Predigt zum 7. Sonntag nach Trinitatis - 19.7.2015 Textlesung: Jh. 6, 1 - 15 Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt. Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden. Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme. Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele? Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts um- kommt. Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die de- nen übrigblieben, die gespeist worden waren. Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein. Liebe Gemeinde! Sicher haben jetzt einige von uns gedacht: „Ach, diese Geschichte! Die Speisung der Fünftausend! Die kennen wir gut! Wir wissen auch, was wir an ihr begreifen sollen: Es kommt nicht so sehr auf die Frage an, wie dieses Wunder mit den fünf Broten und zwei Fischen möglich war. Was am Ende deutlich werden soll, ist dies: Bei Jesus werden die Menschen satt - und das ist mehr in einem geistlichen Sinn gemeint. Wenn dann sogar noch 12 Körbe voll Brocken übrig bleiben, sollen wir an die 12 Stämme Israels denken, zu denen Jesus ja zuerst gekommen ist.“ Wissen wir also genug zu dieser Geschichte von der Speisung der Fünftausend? Dann könnten wir ja jetzt schon das Lied nach der Predigt singen. Oder gibt es noch andere Gedanken, die wir aus der Geschichte entnehmen können? Mir ist etwas aufgefallen, was wir meist kaum beachten, wenn wir diese Verse lesen oder hören. Es ist eine Sache, die uns heute mehr beschäftigen könnte, als das allzu bekannte und vielleicht zu stark beachtete Wunder von der Vermehrung der Brote und der Fische. Ich lese uns noch einmal die zwei Verse, die uns auf die Spur bringen wollen: „Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.“ Es sind eigentlich gleich zwei Dinge, die uns hier aufgehen können. Das erste ist dies: Es waren be- sonders die Zeichen, die Jesus getan hat, derentwegen die Menschen in Scharen zu ihm strömen und weniger das, was er ihnen über das Reich Gottes erzählt und wie ein Leben im Sinne Gottes aussehen soll. Wir können das gewiss auch verstehen. Wer krank ist, ein schweres Leiden oder eine Behinderung hat, der will an seinem Leib gesund werden. Und die Menschen wussten, dass Jesus die Macht auch über die körperlichen Gebrechen und Krankheiten gegeben war. Wenn Jesus heute zu uns käme, würden wir es genauso halten. Aber - und das ist das zweite: Es ist Jesus nicht recht, wenn sie zu ihm kommen, nur um an ihrem Körper gesund zu werden. Es ging ihm um das Heil der Menschen, ja, er war selbst dieses Heil. Darum entzieht er sich den Menschen, die zu ihm kommen - hier auf einen Berg, bei anderer Gelegenheit in die Wüste. Wir werden jetzt vielleicht denken: Dieses Verhalten Jesu ist eigentlich recht hart. Wenn einer die Macht hat, jede Krankheit zu heilen und tut es nicht, dann ist es nicht zu verstehen, ja, es ist fast grausam, wenn er den Kranken davonläuft. Sie haben nun einmal nur den einen Wunsch, das Lei- den, das sie schon Jahre, vielleicht ein Leben lang quält, endlich loszuwerden. Da beruhigt es uns ein wenig, dass wir wissen: Es gibt auch Berichte über unseren Herrn, in denen wir etwas ganz anderes lesen können, z.B. das: „Und es kam eine große Menge zu ihm; die hatten bei sich Gelähmte, Verkrüppelte, Blinde, Stumme und viele andere Kranke und legten sie Jesus vor die Füße, und er heilte sie.“ (Mt.15,30) Hier ist es nicht so und das hat einen guten Grund...oder sagen wir: einen verständlichen Grund: Je- sus wollte nicht der Wundertäter sein. Wenn die Menschen mit ihren Behinderungen und Krankhei- ten zu ihm kamen, machte er sie auch gesund, aber das war nur eine Zugabe zu dem, weshalb er ei- gentlich in die Welt gekommen ist: Die Menschen heil zu machen an ihrer Seele oder anders aus- gedrückt: Ihnen Vergebung ihrer Sünden zu zuzusprechen, sie mit Gott zu versöhnen und sie zum Glauben und zu einem gottgefälligen Leben zu führen. Denken wir an die Geschichte von den 10 Aussätzigen. (Lk.17,12-19) Jesus hat sie alle gesund ge- macht, aber nur einer kehrt zurück, um ihm zu danken und Gott die Ehre zu geben. Nur dieser eine ist auch heil geworden und das bestätigt Jesus mit dem Wort: „Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.