Predigt zum Sonntag „Rogate“ - 10.5.2015 Textlesung: Jh. 16,23b-28 (29-32) 33 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben. Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei. Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Zeit, dass ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt ge- kommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. (Sprechen zu ihm seine Jünger: Siehe, nun redest du frei heraus und nicht mehr in Bildern. Nun wissen wir, dass du alle Dinge weißt und bedarfst dessen nicht, dass dich jemand fragt. Darum glauben wir, dass du von Gott ausgegangen bist. Jesus antwortete ihnen: Jetzt glaubt ihr? Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.) Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Liebe Gemeinde! Das waren Verse aus den sogenannten Abschiedsreden Jesu. Wir haben also Worte gehört, die Je- sus vor Ostern - genau am Gründonnerstag - zu seinen Jüngern gesprochen hat. Und Sie werden mir sicher Recht geben: Wir erkennen nicht gleich, worum es in diesen Worten geht und was das Wichtigste ist, was sie uns sagen wollen. Darum möchte man gern direkt ans Ende dieser Verse springen: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Das ist doch ein guter, klarer Satz, der uns gefällt und uns trösten und Lebensmut geben kann. Aber wir können ja nicht den ganzen Anfang dieser Verse links liegen lassen. Also versuchen wir einmal, auch die ersten sechs Verse zu verstehen und auf uns zu beziehen. Was uns dabei helfen kann, ist der Name dieses Sonntags: „Rogate“ - das heißt auf Deutsch: Betet! Die kirchliche Kommission, die vor Jahrzehnten die Predigttexte für alle Sonn- und Feiertage be- stimmt hat, wird sich etwas dabei gedacht haben, wenn sie diesen Text für den Sonntag Rogate ge- wählt hat. Also: Das Thema dieser Worte aus den eben gehörten Versen ist zuerst: Das Gebet. Wir wollen darum jetzt besonders danach fragen, was uns die Verse über das Beten sagen und wir gehen dabei einmal den Versen entlang: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben. Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen.“ Sie haben vielleicht schon einmal davon gehört, dass z.B. die Zeugen Jehovas nicht zu Jesus beten. Er ist für sie zwar auch der Sohn Gottes, aber wir dürfen, wie sie meinen, nicht ihn selbst, sondern nur Jehova durch ihn anbeten. Wenn wir hier hören, dass wir den Vater in Jesu Namen etwas bitten sollen, dann scheint das Jeho- vas Zeugen Recht zu geben. Aber ich glaube, wir müssen das anders sehen! Die Menschen etwa, die Jesus um Heilung gebeten haben, die haben doch von Jesus bekommen, was sie wollten. Ge- wiss: Er hat immer wieder betont, dass die Macht über die Krankheit von Gott herkommt, aber die Bitte um Hilfe ging doch direkt an ihn! Und wir bekennen schließlich im Glaubensbekenntnis, dass Jesus „aufgefahren ist in den Himmel und zur Rechten Gottes sitzt“. Wer dort sitzt, der hört auch unsere Bitten und der kann sie auch erfüllen und uns helfen - genau wie der Vater. Und es gibt auch viele Christen, die viel lieber zu Jesus beten. Er ist für uns doch der, in dem Gottes Gedanken und Gottes Handeln und damit Gottes Liebe zu uns sichtbar geworden sind. In Jesu Namen zu bitten, meint etwas anderes. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Als Christin- nen und Christen soll unsere Grundhaltung im Gebet diese sein: Jesus Christus ist mein Herr. Ich glaube an ihn und dass er am Kreuz von Golgatha für mich gestorben ist. Durch ihn ist mir verge- ben. Darauf berufen wir uns, wenn wir beten. Aber wir dürfen Gott und genauso auch ihn anbeten, denn er hat gesagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater!“ (Jh.14,9) und „Ich und der Vater sind eins.“ (Jh.10,30) Weiter lesen wir: „Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei.“ Dieser Satz gefällt mir besonders gut! Es ist doch meist so, dass uns - wenn wir an Menschen den- ken, die beten - als Grund für ihre Gebete zuerst das Leid, die Trauer, die Krankheit oder andere Beschwerden einfallen. Und bei uns persönlich wird es wohl auch so sein, dass sich unsere Bitten meist um unsere Sorgen, Nöte und Ängste drehen und darum, dass wir sie gerne los wären durch Gottes oder Jesu Christi Hilfe. Da ist es doch wirklich einmal schön zu hören, dass es beim Beten auch um Freude gehen soll! Und hier ist uns sogar verheißen, dass unsere Freude, wenn wir darum bitten, noch größer, ja, vollkommen sein wird! Daran will ich denken, wenn ich das nächste Mal bete: Dass ich vor Gott auch einmal von meiner Freude spreche! Wir lesen weiter in den Versen zu diesem Sonntag: „Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Zeit, dass ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus ver- kündigen von meinem Vater.“ Wenn hier von „Bildern“ die Rede ist, können wir auch von „Rätseln“ sprechen, das ist im griechi- schen Text dasselbe Wort. Und wirklich: Jesu Abschiedsrede, von der wir heute einen Teil gehört haben, muss für die Jünger vor dem Tod und der Auferstehung unseres Herrn ziemlich rätselhaft geklungen haben. Sie wussten oder glaubten ja noch nicht, dass Jesus wirklich sterben und aufer- stehen würde. Nach der Auferstehung war Jesu Vertrauten dann sicher einiges klarer und sie ver- standen, was ihnen vorher ein Rätsel gewesen war. Allerdings werden wir uns fragen, was das nun mit dem Beten zu tun hat. Die Antwort gibt das nächste Wort Jesu: „An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen.“ Erst wer begriffen hat, dass Jesus wirklich in die Welt gekommen ist, um für die Menschen zu ster- ben, erst wer unter dem Kreuz gestanden und ihn dann als den Auferstandenen gesehen hat, der weiß, dass dieser Jesus Christus der Sohn Gottes ist und wir in seinem Namen beten und bitten und uns auf ihn als unseren Herrn berufen dürfen, der für uns gestorben ist. Menschen, die nicht an ihn glauben, werden nun sagen, sie hätten weder unter dem Kreuz gestan- den noch hätten sie den Auferstandenen je gesehen. Christinnen und Christen aber, die den Glauben an IHN gefunden haben, „stehen in ihren Gedanken unter dem Kreuz“, sie wissen, dass Jesus Christus dort als ein Opfer für ihre Sünde und Schuld gestorben ist und sie „sehen“ ihn auch als den auferstandenen und heute lebendigen Herrn in dem, was er heute für sie tut und in den Worten der Heiligen Schrift, die er heute zu ihnen spricht. Jesu letzte Worte über das Gebet wollen ein weit verbreitetes Missverständnis ausräumen, als wür- de unser Beten bei Gott eher erhört, wenn wir bei ihm Fürsprecher hätten: „Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.“ Sicher haben Sie schon einmal eine Litanei gehört, die in ihren Strophen immer wieder in solche Worte mündet: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns!“ oder „Heiliger Martin, bitte für uns!“ Oft werden so auch bestimmte lokale Heilige angerufen, die in einer Stadt, einem Ort besonders verehrt werden. Warum geschieht das? Weil die Beter denken, ihre Bitten kämen so bei Gott besser an und sicher würde er sie lieber erfüllen, wenn sie ihm eine oder einer der Heiligen vorträgt. Jesus sagt uns hier etwas anderes: Er will nicht für uns bitten, denn Gott liebt uns und hört unsere Gebete genauso wohlwollend an, wenn wir sie direkt an ihn richten, wie wenn sie ein Heiliger oder unser Herr selbst vor ihn bringt. Ich finde, das ist doch eine ganz wunderbare Sache, dass wir di- rekt, ohne einen menschlichen oder himmlischen Vermittler vor Gott treten und ihm unsere Bitten sagen dürfen. Wäre das denn auch ein guter Vater, der erst auf uns, seine Kinder, hört, wenn ein Heiliger oder vielleicht ein Priester, eine Pfarrerin oder ein Pfarrer oder ein Mensch für uns spricht, der uns frömmer scheint als wir selbst. - Unser Gott ist nicht dadurch zu beeinflussen, dass einer, den wir für würdiger halten, uns bei ihm vertritt. Im Gebet stehen wir unmittelbar vor Gott! Liebe Gemeinde, ich glaube, ans Ende der Predigt passt jetzt sehr gut das Wort, zu dem wir gern schon an ihrem Anfang gesprungen wären: Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. AMEN