Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis - 14.6.2015 Textlesung: Lk. 14, 16 - 24 Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe ei- nen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft, und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird. Liebe Gemeinde! Vergessen wir einmal einen Augenblick, dass hier zweifellos von Gott als dem „Menschen, der ein großes Abendmahl machte“ die Rede ist. Dann nämlich begreifen wir erst so richtig, was für eine Unverschämtheit sich die geladenen Gäste hier erlauben. Es war in Israel üblich, wenn man ein großes Essen veranstaltete, ein Fest feierte oder vielleicht die Hochzeit der Tochter oder des Sohnes: Man lud die Menschen, die man gern in seinem Haus sehen wollte, schon geraume Zeit vorher ein. Um besonderen Gästen noch größere Ehre zu erweisen, schickte man am Tag des Festes dann einen Knecht zu ihnen, um sie abzuholen und zum Haus des Gastgebers zu geleiten. So ist es sicher auch hier gewesen. Wäre es schon bei der Vor-Einladung unhöflich gewesen, die Teilnahme am Abendmahl abzusa- gen, so war es am Tag des Festes eine geradezu ungeheuerliche Brüskierung des Gastgebers. So etwas war völlig unmöglich und darum eigentlich undenkbar. Und dann wird die Absage auch noch mit ziemlich unwichtigen Gründen erklärt. Den Acker hätte man auch noch am nächsten Tag bese- hen können. Genauso die fünf Gespanne Ochsen. Und selbst wenn einer eine Frau genommen hat, wäre es deshalb doch nicht unmöglich, beim Abendmahl des Gastgebers mitzufeiern. Der hätte sich vielmehr gewiss gefreut, wenn der Gast seine Frau mitgebracht hätte. Wenn wir jetzt aber noch bedenken, dass mit dem Gastgeber ja Gott gemeint ist, dann steigert sich die Unverschämtheit dieser Geladenen ins Unermessliche. So etwas kann nicht hingenommen wer- den. Das schreit nach Strafe und Vergeltung. So gesehen ist es ja geradezu harmlos, wie Gott, der Gastgeber hier reagiert: Er wird zwar zornig, aber schickt doch nur seinen Knecht hinaus auf die Straßen und Gassen, um die Armen, die Ver- krüppelten, die Blinden und Lahmen zu seinem Abendmahl einzuladen. Liebe Gemeinde, es wird Zeit, dass wir das, was Jesus mit dem Gleichnis vom großen Abendmahl damals sagen wollte, einmal klar aussprechen: Mit den Erst-Geladenen waren die religiös und ge- sellschaftlich führenden Kreise des damaligen Judentums gemeint. Aus den heiligen Schriften und der Tradition ihres Volkes wussten sie um ihre besondere Einladung zum Abendmahl ihres Gottes. Jetzt, da die Stunde des Festes da ist, verweigern sie sich auf beleidigende Weise. Der Festsaal aber bleibt nicht leer! Der Knecht wird auf die Straßen und Gassen geschickt, um die Armen, Schwachen, Verkrüppelten und Lahmen, also die Außenseiter der Gesellschaft einzuladen - und die kommen gern! (In dem, was der Knecht hier tut, spricht Jesus ganz deutlich von dem, was er selbst als seinen Auftrag in der Welt gesehen hat.) Aber immer noch ist Platz im Festsaal! Und so wird der Knecht noch auf die „Landstraßen und an die Zäune“ gesandt, ein Bild dafür, dass nun die Menschen aller Völker zu Gottes Fest eingeladen sind. Liebe Gemeinde, jetzt wissen wir, was das Gleichnis, das Jesus den führenden Kreisen des damali- gen Judentums erzählt hat, sagen sollte. Leider haben sie es nicht verstanden, jedenfalls spricht ihr Verhalten gegenüber Jesus und wie sie später mit ihm verfahren haben, nicht dafür. Legen wir also jetzt das Gleichnis beiseite und komme ich zum Schluss dieser Predigt? - Ich glaube, wenn wir das Gleichnis weglegten, dann hätten auch wir nicht verstanden, was Jesus mit ihm sagen wollte. Und wenn ich die Predigt hier beenden würde, dann hätte ich heute eigentlich gar keine Predigt gehalten. Denn das Gleichnis meint auch uns. Und eine Predigt ist niemals nur eine Erklärung von Geschichten aus vergangenen Zeiten, sondern sie will und sie muss in unsere Gegenwart hineinsprechen. Hören wir also, was Jesus uns mit