Predigt zum Trinitatissonntag - 31.5.2015 Textlesung: Jh. 3,1-8 (9-15) Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen der Juden. Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neu- em geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist. Liebe Gemeinde! Warum dieser „Obere der Juden“, der Mitglied im Hohen Rat war, bei Nacht zu Jesus kommt, ist wohl ganz klar: Er will nicht gesehen werden. Er möchte nicht, dass jemand weiß, dass dieser Jesus ihn irgendwie interessiert, anzieht und wahrscheinlich auch zum Nachdenken über sein Leben ge- bracht hat. Jesus durchschaut ihn sofort. Vielleicht ist es Ihnen auch aufgefallen: Nikodemus spricht nur davon, dass er Jesus für einen Lehrer hält, der von Gott gekommen ist. Er hat das daran gemerkt, dass Jesus Zeichen getan hat, die nur einer tun kann, dem Gott die Macht dazu gibt. Jesus aber antwortet ihm auf eine Frage, die er gar nicht gestellt hat, die aber eigentlich hinter dem Besuch des frommen Juden steht: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Ja, das ist genau das, was Nikodemus eigentlich wissen will: Wie komme ich in Gottes Reich. Wie erlange ich das Ewige Leben. Darum fragt er auch sofort, ohne Umschweife, zurück: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?“ Lassen wir diese Frage noch eine Weile stehen. Mir ist an dieser Geschichte etwas mehr am Rande wichtig geworden: die Tatsache, dass Nikodemus bei Nacht zu Jesus geht und dass er die Sache, die ihn eigentlich beschäftigt, nicht klar anspricht, nämlich: Wie gewinne ich das Ewige Leben. Ich glaube, das ist heute bei vielen Zeitgenossen so, dass sie in religiösen Dingen nicht mehr wis- sen, wie sie das, was sie bewegt und was sie in ihrem Inneren umtreibt, ansprechen können. Ja, sie wollen auch nicht einmal dabei „gesehen werden“, dass sie dieser Jesus von Nazareth interessiert und bewegt. Niemand soll wissen, dass sie gar zu gern eine Beziehung zu ihm hätten und an ihn glauben würden. Das zeigt sich in der Praxis oft daran, dass sie alle Fragen um das Christentum und den Glauben als für sie unbedeutend abtun und nach Kräften verstecken, dass sie sehr wohl auch das Leben erlangen möchten, das Jesus uns verspricht. Vielleicht sind Sie jetzt noch nicht so ganz überzeugt davon, dass es solche Menschen wirklich gibt? Ich gebe Ihnen einmal ein paar Beispiele dafür, wie solche Menschen sich verhalten und wie sie ihre Sehnsucht, an Jesus Christus glauben zu können, vor uns tarnen wollen. Es sind oft Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend ein ganz inniges Verhältnis zu Jesus hatten. Irgendwann aber hat er sie bitter enttäuscht, weil er ihre Bitte nicht erhört und ihren Wünschen nicht entsprochen hat. Seit dieser Zeit wollten sie nichts mehr von ihm wissen. Heute, da sie größe- ren Abstand zu dieser Zeit haben und ihre Bitten und Wünsche von damals vielleicht kaum noch wissen, würden sie gern zurückkehren zum Glauben ihrer Jugend. Aber sie meinen, sich treu blei- ben zu müssen und es ist ihnen peinlich vor sich selbst und ihren Mitmenschen, die alten Bezie- hungen zu Jesus wieder aufzunehmen. Andere sind in ihren Jugendjahren nie so richtig mit christlichen Gedanken und dem Glauben in Kontakt gekommen. Vielleicht sind sie unter einem Regime aufgewachsen, etwa in der DDR, das mit dem Christentum wenig zu tun haben wollte und gläubige und vor allem praktizierende Chris- ten oft benachteiligt und in ihrer Glaubensausübung unterdrückt hat. Inzwischen besteht dieser Druck nicht mehr, aber es fällt diesen Menschen schwer, den einmal verlorenen Faden wieder auf- zunehmen oder gar eine ganz neue Verbindung zu dem zu knüpfen, was Christen glauben. Vielleicht hören wir von ihnen: Ich kann mit diesem Jesus