Predigt zum Sonntag „Laetare“ - 15.3.2015 Textlesung: Jh. 12, 20 - 26 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und An- dreas sagen’s Jesus weiter. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s er- halten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. Liebe Gemeinde! Hier steht - wie so oft - sehr viel zwischen den Zeilen und muss erklärt werden: Die Griechen, die „heraufgekommen waren“, sind Heiden, die an einem bestimmten Ort im Tempel „anbeten“ dürfen. Dass sie „Jesus sehen wollen“, heißt nichts anderes, als dass sie sich wünschen, ihn näher kennen- zulernen. Sie wenden sich für diesen Wunsch sicher bewusst an Andreas und Philippus, die als ein- zige aus der Schar der Jünger einen griechischen Namen tragen, also wohl eine gewisse Nähe zur griechischen Kultur hatten. Als Jesus von dem Wunsch der Griechen hört, antwortet er scheinbar so, als hätte er nicht verstan- den, was die griechischen Besucher wollen. Aber nur scheinbar. Wenn er sagt: „Die Zeit ist ge- kommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde“, dann zeigt er uns, dass er bald im Tod am Kreuz und in seiner Auferstehung zum Ziel seines kurzen Erdenlebens kommt. Denn dass sich auch die Heiden zu ihm aufmachen, ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass sein Auftrag in der Welt kurz vor seiner Erfüllung steht. Denn auch die Heiden sind Gottes Kinder, denen der Messias Gottes das Heil bringt. Das hat Jesus und das haben wir schon bei Jesaja gelesen: „Ich habe dich zum Licht der Heiden gemacht, damit du das Heil seist bis an die Enden der Erde.“ (Jes.49,6) Jetzt aber genug mit diesen eher trockenen Erklärungen! Alles andere in diesen Versen spricht deutlich und verständlich zu uns: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Wie es mit dem Weizenkorn ist, so ist es auch mit Jesus: Er muss für die Schuld der Menschen ans Kreuz gehen. Er muss sterben - nur so kann er in der Auferstehung für alle Menschen, die an ihn glauben, Frucht bringen. Wie gesagt, das ist deutlich und verständlich und so wiederholen wir es ja auch, immer wenn wir im Gottesdienst unser Glaubensbekenntnis sprechen: „...gekreuzigt, gestorben und begraben...am dritten Tage auferstanden von den Toten... Ich glaube an...die Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Weit schwieriger geht uns hier das nächste Wort Jesu ein: „Wer sein Leben lieb hat, der wird’s ver- lieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.“ Liebe Gemeinde, sagen Sie, hassen Sie ihr Leben in dieser Welt? Ich weiß schon, dass ist jetzt eine sehr unangenehme Frage. Wie soll man denn da antworten? Eigentlich meinen wir doch, dass wir unser Leben, das große Geschenk Gottes an seine Kinder, lieben müssten! Also müssten wir ja sa- gen! Andererseits - da bin ich ganz sicher! - lieben nicht alle von uns ihr Leben wirklich. Die eine hat eine schwere Behinderung, die ihr schon seit der Kindheit das Leben vergällt. Deswe- gen konnte sie nur eine kurze schulische Ausbildung machen und kein Abitur. Deswegen konnte sie nicht studieren und hat sie auch keinen Mann gefunden. Wie oft hat sie mit Gott gehadert und wollte ihm gern das „Geschenk“ ihres Lebens zurückgeben. Ein anderer war von Geburt an benachteiligt. Die Eltern waren arm und obwohl beide gearbeitet haben, war nie genug Geld da. Darum musste er schon früh mithelfen, dass sie über die Runden kamen. Die Arbeit in der Fabrik ist zwar nicht schwer, aber eintönig. Wie gern hätte er einen richti- gen Beruf gelernt! Inzwischen ist er über dreißig und hat einfach den Mut nicht mehr, noch einmal die Schulbank zu drücken. Jedenfalls ist das nicht sein Leben, dass er führen muss. Einer Dritten ist vor Wochen der Mann gestorben. Und er war doch erst 53! Wie soll sie jetzt die Raten für das Haus bezahlen, dass sie vor Jahren gebaut haben? Wenigstens die Kinder stehen in- zwischen auf eigenen Füßen. Aber das Haus wird sie verkaufen müssen. Und wie sehr fehlt ihr jetzt der Partner! Was soll nur werden? Wie und wo wird sie leben? Am liebsten wäre es ihr, wenn sie bald dort sein könnte, wo ihr Mann jetzt ist. Liebe Gemeinde, ja, das gibt es, dass Menschen ihr Leben hassen. Aber es gibt auch die anderen, die leben nicht nur gern. Sie hängen geradezu am Leben und holen aus ihm heraus, was nur drin ist: Jedes Vergnügen wird mitgenommen. Alles, was gut und teuer ist, müssen sie haben. Ihr Nabel ist der Mittelpunkt ihrer Welt. Andere Menschen, die Not in der Nähe und Ferne interessieren sie nicht. Warum anderen abgeben von dem, was doch nur einem selbst gehört? Da hinein spricht Jesus dieses Wort: „Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.