seinem Gleichnis sagen möchte und das ist in einen Satz gefasst: Auch wir sind zu Gottes großem Abendmahl eingeladen! Erging die erste Einladung zu Gottes Abendmahl bei dem einen oder der anderen nicht ganz früh, schon in der Kindheit und Jugend? Vielleicht haben die Eltern, Erzieher und Lehrer in Kindergarten und Schule ja schon die Geschichten von Jesus erzählt. Vielleicht haben sie bei Gelegenheit auch einmal an die Taufe erinnert und damit daran, dass alle Getauften seitdem einen Platz am Tisch Gottes haben und ein Glied der Gemeinde Jesu Christi sind? Menschen die konfirmiert wurden, haben dabei später sogar eine Erneuerung der Einladung hören können - und sie haben darauf so geantwortet: „Ja, ich will zu Jesus Christus und zu seiner Gemeinde gehören!“ Manche und manchen hat der Ruf an Gottes Tisch und in die Nähe Jesu wohl auch erst im Erwach- senenalter erreicht. Das kann bei einem Gottesdienst zu einer Familienfeier oder bei der Beerdigung eines Angehörigen gewesen sein, einem Anlass, an dem man halt teilnehmen musste - aber der Feier und vielleicht der Predigt ist es gelungen, zu Herzen zu sprechen. Andere haben während eines Aufenthalts im Krankenhaus auf dem Kalender an der Wand einen Bibeltext gelesen und immer wieder gelesen... Und er hat ihr Nachdenken über Sinn und Ziel ihres Lebens angeregt. Noch andere sind einem Menschen begegnet, der sein Christentum nicht nur auf den Lippen geführt hat, sondern dessen Worte durch seine ganze Person und sein Handeln gedeckt waren. So gehören nicht nur wir, die heute diesen Gottesdienst mitfeiern, sondern auch die vielen anderen Christen in unserer Gemeinde, unserer Stadt, unserem Land und der weiten Welt zu den Gästen, die Gott zu seinem Abendmahl eingeladen hat und die diese Einladung auch gehört haben. Aber - und das spüren und sehen wir in dieser Zeit ganz deutlich - es fällt immer schwerer, so zu denken und zu leben, dass man uns ansieht: Wir zählen zu den eingeladenen Gästen, die auf das große Fest Gottes zugehen. Wir haben durch Jesus Christus ein Ziel vor Augen: Den Tisch im Reich Gottes, der für uns schon gedeckt ist. So vieles kann uns heute davon ablenken: Die schlimmen Nachrichten, von denen wir täglich hö- ren. Das Leid, das uns persönlich widerfährt oder das wir bei unseren Mitmenschen erleben. Die menschengemachten Krisen, die Kriege überall. Aber auch die Naturkatastrophen, die Erdbeben und Überflutungen, die erschreckenden Folgen des Klimawandels. Die Angst vor der Zukunft hat manchen ergriffen und die Frage, wo Gott bei alledem ist, wird immer quälender. Jetzt kommt es darauf an: Bleiben wir ausgerichtet auf Gottes großes Fest? Gehen wir unbeirrt unseren Lebensweg weiter hinter unserem Herrn her, immer in seiner Spur und im Vertrauen auf sein Geleit? Liebe Gemeinde, nehmen wir das Gleichnis, das wir heute gehört haben, doch wieder als die Er- neuerung der persönlichen Einladung an uns, jede und jeden von uns: In Jesu Geschichte damals war es ein Knecht, den Gott ausgesandt hat, die Geladenen zu seinem Fest zu rufen. Heute ist es Je- sus Christus selbst, der uns die Einladung überbringt: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Unser auf- erstandener Herr hat uns schon den Tisch bereitet. Das Fest hat schon begonnen. Wenn wir auch noch durch böse Zeiten gehen, der Platz in Gottes Reich wird uns freigehalten. Wenn wir unter Krankheit und Behinderung leiden müssen, wissen wir doch, es wird einmal ein Ende damit haben und wir werden dort sein, wo unser Herr schon ist. Wir wollen uns von nichts und niemand davon ablenken lassen, dass einmal alles, was uns beschwert und den Mut nehmen will, von uns abfallen wird. - Sagen wir heute neu ja zu Gottes Einladung. Vertrauen wir dem Wort unseres Herrn, der die Einladung ausrichtet. Er ist es, der uns durch Tod und Auferstehung vorausgegangen ist in die Herrlichkeit unseres Vaters. Wer ihm folgt, wird bei Gottes ewigem Fest dabei sein! AMEN