und dem Glauben gar nichts anfangen. Aber dahinter verbirgt sich der starke Wunsch, etwas mit dem Glauben anfangen zu können. Schließlich gibt es auch viele Menschen, die sehr wohl wissen, was der Glaube an Jesus Christus ist, was er schenken kann und was er auch von uns fordert. Aber sie stören sich daran, dass Jesus zuerst für die Mühseligen und Beladenen, die Armen und die Schwachen in die Welt gekommen ist. So möchten sie nicht sein. Sie halten sich für stark. Sie können ihr Leben selbst in die Hand nehmen und brauchen keinen, der ihnen zeigt, wie ihr Leben rund und erfüllt werden kann und wie sie das ewige Ziel erreichen. Liebe Gemeinde, sicher gibt es noch einige weitere Beispiele für Menschen, die sich nicht in der Nähe Jesu sehen lassen und nicht zeigen wollen, dass seine Sache sie berührt hat. Sie setzen oft viel Energie daran zu verbergen, wie es tief drinnen in ihrem Herzen und in ihrer Seele aussieht. Aber kehren wir jetzt zurück zu der Frage des Nikodemus: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?“ Ich glau- be, die Antwort Jesu war nicht nur für den jüdischen Oberen bestimmt, sondern für alle, die heute die Verbindung mit Jesus und die Beziehung zum Glauben an ihn suchen: „Es sei denn, dass je- mand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist.“ Der Geist - und damit ist Gottes Heiliger Geist gemeint - der Geist allein kann uns und alle Men- schen in die Beziehung zu Jesus Christus bringen und uns mit dem Glauben an ihn beschenken. Wir Menschen sind Fleisch und gehören von uns aus immer auf die Seite des Fleisches und können gar nichts dafür tun, dass uns Gottes Geist erfasst und beseelt. Das kann aufs erste Hören sehr ent- mutigend klingen: Wie sollen wir denn dann zum Glauben kommen? Wenn Gott nicht will, dann müssen wir immer im Zweifel und im Unglauben verharren. Dann gelangen wir nie aus dem Dun- kel eines Lebens ohne Glauben ins Licht eines Lebens mit Jesus Christus. Aufs zweite Hören aber kann Jesu Antwort an Nikodemus auch sehr ermutigen! Von neuem gebo- ren werden aus dem Geist... Wir können es nicht machen, aber es spricht nichts dagegen, dass Gott es macht, auch gegen die größten Widerständen, die wir ihm entgegensetzen, die tiefsten Zweifel, die Hoffnungslosigkeit, die vielleicht schon ein Leben lang währen. Gottes Geist ist wie der Wind. Wie sagt Jesus?: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sau- sen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ Die Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend ein ganz inniges Verhältnis zu Jesus hatten und ir- gendwann bitter enttäuscht wurden, können zurückkehren zum Glauben ihrer Jugend. Es ist Gott, der ihnen seinen Heiligen Geist sendet. Die Menschen, die in ihren Jugendjahren nie so richtig mit christlichen Gedanken und dem Glau- ben in Kontakt gekommen sind, können den Faden wieder aufnehmen oder neu knüpfen. Es ist Gott, der ihnen den Anfang schenkt. Die Menschen, die sich daran stören, dass Jesus zuerst für die Mühseligen und Beladenen, die Ar- men und die Schwachen in die Welt gekommen ist, werden erfahren, dass sie gerade mit ihrer eige- nen Kraft mittun können dabei, die Mühseligen und Schwachen zu stärken und aufzurichten. Es ist Gott, der sie durch seinen Heiligen Geist für seine Sache gewinnen will. Liebe Gemeinde, ich weiß nicht, wo jeder von uns in seinem Glauben steht. Ich weiß nicht, wer schon aus dem Geist neugeboren ist und wer noch nicht, wer das gar nicht will und wer darauf sehnlich wartet. Was ich weiß, ist dies: „Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist.“ Und ich weiß auch das: Gottes Geist ist wie der Wind. Wir wollen ihn bitten, dass er zu uns kommt und uns ergreift und verwandelt. AMEN