“ Und vielleicht wird uns jetzt klar, wie er das meint: Wer allzusehr an seinem eigenen Leben hängt, der versäumt das Leben, das Jesus gemeint hat. Das Leben, in dem Gott und der Mitmensch eine Rolle spielt. Das Leben, das immer auch die anderen Menschen im Blick hat, ihre Not, ihre Sorgen und ihren Kummer sieht und sich nach Kräften bemüht, zu lindern, zu helfen und beizustehen. Das nämlich ist das wahre Leben. Das ist unsere Bestimmung in dieser Welt. Wir haben das Leben nicht nur für uns selbst geschenkt bekommen, sondern auch für die Mitmenschen. Erst in guter Gemeinschaft mit ihnen erfüllt sich das Leben. Da ist, wer sein Leben hasst, wem es eine Last ist, viel näher an einem Leben dran, das auch für an- dere da ist. Ist es nicht wirklich so, dass die, deren Leben nicht so verläuft, wie sie sich das ge- wünscht haben, viel leichter von dem Wenigen abgeben können, das sie besitzen? Schon im Evan- gelium lesen wir von so einer Frau, die ihren Pfennig in den Gotteskasten wirft und damit ver- gleichsweise viel mehr als die, die reich sind und übergenug haben? (Mk.12,41-44) Und Menschen, die an ihrem Leben leiden, knüpfen auch viel schneller Beziehungen zu denen, die es genauso schwer haben, während sich die anderen, die ihr Leben lieben, gern von ihren Mitmenschen ab- schotten - sie könnten ihnen ja etwas von ihrem Überfluss nehmen. Denen, die ihr Leben hassen, denen, die nicht gerne in dieser Welt sind, verheißt Jesus ein ewiges Leben aus der Auferstehung in Gottes neuer Welt. Ich denke, jetzt begreifen wir auch, was Jesus uns mit dem letzten Wort aus diesem Bibelabschnitt sagen möchte: „Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“ Wer seinen Lebensweg in der Spur Je- su Christi geht, wer bei allem, was er tut und lässt, was er denkt und handelt immer wieder fragt: Was hätte ER getan?, der bewährt sich in der Nachfolge unseres Herrn. Dieser Weg wird nicht leicht sein. Er wird manchmal eng sein, steil und steinig. Er wird nicht an Leid, Kummer und Sor- gen vorbeiführen, aber mit Jesu Begleitung mitten hindurch. Und wir werden Weggefährten haben. Menschen, die an denselben Herrn glauben und dasselbe Ziel vor Augen haben. Wir werden uns gegenseitig Mut zusprechen, wenn wir durch dunkle Zeiten gehen müssen. Wir werden uns aber auch miteinander an den schönen Dingen des Lebens freuen - die nämlich wird es auch geben. Und wir werden am Ende des Wegs dort sein, wohin uns Jesus Christus vorausgegangen ist: in Gottes neuer Welt, im Leben, von dem wir hier nur haben träumen können...ewig! Wir wollen jetzt aber auch noch das sehen, was vielleicht für heute, für diesen Tag, diesen Sonntag „Lätare“ mitten in der Passionszeit an Jesu Worten besonders wichtig ist: Hier wird kein Urteil ge- sprochen. Er sagt nicht: Ihr habt euer Leben zu lieb, darum werdet ihr das Ewige Leben nicht sehen. Er sagt nicht: Ihr dient mir nicht, ihr folgt mir nicht nach, darum werdet ihr einmal nicht dort sein, wohin ich gehe. Alles ist offen. Wer bis heute seinen Weg allein gegangen ist, immer nur an sich und die eigene Wohlfahrt gedacht hat und nie an die Menschen, die Hilfe und Beistand nötig gehabt hätten, der kann umkehren, neu anfangen und alles hinter sich zurücklassen, was sein altes Leben war, seine Gleichgültigkeit, seine Schuld. Noch heute kann das Leben in Jesu Spur beginnen. Alle, die heute noch unsicher sind, ob sie wirklich mit Jesus ihren Weg gehen, ob sie ihn fragen und ihn bei ihren Entscheidungen mitreden lassen, die können ab heute aufmerksamer darauf achten, ob sie Jesus wirklich und genug das sein lassen, was er für uns sein will und was er, wenn wir ihn nur darum bitten, auch ist: der Herr über uns, unser Leben und unsere Zukunft! AMEN