Predigt zum Sonntag „Okuli“ - 8.3.2015 Liebe Gemeinde! Wir sind in den ernsten Wochen der Passionszeit und die Verse aus dem Evangelium des Lukas, die wir heute bedenken sollen, sind auch recht ernst. Dreimal teilt Jesus in seinen Worten ziemlich hart aus und wir müssen bezweifeln, dass die drei Männer, die gewagt haben, ihn anzusprechen, ihn auch verstanden haben. Aber verstehen wir ihn? Ich lese uns den Text zur Predigt. Er steht bei Lukas im 9. Kapitel, die Verse 57 bis 63: Textlesung: Lk. 9, 57 - 63 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Je- sus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Fol- ge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begra- be. Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. - „Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ So sagt der Erste, einer der doch gern Jesu Nachfolger wer- den möchte. Jesus aber scheint ihn nicht in seiner Begleitung haben zu wollen, würde er sonst so etwas sagen: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“ Wir versuchen uns zu erklären, warum er den Mann so zurückstößt: Vielleicht kannte Jesus ihn als wankelmütig. Als einen, der heute begeistert ist von einer Sache und morgen schon umfällt und nichts mehr davon wissen will. Oder er war zu gut gekleidet, so dass man ihm ansah, dass er nicht geeignet ist für die Strapazen und Entbehrun- gen, die auf einen Jünger Jesu unterwegs auf den staubigen und steinigen Straßen Palästinas war- ten? Vielleicht hat der Mann auch nicht mit dem nötigen Nachdruck gesprochen, dass Jesus ihm hätte glauben können, dass er es ernst meint, was er da sagt: „Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ All diese Erklärungen haben etwas für sich. Aber wir wissen nicht, welche zutrifft. Darum werden wir die Worte Jesu einfach so verstehen müssen, wie wir sie hier lesen - und als wären sie an uns gerichtet: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“ Was sagen sie uns dann? Das Leben mit Jesus, der Weg in seiner Nachfolge ist kein Zuckerschlecken! Da gibt es keine Ge- borgenheit, wie man sie im eigenen Haus, in der eigenen Wohnung mit einem festen Dach über dem Kopf empfindet. Wer mit Jesus geht, der muss sich auch auf schwere Stunden und leidvolle Tage einstellen. Eine Nachfolgerin, ein Nachfolger dieses Herrn wird Erfahrungen machen, die nicht leicht zu verarbeiten sind: Anfeindung, auch wo wir es nur gut meinen, Verleumdung, wo wir uns nichts haben zu Schulden kommen lassen, Verfolgung, nur weil wir die Wahrheit gesagt ha- ben... Wenn Gott will, wird es auch gute Zeiten geben, frohe Stunden, Freude und Glück. Aber wer aufbricht mit Jesus und ist nicht auch bereit, die steilen und steinigen Pfade mit ihm zu gehen und die dunklen Täler des Lebens zu durchschreiten, der sollte sich erst gar nicht mit ihm aufmachen. - Wenn wir die Entgegnung Jesu so hören und wenn sie uns das sagt, dann ist sie nicht nur hart, son- dern auch vernünftig und hilfreich. Denn der ist kein guter Nachfolger Jesu, der nicht den ganzen Weg mit seinem Herrn geht. - So sagt der Zweite: „Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.“ Jesus hatte ihn eingeladen: „Folge mir nach!“ Ich glaube, selbst wenn wir die eifrigsten Jüngerinnen und Jünger Jesu wären, diese Bitte um Aufschub könnten wir verstehen. Ja, selbst in unserer Gesellschaft heute, in der nicht mehr allzu viele Regeln unverrückbar gelten, gilt es doch als absolut zwingend und verständlich, dass man erst seinen Vater beerdigt, bevor man sich auf Reisen begibt. Darum scheint uns die Antwort Jesu wie die Aufforderung zum Tabubruch: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“ Wie kann Jesus so etwas sagen? War der Trauerfall vielleicht vorgeschoben? Gab es überhaupt keinen Vater zu beerdigen? War der verstorbene Vater des Mannes vielleicht ein bekannter Gegner Jesu und seiner Sache? Hatte Jesus am Ende nicht genau hingehört und nicht mitbekommen, dass es bei dem Toten wirklich um den leiblichen Vater des Mannes ging, der sich ihm gerne anschließen wollte? Auch hier wissen wir nichts Genaues und werden gut daran tun, uns selbst von Jesu Wort anspre- chen zu lassen: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“ Aber ist das nicht auch für uns eine zu harte Rede? Wenn wir trotzdem einmal genauer hinhören, dann wird uns deutlich, dass es Jesus darum geht, dass wir an seiner Seite das tun, wozu auch er in die Welt gekommen ist: Das Reich Gottes zu ver- kündigen! Und diese Verkündigung geschieht nicht nur mit Worten! Auch wenn uns das jetzt fast schmerzhaft berührt: Den Vater nicht zu beerdigen und stattdessen mit Jesus die Menschen für Got- tes Reich zu begeistern, ist eine sehr starke Verkündigung! Es zeigt, dass es nichts Wichtigeres ge- ben kann, als die Sache Gottes in der Welt und den Auftrag Jesu, an dem wir teilhaben, nämlich die Menschen zu Gott einzuladen und ihnen Jesus Christus lieb zu machen. - Und so spricht der Dritte zu Jesus: „Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind.