Predigt zum Pfingstmontag - 25.5.2015 Textlesung: Mt. 16, 13 - 19 Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten. Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendi- gen Gottes Sohn! Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein. Liebe Gemeinde! Stellen Sie sich doch einmal einen Augenblick vor, Sie fragen die Menschen auf einem belebten Platz in Gießen (nahe Stadt eintragen), wer denn Jesus für sie ist? Bitte nennen Sie ihn dabei nicht Jesus Christus, denn Christus heißt ja eigentlich der Gesalbte Gottes und ist damit ja mehr als nur ein Name. Gern können Sie die Menschen aber fragen, wer denn Jesus aus Nazareth für sie ist. Was werden die Leute antworten? Der Junge, der kurz vor seiner Konfirmation steht, sagt uns: „Jesus? Von dem haben wir im letzten Jahr von unserem Pfarrer viel gehört. Ich finde den gut - nicht den Pfarrer, aber Jesus, der hat den Menschen geholfen, sie geheilt und ihnen vergeben, was sie falsch gemacht haben.“ Die Marktfrau hinter ihrem Gemüsestand überlegt kurz und sagt dann: „Jesus, für den hab’ ich we- nig Zeit. Wir sind jeden Morgen auf einem anderen Markt und müssen um sieben Uhr aufbauen. Abends bin ich schlagskaputt und am Sonntag Kirche, ist auch nicht. Da muss ich ausschlafen!“ Die Frau im mittleren Alter mit dem traurigen Blick, antwortet so: „Jesus war der Schrecken mei- ner Kindheit und Jugend. Ich hatte sehr fromme Eltern. Was die mich alles haben auswendig lernen lassen! Und was die mir alles verboten haben! Tanzen, mein Haar offen tragen, einen Freund ha- ben... Und immer hieß es: „Das würde Jesus nicht gefallen!“ - Seit meiner Heirat war dann endlich alles vorbei - auch das mit Jesus!“ Ein alter Mann, der an einem Rollator geht, meint: „Jesus, zu dem habe ich früher viel gebetet, als meine Frau so krank war. Geholfen hat er nicht. Meine Frau ist schon vor acht Jahren ganz jämmer- lich gestorben. Seitdem habe ich nicht mehr gebetet.“ Eine Frau in den mittleren Jahren teilt uns gleich mit, dass sie Kirchenvorsteherin in einer evangeli- schen Gemeinde ist, dann sagt sie: „Jesus, der hat ja sozusagen unsere Kirche gegründet. Er ist am Kreuz gestorben und an Ostern auferstanden.“ Soweit ein paar Antworten auf die Frage, wer Jesus für die Leute unserer Tage ist. Sicher eine sehr kleine Auswahl. Und gewiss könnten wir auch ganz andere Antworten hören. Eines aber ist sicher: Eindeutig - oder sagen wir: auch nur annähernd gleich - wären sie alle nicht, vielmehr so viele Menschen wir fragen, so viele unterschiedliche Antworten würden wir bekommen. Als Jesus damals von seinen Jüngern wissen wollte, was die Leute von ihm sagen und für wen sie ihn halten, war es genauso: Johannes der Täufer, Elia, einer der Propheten... Nicht dass die Leute Jesus damit herabsetzen wollten, das nicht. Die von ihnen Genannten waren ja alle hochverehrte Persönlichkeiten. Aber dass sie Jesus damit erkannt hätten, können wir auch nicht gerade sagen. Und aus persönlicher Erfahrung hat dabei wohl auch keiner gesprochen. Denn wie hätten die vielen Menschen, die bei Jesus z.B. von Krankheit und Behinderung heil geworden sind, ihn den Täufer nennen können, den Mann im Kamelhaarmantel, der doch die Menschen nur zur Buße gerufen und getauft hat? Oder die Schwestern des Lazarus, denen er den toten Bruder zurückgegeben hat und die vielen anderen, die Jesu Macht über den Tod erfahren haben, wie hätten die Jesus nur als einen Propheten bezeichnen können? Nein, ganz sicher haben sich hier nur Menschen geäußert, denen Je- sus mehr aus der Ferne, nur vom Hörensagen bekannt gewesen ist. Ich glaube nun, das wäre heute, wenn wir auf besagtem Marktplatz fragten, nicht anders. Deshalb habe ich den Menschen dort - vom Konfirmanden bis zur Kirchenvorsteherin - diese doch eher ne- gativen, enttäuschten und ziemlich distanzierten Antworten in den Mund gelegt. Sie alle haben Je- sus auch nicht „ganz persönlich“ erfahren! Nun werden Sie wohl sagen: Ihn persönlich kennenzulernen ist doch heute auch noch viel schwie- riger geworden, als es damals war! Wir haben doch keine Gelegenheit mehr, Jesus zu begegnen, ei- nes seiner Wunder zu sehen oder gar von ihm geheilt