Jesus die Zunge des Taubstummen mit Speichel berührt, ist rasch erklärt: Dem Speichel schrieb man damals heilende und Dämonen abwehrende Kräfte zu. Und Jesus, auch wenn er es vielleicht besser wusste, wie diese Heilung zustande kam, hat sich dessen bedient, was die Men- schen damals glaubten. Seltsam ist aber auch, dass Jesus seufzte, bevor er die Behinderung von dem Taubstummen nahm. Wenn wir aber auch hier noch einmal bedenken, dass Jesus eigentlich nicht der Wundertäter sein wollte, sondern der Heiland, der die Menschen mit Gott ins Reine bringt, dann könnten wir auch sein Seufzen verstehen: Seufzen nicht auch wir immer wieder einmal, wenn einer von uns verlangt, was wir ihm eigentlich gar nicht geben wollen? Und heißt das dann nicht: Gut, ich lasse mich er- weichen, aber ich tu’s nicht gern! Liebe Gemeinde, ich denke, jetzt haben wir alles erklärt, was vielleicht an dieser Geschichte unklar war und warum wir Fragen an sie hatten. Aber wie immer gilt ja, dass uns die biblischen Geschich- ten und die anderen Texte für uns und unser Leben als Christinnen und Christen heute etwas sagen wollen. Warum sonst sollten wir diese alten Geschichten und Texte lesen? Und heute ist der Weg von dem, was wir eben für damals besprochen und geklärt haben, gar nicht weit zu uns Christen dieser Tage. Ja, es ist geradezu so, dass die wichtigste Botschaft dieser alten Geschichte zu allen Zeiten - und eben auch heute - eine der wichtigsten Botschaften ist, die wir Christen wissen und beachten müssen. Ich meine diese: Jesus war nicht zuerst ein Wundertäter! Er ist in die Welt gekommen, um uns von Sünde und Tod zu erlösen. Das ist sein vornehmstes Amt! Wenn er auch Wunder getan und Heilungen vollbracht hat, dann deshalb, weil ihm die Menschen, die ihn darum baten, Leid getan haben. Kann denn ein Arzt, der die Gabe hat, einem Menschen mit seinen Händen oder einer bestimmten Medizin zu hel- fen, an denen vorbeigehen, die er heilen könnte? Aber noch einmal: Die Wunder waren nicht das wichtigste für ihn und sollten es auch nicht für die Menschen sein, denen er predigte und Gottes Wort verkündigte. Er wollte durch dieses Wort die Menschen zu Gott führen und an ihrer Seele heil machen. Und er hat dafür sein Leben am Kreuz gegeben und uns so von aller Schuld frei gemacht und von Tod und Teufel erlöst. Es fällt uns immer wieder schwer, das so ganz zu verstehen. Und das haben die frommen Zeitge- nossen Jesu auch nicht verstanden. Wir sehen das besonders an einer bestimmten Geschichte: Da haben sie einen Gelähmten zu Jesus gebracht (Mt.92ff). Der hat nur einen Wunsch, nämlich wieder laufen zu können. Jesus aber spricht so zu ihm: „Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir ver- geben.“ Wir können uns vorstellen, wie der Gelähmte das aufgenommen hat, wie enttäuscht er war. Und die frommen Schriftgelehrten und Pharisäer haben mit diesem Wort Jesu noch ganz andere Probleme. Sie sagen nämlich: „Dieser lästert Gott.“ Aber Jesus entgegnet, was uns deutlich machen möchte, was wichtiger ist: körperliche Unversehrtheit, also Heilung oder dass wir mit Gott im Rei- nen sind. „Was ist denn leichter, zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf und geh umher?“ Nur um zu bestätigen, dass er Sünden vergeben kann, macht er den Gelähmten nun auch gesund, was für ihn die leichtere Sache ist: „Steh auf, hebe dein Bett auf und geh heim!“ Liebe Gemeinde, wir müssen uns nun nicht darum grämen, dass wir uns ja eigentlich doch auch heute eher wünschen, dass Jesus uns seine Macht zeigt, indem er unsere Krankheiten, Behinderun- gen und Beschwerden von uns nimmt. Mir geht das auch immer wieder so, dass ich ihn im Gebet darum bitte, dass er meinen Leib gesund macht. Aber wir wollen uns die heutige Geschichte von Jesu Heilung des Taubstummen dazu dienen las- sen, dass wir wieder neu über das nachdenken, was Jesu eigentlicher Auftrag war: Uns zu Gott und zum Vertrauen auf ihn zu führen, uns an unserer Seele heil zu machen und unsere Vergebung und unser Leben in Ewigkeit mit seinem Tod am Kreuz zu verdienen. Wenn wir uns nur ein wenig dar- über besinnen, dann werden wir nicht anders können, als das ein viel größeres Wunder zu nennen, als jedes andere Wunder, das Jesus vollbracht und jede Heilung, die er getan hat und heute tut. Wenn er uns schenkt, wofür er in die Welt gekommen und ans Kreuz gegangen ist, dann haben wir alles, was wir im Leben und Sterben und in Ewigkeit nötig haben. Die Menschen, die damals nicht abließen, Jesu Wundertaten zu bezeugen und zu verbreiten, haben am Ende etwas gesagt, was wir genauso gut auf das beziehen können, was Jesu eigentlicher Auftrag war: „Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.“ Wo wir vielleicht bis heute Jesus mehr als den Wundermann gesehen haben und ihn im Gebet da- rum angefleht haben, dass er uns gesund macht und wo wir taub waren, für das Wort, das unsere Seele heilen will, da wollen wir hörend werden! Wo wir bis heute wenig oder gar nicht davon gesprochen haben, was er an unserer Seele getan hat und was unser Glaube ist, da wollen wir Menschen werden, die von dem reden, was wir Jesus ver- danken und wir wollen ihn loben und rühmen und den, der ihn gesandt hat! AMEN