“ Heilung ist mehr als gesund werden! Oder denken wir an die Frau, von der wir bei Markus lesen, die 12 Jahre am Blutfluss gelitten hat. Auch sie wird nicht nur gesund, sondern heil durch Jesus. Auch ihr sagt er: „Sei getrost, dein Glau- be hat dir geholfen.“ (Mk.9,20-22) Schließlich zeigt uns auch die Geschichte vom Gelähmten, den sie wegen der Menge der Menschen durch das Dach herablassen, ganz deutlich, worauf es Jesus ankommt: Jesus spricht ihm zu, dass ihm die Sünden vergeben sind. Er macht ihn also erst heil, bevor er ihn gesund macht, um zu zei- gen, dass er auch die Vollmacht hat, Sünden zu vergeben. (Mk.2,3-12) Liebe Gemeinde, es mag sein, dass wir uns von Jesus auch zuerst wünschen würden, dass er unse- ren Körper gesund macht. Gerade wenn man älter wird, gibt es immer mehr Beschwerden, die uns quälen und die wir gerne loswürden. Aber es ist eindeutig: Jesu Auftrag in der Welt war damals und ist heute, uns zuerst mit unserem himmlischen Vater zu verbinden, dass wir ihn erkennen, seine Güte über uns wahrnehmen, seine Vergebung empfangen und ihm dafür Lob und Ehre geben. So werden wir heil und das ist in Jesu Sinn wichtiger als die körperliche Gesundheit. Für uns heutige Menschen in einer Gesellschaft, die der Wellness, der Fitness und dem Körperkult huldigt und für die ein gesunder Leib oft als das wichtigste Gut im Leben gilt, ist das nicht so leicht zu verstehen. Vor dem Hintergrund der Bibel, namentlich des Neuen Testaments allerdings, ist es ganz klar: Unser Körper mit seiner vielleicht guten, sportlichen Verfassung oder seinen Krankhei- ten und Beschwerden zählt zu dem, was uns in dieser Welt Gedanken macht oder auch schmerzlich beschäftigt. Unsere Seele aber gehört schon heute einer anderen Welt an und wenn sie heil ist, heil gemacht durch Jesus Christus und den Glauben an ihn, führt sie uns ins Ewige Leben. Übrigens: Wir dürfen durchaus unseren Herrn auch um ein Zeichen bitten, also um körperliche Ge- sundheit, den Sieg über eine Krankheit, das Ende einer Behinderung und eines Leidens. Wenn er will, wird uns das auch zuteil werden. Vergessen wir aber nicht, dass heil zu sein, im Glauben und in einer guten Beziehung zu Gott zu stehen, mehr ist, wichtiger und wesentlicher als alles, was un- seren irdischen Leib betrifft. Haben das die Menschen verstanden, die sich damals bei Jesus auf dem Berg versammelt haben? Immerhin hieß es von ihnen ja: „Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.“ Ich glaube, wenn Jesus ihnen mit einem Wunder Nahrung für ihren Leib ver- schafft, hat er wohl gesehen und gespürt, dass sie noch weit davon entfernt waren, ihn und seinen Auftrag in der Welt zu begreifen. Und so hören wir nach dem Speisungswunder auch, was die Menschen nach wie vor von Jesus dachten: „Als sie nun das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ Gefallen hat Jesus solches Reden sicher nicht. Und es wird am Verhalten der Leute sogar noch deutlicher, wie sie ihn sehen und was sie von ihm erwarten: „Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein.“ Er geht wieder in die Ein- samkeit, sicher enttäuscht von den Menschen, die ihn als bloßen Wundertäter sehen und von ihm nur Zeichen haben wollen und nicht das Heil, das neue Verhältnis zu Gott, den Glauben, der von Gott alles erwartet, was zum Leben hier und in Ewigkeit wirklich nötig ist. Liebe Gemeinde, was erwarten wir von Jesus Christus? - Vergessen wir es nicht mehr: Die Zei- chen, die er getan hat und vielleicht an uns tut, sind Beiwerk. Er ist nicht unser Wundertäter, er ist unser Heiland. AMEN