zu werden. Und Menschen, die von ihm ge- sund gemacht worden und ihm persönlich begegnet sein wollen, wirken für uns meist unglaubhaft und überspannt. Es wird sie erstaunen, aber was diese Menschen angeht, gebe ich Ihnen Recht! Wir können nie si- cher sein, dass Heilungen oder Begegnungen, von denen uns jemand erzählt, wirklich mit Jesus zu tun haben und nicht Wunschdenken oder Phantasterei sind. Diese Dinge sind halt immer sehr per- sönlich und auf andere sozusagen „nicht übertragbar“! Was aber die Meinung angeht, dass wir es heute damit schwerer hätten, Jesus kennenzulernen, da muss ich Ihnen heftig widersprechen! Warum? Schauen wir noch einmal in die Verse, die wir heute bedenken. Wie antwortet Petrus auf die Frage Jesu, wer er denn sei?: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Ja, woher hat er das denn? Sie meinen: Petrus und die anderen Jünger haben Jesus doch jeden Tag bei sich gehabt, waren bei den Wundern, den Heilungen und den Auferweckungen von Toten dabei. Da ist es doch ganz klar, dass sie, als seine Vertrauten, erkannt haben, wer er ist! - Haben sie ihn wirklich erkannt? Die anderen Jünger? Sie schweigen! Wir hören nichts von ihnen. Nur von einem hören wir etwas, Petrus: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Und Petrus hat Jesus wirklich erkannt! Aber wie die anderen Jünger nicht an dem, was er an Wunderbarem getan hat, nicht an den Heilungen, den Auferweckungen von Toten. Genauso können auch wir ihn nicht daran erkennen, ob wir die Wunder und Auferweckungen selbst erleben oder davon hören! Liebe Gemeinde, bevor Sie sich nun ganz und gar nicht mehr vorstellen können, wie das denn nun zugehen soll, dass wir wirklich wissen, wer Jesus ist, hören wir noch einmal auf ihn und was er zu Petrus spricht: „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Wer Jesus wirklich ist, begreifen nur die, denen es Gott selbst durch seinen Heiligen Geist offen- bart! Jesu Wunder, damals und heute, schaffen keine Gewissheit über ihn! Damals gab es viele Wunderheiler, die große Taten vollbracht haben. Und wie oft sprechen wir heute davon, dass die Medizin „wahre Wunder“ vollbringt?! Dass Jesus immer bei ihnen war, hat die Jünger auch nicht zu dem Bekenntnis gebracht, dass er Gottes Sohn ist. Wie viele Menschen heute würden auch sa- gen, Jesus ist immer bei mir, aber alle würden ihn ganz unterschiedlich beschreiben. Noch einmal: Gott allein kann uns offenbaren, wer Jesus ist, eben der Gesalbte, der Messias, der Christus, der Heiland, Gottes Sohn! Jetzt denken Sie - und mit Recht - dann können wir ja selbst gar nichts tun, um Jesus als den Chris- tus und Sohn Gottes zu erkennen. So ist es. Aber wir können darauf hoffen, nicht nur, aber gerade an Pfingsten, dass Gott uns seinen Heiligen Geist sendet, dass er uns Jesus als seinen Christus er- kennen lässt. Und beten können wir auch darum. Und auch immer wieder nach diesem Jesus sehen und auf sein Wort hören, können wir. Und für die Menschen, die uns vorhin auf dem Marktplatz begegnet sind, dürfen wir auch hoffen und beten. Denn es ist auch immer wieder so, dass Gottes Heiliger Geist, die Menschen aufsucht, ganz unerwartet und vielleicht nicht einmal erwünscht. Dann begreift der Konfirmand auf einmal, dass es nicht nur vor 2000 Jahren gute Taten und Ge- schichten von diesem Jesus gibt, sondern dass man ihn heute in sein Leben hineinrufen kann. Die Marktfrau findet wieder Zeit für ihn, muss nicht immer am Sonntag ausschlafen und spürt, dass er jeden Tag auch bei ihrer Arbeit bei ihr ist. Die Frau, die in ihrer Jugend so viel gehört hat, was Je- sus nicht gefällt, lernt ihn von einer ganz anderen Seite kennen. Der alte Mann kann sich mit sei- nem Geschick abfinden und findet sogar wieder zum Gebet. Die Kirchenvorsteherin schließlich wird auch persönlich von dem Gekreuzigten und Auferstandenen ergriffen und kann - wie Petrus - sagen: Wer Jesus für mich ist? Er ist Christus, der Sohn Gottes und mein Herr! - Alles das kann und will Gottes Geist bei uns und für uns tun. Wir sollen Jesus ganz persönlich als den Christus er- kennen und annehmen. Dass uns allen dies geschieht, wünsche ich uns von Herzen! AMEN