Predigt zu Christi Himmelfahrt - 14.5.2015 Liebe Gemeinde! Ein Wort zuvor: Alle, die schon einmal eine Pilgerfahrt oder Studienreise nach Israel unternommen haben oder die das gerne einmal tun würden, nehmen mir die Worte, die ich gleich sagen werde, bitte nicht übel. Ich habe nichts gegen solche Reisen. Es kommt mir nur darauf an, was dabei der Zweck der Reise sein soll. Nicht alles nämlich, was wir uns erwarten und erhoffen, wird und kann sich auf einer solchen Reise erfüllen. Andererseits können wir etwas davon durchaus auch zu Hause erleben. Aber ich will nicht länger in Rätseln sprechen, sondern mit der Predigt beginnen. In den Ostertagen dieses Jahres war es wieder so wie in jedem Jahr - und das obwohl die Lage im Nahen Osten und besonders in Jerusalem alles andere als entspannt ist! Die Stadt war voller Pilger, voller Menschen, überwiegend christlichen Glaubens, die über Ostern an den Heiligen Stätten sein, den Weg Jesu zum Kreuz nachgehen und einen der Gottesdienste in der Osternacht miterleben wollten. - Aber warum wollen die Menschen zu dieser Zeit an diesen Orten sein? Warum genügt es ihnen nicht - zumal wenn der Aufenthalt in Jerusalem in diesen Tagen nicht ganz ungefährlich ist - den Karfreitags- und den Ostergottesdienst in ihrer Heimatgemeinde mitzufeiern? - Sie werden antworten: Das ist doch ganz klar! Diese Christen wollen dort sein, wo unser Herr leibhaftig gelebt und gelitten hat und wo er gekreuzigt und ins Grab gelegt wurde. Und dort, wo er auferstanden ist! Die Verse aus dem Evangelium des Lukas, die wir gleich hören wollen, sprechen nun eigentlich genau gegen diese Reisen an die sogenannten Heiligen Stätten - sei es zu Ostern oder irgendwann im Jahr, zumindest wenn wir uns davon versprechen, Jesus Christus dort besonders nah zu sein. Der Bericht von der Himmelfahrt Christi - und nicht nur der des Evangelisten Lukas - will uns vielmehr gerade sagen, dass wir nirgends in Jerusalem und Umgebung noch die leibhaftige Nähe unseres Herrn erleben werden. Aber er sagt uns auch, wo wir Jesus Christus heute finden: Textlesung: Lk. 24, (44 - 49) 50 - 53 Der Auferstandene sprach zu seinen Jüngern: „Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden, und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und sprach zu ihnen: und dass gepredigt wird in sei- nem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem, und seid dafür Zeugen. Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.) Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segne- te, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott. Liebe Gemeinde, einige Male haben wir das in den verschiedenen Evangelien gelesen, so oder ähn- lich: „Die Jünger aber verstanden nicht, was Jesus sagte“ - und das hatten sie mit den anderen Zu- hörern gemeinsam. Die verstanden auch nicht immer, was Jesus ihnen sagen wollte. Besonders mit der Ankündigung seines Leidens hat Jesus kein Verständnis gefunden. Sie erinnern sich, einmal gibt es darüber sogar eine Auseinandersetzung mit Petrus: „Seit der Zeit fing Jesus an, seinen Jün- gern zu zeigen, wie er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse von den Ältesten und Hohen- priestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tage auferstehen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fuhr ihn an und sprach: Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht! Er aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein Är- gernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ (Mt.16,21-23) Jetzt, nachdem Jesus auferstanden ist, verstehen ihn die Jünger: „Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden...“ Das wollen wir festhalten: Erst von Je- su Auferstehung her konnten die Jünger den Sinn seines Leidens und Sterbens begreifen. Und das ist bis heute auch bei uns so: Wäre Jesus am Kreuz gestorben und im Tod geblieben - kein Mensch würde heute noch seinen Namen kennen, geschweige denn, was er in der kurzen Zeit, in der er über diese Erde ging, unter den Menschen getan hat. Selbst seine Wunder und Heilungen wären seit Jahrhunderten vergessen. Es gäbe kein Christentum und keine Christen. Und es gäbe wohl unter uns auch die Liebe nicht, die er uns gelehrt hat und auch keine Hoffnung, dass unser Leben in die- ser Welt nicht alles ist. Dass es anders ist, hat mit dem Auftrag Jesu an seine Jünger zu tun. Er sagt: „So steht's geschrie- ben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“ Und das haben sie getan, die Jünger zuerst, die Evangelisten, aber auch die einfachen Christen der ersten Gemeinden und durch den Apostel Paulus in der damals bekannten Welt und später überall rings um die Erde. Und dass die Jünger, die Evangelisten und die anderen Christen von Christus predigen konnten, hat mit dem Geschenk zu tun, das der Auferstandene seinen Leuten ankündigt: „Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausge- rüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.“ Im Neuen Testament wird diese Kraft aus der Höhe auch der „Tröster“ genannt. Wir nennen den Tröster meist den „Heiligen Geist“. Ohne sein Wirken glaubten wohl nicht überall in der Welt Menschen an Jesus Christus. Denn er ist es, der uns zum Glauben ab unseren Herrn führt, uns anhält an seiner Hand zu bleiben und anderen Menschen da- von zu erzählen, wo er uns geholfen hat und was wir mit ihm erlebt haben. Aber wir wollen jetzt zurückkehren zum Bericht des Lukas von der Himmelfahrt Christi: „Er führ- te sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zu- rück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.“ Liebe Gemeinde, es ist das erste Mal, dass wir davon hören, dass Jesus die Jünger segnet! Durch seine Auferstehung ist er sozusagen schon in die Nähe Gottes gerückt, von dem zuvor aller Segen ausging. Und zum ersten Mal hören wir auch davon, dass die Jünger Jesus angebetet haben. Anbe- tung war zuvor nur Gott vorbehalten. Für uns ist das noch ein Hinweis darauf, dass der auferstan- dene Herr jetzt in die „himmlische Region“ gehört oder wie es unser Glaubensbekenntnis sagt: auf den Platz „zur Rechten Gottes“. Die Himmelfahrt Christi, wie sie Lukas erzählt, ist keine Sensation: Wie selbstverständlich „schei- det“ Christus von seinen Jüngern und „fährt auf gen Himmel“. Sein Auftrag in der Welt ist erfüllt. Die Jünger und alle Christen damals und heute können jetzt ohne seine leibhaftige Nähe auskom- men, der Heilige Geist hilft uns zum Glauben an ihn und zu einem Leben in seiner Spur und als seine Zeugen. Wie die Jünger damals, so haben auch wir nun Grund zu „großer Freude“ und dazu, unseren Gott zu preisen. Aber dennoch ist Jesus Christus auch heute noch bei uns. Er ist es ja, der den Heiligen Geist herab- sendet, wie es der Verheißung Gottes entspricht. Dieser Geist trägt also sozusagen die Züge unseres Herrn, er tut unter uns, was er getan hätte, er redet mit uns, wie Jesus mit uns geredet hätte, er ver- tritt Jesus bei uns mit seiner Liebe, seiner Treue, aber auch mit seinem Auftrag und seinem An- sporn. Er tröstet uns, wenn wir Trost brauchen, er gibt uns Mut und Kraft, wenn wir allein nicht mehr weiterkönnen. Er schenkt uns aber auch Freude, die unser Leben schön und lebenswert macht und uns Gott danken und ihn loben lässt. - Liebe Gemeinde, warum reisen die Menschen vor Karfreitag und Ostern nach Israel? Weil sie hof- fen, an den historischen Stätten und besonders in den Gottesdiensten dort unserem Herrn mehr nä- her als sonst zu sein. Ich finde es wunderbar und schön, dass wir auch hier in unserer/m (Stadt, Dorf) und überall in der Welt unserem Herrn begegnen können - nicht nur an Karfreitag und Os- tern, sondern immer. Er spricht durch seinen Heiligen Geist zu uns, wenn wir sein Wort in der Hei- ligen Schrift lesen. Er hört uns zu, wenn wir die Hände falten und zu ihm beten. Er gibt uns Kraft, wenn wir unter den Lasten unseres Lebens schwer tragen. Er schenkt uns auch immer wieder frohe Stunden und schöne Erlebnisse und er tröstet uns, wenn wir traurig sind und leiden müssen. Und er tritt auch nicht selten in der Gestalt eines Menschen an uns heran, der uns braucht oder der uns hilft. - Ich wünsche uns allen, dass wir immer wieder da, wo wir leben, die Nähe unseres Herrn spüren können. AMEN