“ Den Wunsch, von seinen Lieben Ab- schied zu nehmen, verstehen wir sicher gut. Das wäre ja auch ohne großen Aufwand und Aufent- halt zu machen. Das Haus, von dem der Mann spricht, ist gewiss schnell zu erreichen. Rasch hätten sich die Angehörigen auch versammelt. Ein paar Worte des Scheidenden. Ein paar Segenswünsche der Menschen, die zurückbleiben, ein paar Umarmungen... Dass einer gern einen solchen Abschied nehmen möchte, wenn er vielleicht für lange Zeit in der Fremde weilt, ist doch wirklich verständ- lich! Für Jesus aber zeigt das nicht die richtige Einstellung, wie sie ein Nachfolger haben muss: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Dieses Wort malt ein Bild vor die Augen des Mannes, der sich gern noch von seiner Familie verab- schieden wollte, das sicher zu ihm gesprochen hat und das auch zu uns spricht: Wenn du beim Pflügen nach hinten schaust, kannst du keine gerade Furchen ziehen. Wenn du dich zurückwendest, hast du nicht mehr das Ziel vor Augen und wirst es nicht erreichen. Was vergangen ist, ist vergan- gen - die Zukunft verlangt deinen ganzen Einsatz! Außerdem hält so ein Abschied dein Herz bei deinen Leuten fest und es ist nicht mehr frei für die Menschen, denen du begegnest und die Aufga- be, die vor dir liegt. Liebe Gemeinde, das ist alles richtig und einleuchtend - und trotzdem sind uns Jesu Worte für die Menschen damals wir für uns viel zu hart! Wie kann man einem, der gern ein Jünger werden will, nur von den Lasten und den Entbehrungen der Nachfolge reden? Wie kann man einem trauernden Sohn sagen, er solle seinen Vater von anderen Toten beerdigen lassen und sofort mitkommen. Und wie kann man schließlich einem Menschen, der wahrscheinlich für lange Zeit von zu Hause fort sein wird, verweigern, sich von Eltern, von der Frau und den Geschwistern zu verabschieden? Wenn wir das alles hören und bedenken, möchten wir sagen: Wer solche Forderungen an seine Nachfolgerinnen und Nachfolger stellt, der darf sich nicht wundern, wenn ihm keiner mehr nach- folgen will. - Wie können wir doch noch aus diesen Versen ein paar hilfreiche, gute Gedanken zie- hen? Mir ist etwas eingefallen, das begegnet uns in den Evangelien, besonders in den Geschichten und Gleichnissen Jesu immer wieder: Ich meine die Übertreibung! Da heißt es zum Beispiel in der Bergpredigt Jesu: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Va- ter im Himmel vollkommen ist.“ (Mt.5,48) Aber das können wir doch kaum ernst nehmen, denn wer kann vollkommen sein wie Gott? Und im Gleichnis vom Sämann wird behauptet: „Bei dem aber auf gutes Land gesät ist, das ist, der das Wort hört und versteht und dann auch Frucht bringt; und der eine trägt hundertfach, der ande- re sechzigfach, der dritte dreißigfach.“ (Mt.13,23) Dreißigfach, das heißt, 30 Körner in einer Ähre sind etwa beim Weizen noch heute ein sehr guter Ertrag. Aber sechzigfach und gar hundertfach!? Zur damaligen Zeit bei allen bekannten Getreidesorten ein unmögliches Ergebnis. Also: Auch hier eine gewaltige Übertreibung. Und schauen wir uns noch das bekannte Wort Jesu an darüber, wie schwer es die Reichen haben. in Gottes neue Welt einzugehen: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“ (Mk.10,25) Dass es so schwer für die Reichen sein soll, ja, eigentlich doch unmöglich, ist mit Sicherheit auch übertrieben! Und genauso übertrieben sind auch die Anforderungen für Nachfolger, von denen wir heute gehört haben. Aber wozu dienen die Übertreibungen? Alle, so unterschiedlich sie auch sind, wollen nicht abschrecken oder uns gar belügen oder zum Besten haben. Alle Übertreibungen stellen die große Bedeutung des Reiches Gottes heraus, zu dem uns Jesus führen will: Das ewige Leben in diesem Reich ist das Ziel, für das sich jeder Einsatz lohnt: Auch wenn du lange kein Dach über dem Kopf hast, auch wenn du keine Gelegenheit mehr findest, deinen Vater zu beerdigen oder von deinen Lieben Abschied zu nehmen, ins Reich Gottes einzugehen ist so wichtig, so wunderbar, dass du nach alldem, was dich hindert, dorthin aufzubre- chen, nicht mehr fragen sollst. Nach der Vollkommenheit Gottes zu streben und einmal in seiner Nähe zu leben, ist so herrlich, wie wenn eine Ähre oder ein Herz hundertfache Frucht trägt und es ist ewig gut und richtig, wenn wir zu den Reichen gehören, den Besitz, der uns dabei nur im Weg steht, dafür aufzugeben. Liebe Gemeinde, wenn wir uns die Größe, das Glück und die Freude des ewigen Ziels, zu dem uns Jesus führen will, heute und immer wieder vor Augen stellen, dann können wir auch seine harten und übertriebenen Worte, von denen wir heute gelesen haben, verstehen. AMEN